"Das Problem Nummer eins bleibt Berlusconi"
"Das Hauptproblem in Italien sind nicht die Schulden", sagt Laura Garavini von der Demokratischen Partei Italiens. Vielmehr sei "die politische Unsicherheit und Unzuverlässigkeit" der italienischen Regierung Grund für die Abwertung Italiens durch die Ratingagenturen. Neben Berlusconis Rücktritt verlangt sie ein Investitionsprogramm, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Gabi Wuttke: Griechenland werden 50 Prozent der Schulden erlassen, es bleibt jetzt also abzuwarten, ob der Karren damit aus dem Dreck zu ziehen ist. Die zweite große Herausforderung für die EU: Italien. Das Land ist groß, aber die drittstärkste Volkswirtschaft Europas steht mit fast zwei Billionen Euro in der Kreide, die Zinsen für Kredite ziehen immer weiter an, Sparpakete werden von der Regierung geschnürt und wieder aufgemacht.
Vor dem Euro-Krisengipfel wurde der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi deshalb ins Gebet genommen von den Kollegen Regierungschefs, aber auch vom eigenen Staatspräsidenten und dem zukünftigen EZB-Chef Mario Draghi. Am Telefon ist jetzt Laura Garavini, die Fraktionsvorsitzende der Demokratischen Partei im Anti-Mafia-Ausschuss des Parlaments in Rom. Guten Morgen, Frau Garavini!
Laura Garavini: Schönen guten Morgen!
Wuttke: Silvio Berlusconi hat einmal mehr versprochen, zu sparen. Entlassungen sollen erleichtert, das Rentenalter in 15 Jahren allerdings erhöht, Staatsimmobilien für fünf Milliarden Euro verkauft werden, in drei Jahren soll der Schuldenstand damit um sieben Prozent gesenkt werden. EU-Ratspräsident van Rompuy hat diese Ankündigung begrüßt. Sind die EU-Partner naiv oder hilflos, was Berlusconi anbetrifft?
Garavini: Das Risiko ist da. Wir als Opposition kennen die Vorschläge, die Berlusconi gestern Abend angekündigt hat, noch nicht. Er hat sie erst zur letzten Sekunde nach Brüssel gesendet und er hat sie uns als Opposition vorher nicht gezeigt, sodass wir noch nicht genau wissen, worum es genau geht. Von den Informationen, die wir aus der Presse haben, sieht es aber so aus, dass sie sehr sozial unausgewogen sind, und vor allem ist es schon gut zu sparen, aber es ist nicht ausreichend. Man muss sehen, dass die Wirtschaft wieder in Gang gebracht wird.
Und wir als Opposition haben genaue Vorschläge. Wir schlagen eine Vermögenssteuer für Immobilienbesitz und Finanzbesitz vor. Die, die Geld haben, müssen endlich zahlen, damit wir einfach Ressourcen haben, mit denen wir eben die Wirtschaft wieder in Gang bringen. Man darf nicht vergessen – also das Hauptproblem in Italien sind nicht die Schulden. Der jetzige Schuldenstand von 120 Prozent der Wirtschaftsleistung war exakt genau so hoch, als Italien in den Euro aufgenommen wurde. Das heißt, eigentlich sind die Finanzprobleme Italiens nicht so dramatisch, wie immer getan wird. Das Hauptproblem bleibt nach wie vor ein politisches Problem, und zwar, dass eben wir von einer absolut unglaubwürdigen Person regiert werden, und zwar Berlusconi.
Wuttke: Aber lassen Sie uns die Unglaubwürdigkeit doch noch mal aufgreifen. Meine erste Frage bezog sich natürlich darauf, dass Silvio Berlusconi schon mehrere Sparpakete angekündigt hat, die wurden dann wieder aufgeknüppert, und auch bei diesen Ankündigungen lässt sich natürlich fragen: Ist das alles Naivität oder ist es Hilflosigkeit gegenüber dem italienischen Ministerpräsidenten, wenn jetzt in Brüssel gesagt wird, das klingt ernsthaft?
