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Trauer und Anmut
Enkelin, Tochter, Schwester, Ehefrau: Für Fanny Hensel lagen viele Rollen nahe, aber sie ergriff die der Komponistin. Mit einem Oratorium bewies die 26 Jahre alte Musikerin, dass sie sich vor männlicher Konkurrenz nicht verstecken musste.
Es war alles andere als leicht für Fanny Hensel geb. Mendelssohn Bartholdy, sich als Komponistin zu etablieren. Da war der Vater, der für sie – wie im 19. Jahrhundert üblich – die spätere Rolle als Ehefrau und Mutter vorgesehen hatte. Und da war der ehrgeizige Bruder Felix, mit dem sie zutiefst verbunden war, aber auch in einer unausgesprochenen Konkurrenzsituation steckte.
Umso erstaunlicher, dass Fanny Hensel (1805-1847) bereits 1831, im Alter von 26 Jahren, ein gut halbstündiges chorsinfonisches Werk geschaffen hat, die "Cantate für die Toten der Cholera-Epidemie". Überliefert ist das Werk in der Berliner Staatsbibliothek; die Handschrift hat allerdings kein Titelblatt.
Erstaunlicher Kosmos
Der Musikwissenschaftler und Bibliothekar Rudolf Elvers erfasste das Werk in der Staatsbibliothek unter dem Titel "Oratorium nach Bildern der Bibel", wohl um seine Bedeutung hervorzuheben. Und tatsächlich erschließt sich beim Hören ein musikalischer Kosmos, der einen staunen lässt.
Gleichwohl hat das Werk nie die verdiente Aufmerksamkeit erfahren, wenngleich immerhin vier Aufnahmen des "Oratoriums" von Fanny Hensel existieren – drei im Handel erhältliche Einspielungen und ein Rundfunk-Live-Mitschnitt. Im Gespräch mit der Leiterin des Museums im Leipziger Mendelssohnhaus, Cornelia Thierbach, erschließt Claus Fischer die musikalische Welt der Fanny Hensel.
Als diese Sendung Anfang März 2020 erstmals ausgestrahlt wurde, war die Corona-Pandemie bereits ein Thema, das auch ins Gespräch hineinspielte, obwohl die damals unmittelbar bevorstehenden Auswirkungen auf das Leben im Allgemeinen und die Musikwelt im Besonderen keineswegs absehbar waren. Die Auseinandersetzung mit dem unterschätzten Schaffen von Fanny Hensel lohnt sich jedenfalls auch unabhängig von diesem Hintergrund.