Das Protokoll eines Toren

Millionen Menschen kennen ihn als "Lippi", als großen Fernsehstar in der DDR, der nach der Wende Moderator von "Wetten, dass ..?” wurde. Doch seine Karriere ging nicht nur nach oben. Wolfgang Lippert hat seine Triumphe und Rückschläge im Buch "Lippi-Bekenntnisse" verarbeitet.
"Also eigentlich sind Sie ja ganz nett", sagt "so'n ganz Schlauer", wie Wolfgang Lippert in seiner Autobiografie schreibt - nachdem der Moderator bei einer Privatveranstaltung das Eis gebrochen, die Frau des "ganz Schlauen" durch seinen Hit "Erna kommt" für sich gewonnen hat. Eigentlich ist er ja ganz nett: Dieses Urteil kann sich erarbeiten, wer "Lippi-Bekenntnisse" liest. Denn Wolfgang Lippert ist - auch als Autor - zuerst einmal ziemlich anstrengend.

Das beginnt beim Untertitel seiner Erinnerungen, der "Unverblümte Plaudereien über ein authentisches Leben" lautet. Die Betonung einer als "ehrlich" empfundenen "Authentizität", der Zug ins Geschwätzige ("unverblümte Plaudereien") und die schiefe Metaphorik ("authentisches Leben") - all das findet sich häufiger, als dem Leser, der nicht Fan ist, lieb sein kann in dem Buch, in dem der 1952 in Berlin-Kaulsdorf geborene Lippert sein Leben erzählt.

Dabei hat Lippert etwas zu erzählen. Aus dem Umfeld von Musikgruppen kommend, landete er einen Hit mit dem besagten Lied "Erna kommt". Er stieg rasch auf zum beliebten Moderator im DDR-Fernsehen und genoss schon vor 1989 das Privileg, im Westfernsehen eine eigene Show zu haben. 1992 übernahm er "Wetten, dass...?", musste die Moderation der Samstagsabendshow aber nach neun Sendungen wieder an seinen Vorgänger Thomas Gottschalk abgeben.

Auch wenn Lippert in den folgenden Jahren weitere Sendungen moderierte, war der Zenit seiner Karriere damit überschritten. Für den Spott sorgte der Boulevard, der eine angeblich in einem Baumarkt gestohlene Zange zum Inbegriff von Lipperts Fall machte. 2002 musste Lippert, der sein Geld in allerlei riskante Geschäfte gesteckt hatte, Privatinsolvenz anmelden. Heute arbeitet er unter anderem als Schauspieler bei den Störtebeker-Festspielen in Ralswiek. Die Veröffentlichung von "Lippi-Bekenntnisse" spricht für eine Konsolidierung seines Berufslebens - und wirbt für eine Neubewertung des Moderators.

Unverblümt sind Lipperts Plaudereien insofern nicht, als er sich zu den Misserfolgen seines Lebens kaum äußert. Die Privatinsolvenz wird nicht erwähnt, der "Wetten, dass...?"-Abgang nur flüchtig. Die Alternativökonomie in der DDR-Mangelwirtschaft, auf die sich das "Organisationstalent" in der privilegierten Unterhaltungsszene verstand, bleibt leider auf Anekdoten reduziert.

Relativ unverblümt ist Lippert dagegen - und darin liegt die Qualität dieses Buchs - in Bezug auf sich selbst: Von seiner opportunistischen Eitelkeit und naiven Gefallsucht schreibt er weniger sündenstolz als unbedarft offen. Die Selbstcharakterisierung als "olle Lippi" mag kindisch klingen, in ihr steckt aber, wenn keine Ironie, so wenigstens eine Distanz zu sich selbst, die erstmal aufbringen muss, wer Karriere gemacht hat.

"Lippi-Bekenntnisse" liest sich wie das Protokoll eines Toren. Der Protagonist erscheint darin als Wiedergänger von Eichendorffs Taugenichts, den Thomas Mann einmal "human-gemäßigt" genannt hat. Das trifft "Lippi" ganz gut. Auch wenn die Reflexionsfähigkeit über die Instrumentalisierung der eigenen Person ausgeprägter sein könnte, hat sich Wolfgang Lippert seine beziehungsreiche Biografie zweifellos angeeignet. Nur beschreiben sollte er sie nicht als einziger.

Besprochen von Matthias Dell

Wolfgang Lippert: "Lippi-Bekenntnisse. Unverblümte Plaudereien über ein authentisches Leben"
Mitarbeit: Karin von Kroge
Integral Verlag, München 2011
272 Seiten, 18,99 Euro