Garavini: Europa kann sich natürlich nicht leisten, dass Italien auch in so einen Zustand fällt wie Griechenland, aber wie gesagt, die konkrete Lage ist auch längst nicht so schlimm wie Griechenland. Das Problem Nummer eins bleibt Berlusconi. Die Ratingagenturen nennen die politische Unsicherheit und Unzuverlässigkeit als einen Hauptgrund für Ihre Abwertung von Italien. Deswegen müsste Berlusconi nach wie vor zurücktreten.
Wuttke: Aber dass die Schuldenquote, selbst wenn sie vor Jahren auch schon 120 Prozent betragen hat, immerhin die höchste in den Euroländern ist, beunruhigt Sie nicht wirklich?
Garavini: Natürlich, aber wie gesagt, wir sind als Opposition bereit, auch Sparmaßnahmen vorzusehen. Aber vor allem müssten wir sehen, dass eben Vermögenssteuer für Immobilienbesitz und Finanzbesitz zur Kasse gebeten wird, und dass man auch es ernst macht mit der Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Also selbst da sind unheimlich viele Milliarden Euro, die jedes Jahr dem Staat weggenommen werden – 120 Milliarden Euro könnten damit möglicherweise gewonnen werden. Alleine damit könnte man einen Großteil der Probleme Italiens lösen.
Wuttke: Prognostiziert ist, dass das Bruttoinlandsprodukt Italiens im nächsten Jahr weiter sinkt. Frau Garavini, ist den Italienern bewusst, wie schlimm es steht, oder teilen Sie mehrheitlich inzwischen Ihre Meinung, wenn wir diesen Ministerpräsidenten los sind, dann kann es eigentlich nur besser werden?
Garavini: Ja, die meisten sind mittlerweile dieser Meinung, sowohl im Land als auch letztendlich im Parlament. In der Mehrheit kriselt es zur Zeit stark. Nichtsdestotrotz ist es so, dass Berlusconi buchstäblich Abgeordnete gekauft hat, sodass er, wenn er Vertrauensvotum verlangt, immer wieder die Mehrheit auch im Parlament bekommt, aber wie gesagt, selbst innerhalb der Mehrheit kriselt es sehr, selbst die Lega hat, eben selbst der Lega-Boss Bossi hat behauptet, es kriselte. Es ist nicht hundertprozentig sicher, dass die Mehrheit es schafft.
Wuttke: Innerhalb von drei Jahren die Staatsverschuldungsquote um sieben Prozent zu senken, das kann man nicht nur mit einer Reichen-Steuer machen. Da müsste dann ein Sparmaßnahmenpaket auch der jetzigen Opposition doch so rigoros sein wie in Griechenland von der Regierung schon beschlossen. Was wäre dann in Italien los, bei den ja auch dort herrschenden verkrusteten Strukturen?
Garavini: Es kann gut sein, dass es starke Proteste geben wird. Schon jetzt gibt es schon mehrere Äußerungen auch von der Seite der Gewerkschaften beispielsweise, eben weil die Sparmaßnahmen, die angekündigt sind, besonders sozial unausgewogen sind. Wir als Opposition denken, wir sollten endlich mal diejenigen zu Steuern bitten, die bis jetzt kaum Steuern bezahlt haben, nämlich Kapitalbesitzer und Immobilienbesitzer, und eben es müsste eine Vermögenssteuer eingeführt werden.
Und wir brauchen aber auch Maßnahmen, mit denen wir eben die Wirtschaft wieder in Schwung kriegen. Es geht gar nicht, dass in so einer starken Finanzkrise eben nichts unternommen wird, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Und es müsste eine Art New Deal geben, aber nicht mit großen Infrastrukturmaßnahmen, wo häufig auch die organisierte Kriminalität mitverdient, sondern es müssten viele tausend kleine Maßnahmen in den Städten und Gemeinden unternommen werden, es müssen Steuern für kleine Betriebe gesenkt werden.
Also die Wirtschaft an der Basis müsste wieder in Schwung gebracht werden, damit auch Arbeitsplätze geschaffen werden, damit Arbeitsplätze behalten werden können, damit es eben auch der normale Bürger merkt: Wir unternehmen was, um die schlimme Lage tatsächlich zu verbessern, indem wir sparen, aber auch indem wir investieren und damit Arbeit behalten.
Wuttke: Wie es Italien besser gehen könnte ohne Silvio Berlusconi, dazu im Interview der Ortszeit von Deutschlandradio Kultur Laura Garavini von der oppositionellen Demokratischen Partei Italiens. Vielen Dank, Frau Garavini!
Garavini: Gern geschehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Vor dem Euro-Krisengipfel wurde der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi deshalb ins Gebet genommen von den Kollegen Regierungschefs, aber auch vom eigenen Staatspräsidenten und dem zukünftigen EZB-Chef Mario Draghi. Am Telefon ist jetzt Laura Garavini, die Fraktionsvorsitzende der Demokratischen Partei im Anti-Mafia-Ausschuss des Parlaments in Rom. Guten Morgen, Frau Garavini!
Laura Garavini: Schönen guten Morgen!
Wuttke: Silvio Berlusconi hat einmal mehr versprochen, zu sparen. Entlassungen sollen erleichtert, das Rentenalter in 15 Jahren allerdings erhöht, Staatsimmobilien für fünf Milliarden Euro verkauft werden, in drei Jahren soll der Schuldenstand damit um sieben Prozent gesenkt werden. EU-Ratspräsident van Rompuy hat diese Ankündigung begrüßt. Sind die EU-Partner naiv oder hilflos, was Berlusconi anbetrifft?
Garavini: Das Risiko ist da. Wir als Opposition kennen die Vorschläge, die Berlusconi gestern Abend angekündigt hat, noch nicht. Er hat sie erst zur letzten Sekunde nach Brüssel gesendet und er hat sie uns als Opposition vorher nicht gezeigt, sodass wir noch nicht genau wissen, worum es genau geht. Von den Informationen, die wir aus der Presse haben, sieht es aber so aus, dass sie sehr sozial unausgewogen sind, und vor allem ist es schon gut zu sparen, aber es ist nicht ausreichend. Man muss sehen, dass die Wirtschaft wieder in Gang gebracht wird.
Und wir als Opposition haben genaue Vorschläge. Wir schlagen eine Vermögenssteuer für Immobilienbesitz und Finanzbesitz vor. Die, die Geld haben, müssen endlich zahlen, damit wir einfach Ressourcen haben, mit denen wir eben die Wirtschaft wieder in Gang bringen. Man darf nicht vergessen – also das Hauptproblem in Italien sind nicht die Schulden. Der jetzige Schuldenstand von 120 Prozent der Wirtschaftsleistung war exakt genau so hoch, als Italien in den Euro aufgenommen wurde. Das heißt, eigentlich sind die Finanzprobleme Italiens nicht so dramatisch, wie immer getan wird. Das Hauptproblem bleibt nach wie vor ein politisches Problem, und zwar, dass eben wir von einer absolut unglaubwürdigen Person regiert werden, und zwar Berlusconi.
Wuttke: Aber lassen Sie uns die Unglaubwürdigkeit doch noch mal aufgreifen. Meine erste Frage bezog sich natürlich darauf, dass Silvio Berlusconi schon mehrere Sparpakete angekündigt hat, die wurden dann wieder aufgeknüppert, und auch bei diesen Ankündigungen lässt sich natürlich fragen: Ist das alles Naivität oder ist es Hilflosigkeit gegenüber dem italienischen Ministerpräsidenten, wenn jetzt in Brüssel gesagt wird, das klingt ernsthaft?
Garavini: Europa kann sich natürlich nicht leisten, dass Italien auch in so einen Zustand fällt wie Griechenland, aber wie gesagt, die konkrete Lage ist auch längst nicht so schlimm wie Griechenland. Das Problem Nummer eins bleibt Berlusconi. Die Ratingagenturen nennen die politische Unsicherheit und Unzuverlässigkeit als einen Hauptgrund für Ihre Abwertung von Italien. Deswegen müsste Berlusconi nach wie vor zurücktreten.
Wuttke: Aber dass die Schuldenquote, selbst wenn sie vor Jahren auch schon 120 Prozent betragen hat, immerhin die höchste in den Euroländern ist, beunruhigt Sie nicht wirklich?
Garavini: Natürlich, aber wie gesagt, wir sind als Opposition bereit, auch Sparmaßnahmen vorzusehen. Aber vor allem müssten wir sehen, dass eben Vermögenssteuer für Immobilienbesitz und Finanzbesitz zur Kasse gebeten wird, und dass man auch es ernst macht mit der Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Also selbst da sind unheimlich viele Milliarden Euro, die jedes Jahr dem Staat weggenommen werden – 120 Milliarden Euro könnten damit möglicherweise gewonnen werden. Alleine damit könnte man einen Großteil der Probleme Italiens lösen.
Wuttke: Prognostiziert ist, dass das Bruttoinlandsprodukt Italiens im nächsten Jahr weiter sinkt. Frau Garavini, ist den Italienern bewusst, wie schlimm es steht, oder teilen Sie mehrheitlich inzwischen Ihre Meinung, wenn wir diesen Ministerpräsidenten los sind, dann kann es eigentlich nur besser werden?
Garavini: Ja, die meisten sind mittlerweile dieser Meinung, sowohl im Land als auch letztendlich im Parlament. In der Mehrheit kriselt es zur Zeit stark. Nichtsdestotrotz ist es so, dass Berlusconi buchstäblich Abgeordnete gekauft hat, sodass er, wenn er Vertrauensvotum verlangt, immer wieder die Mehrheit auch im Parlament bekommt, aber wie gesagt, selbst innerhalb der Mehrheit kriselt es sehr, selbst die Lega hat, eben selbst der Lega-Boss Bossi hat behauptet, es kriselte. Es ist nicht hundertprozentig sicher, dass die Mehrheit es schafft.
Wuttke: Innerhalb von drei Jahren die Staatsverschuldungsquote um sieben Prozent zu senken, das kann man nicht nur mit einer Reichen-Steuer machen. Da müsste dann ein Sparmaßnahmenpaket auch der jetzigen Opposition doch so rigoros sein wie in Griechenland von der Regierung schon beschlossen. Was wäre dann in Italien los, bei den ja auch dort herrschenden verkrusteten Strukturen?
Garavini: Es kann gut sein, dass es starke Proteste geben wird. Schon jetzt gibt es schon mehrere Äußerungen auch von der Seite der Gewerkschaften beispielsweise, eben weil die Sparmaßnahmen, die angekündigt sind, besonders sozial unausgewogen sind. Wir als Opposition denken, wir sollten endlich mal diejenigen zu Steuern bitten, die bis jetzt kaum Steuern bezahlt haben, nämlich Kapitalbesitzer und Immobilienbesitzer, und eben es müsste eine Vermögenssteuer eingeführt werden.
Und wir brauchen aber auch Maßnahmen, mit denen wir eben die Wirtschaft wieder in Schwung kriegen. Es geht gar nicht, dass in so einer starken Finanzkrise eben nichts unternommen wird, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Und es müsste eine Art New Deal geben, aber nicht mit großen Infrastrukturmaßnahmen, wo häufig auch die organisierte Kriminalität mitverdient, sondern es müssten viele tausend kleine Maßnahmen in den Städten und Gemeinden unternommen werden, es müssen Steuern für kleine Betriebe gesenkt werden.
Also die Wirtschaft an der Basis müsste wieder in Schwung gebracht werden, damit auch Arbeitsplätze geschaffen werden, damit Arbeitsplätze behalten werden können, damit es eben auch der normale Bürger merkt: Wir unternehmen was, um die schlimme Lage tatsächlich zu verbessern, indem wir sparen, aber auch indem wir investieren und damit Arbeit behalten.
Wuttke: Wie es Italien besser gehen könnte ohne Silvio Berlusconi, dazu im Interview der Ortszeit von Deutschlandradio Kultur Laura Garavini von der oppositionellen Demokratischen Partei Italiens. Vielen Dank, Frau Garavini!
Garavini: Gern geschehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.