Das Schillerjahr im Hörbuch
Anlässlich des Schillerjahres wollen auch die Hörbuchverlage "ihren Schiller" würdigen und mit dem Jubiläum ihren Umsatz mehren. Hartwig Tegeler stellt drei Schiller-Hörbücher vor.
Die Hörbücher:
1) Friedrich Schiller - Dramen - Hörspieledition. 10 CD. Ca. 750 Minuten. 49 Euro. Erschienen bei: Der Audio-Verlag
2) Robert Gernhardt präsentiert Die Freude, Die Glocke, Der Ring und Die Trauer. 1 CD mit Booklet. Ca. 60 Minuten. 14,95 Euro. Erschienen bei: Der Audio-Verlag
3.) Sigrid Damm - Das Leben des Friedrich Schiller - Eine Wanderung. 5 CD. 380 Minuten. 24,95 Euro. Erschienen bei: HörVerlag München
Schiller. Dramen - Don Carlos: "[Marquis von Posa:] Niemals - niemals / Besaß ein Sterblicher so viel, so göttlich / Es zu gebrauchen. Alle Könige / Europens huldigen dem Spanschen Namen. / Gehen Sie Europens Königen voran. / Ein Federzug von dieser Hand, und neu / Erschaffen wird die Erde. Geben Sie / Gedankenfreiheit."
Und dann wirft sich der Marquis von Posa in DON CARLOS dem König von Spanien, - laut Regieanweisung - zu Füßen. Was man im Hörspiel nicht sieht und auch nicht hört, was aber wegen der Verbeugung vor literaturwissenschaftlicher Präzision hier einmal zu erwähnen ist ...
Schiller. Dramen - Don Carlos: ""Geben Sie ..."
... angesichts dieser klassischen Replik von Herrn Schiller, dem großen Klassiker.
Schiller. Dramen - Don Carlos: "... Gedankenfreiheit."
Nein, hier in der Hörspiel-Edition zum 200. Todestag ist sie noch ganz ungebrochen, die pathetische Vereinnahmung des Dichterheroen.
Schiller. Dramen - Don Carlos: "[König:] Wann, denkt ihr, würden diese menschlichen / Jahrhunderte erscheinen, hätt ich vor / Dem Fluch des jetzigen gezittert. Sehet / In meinem Spanien euch um. Hier blüht / Des Bürgers Glück in nie bewölktem Frieden; / Und diese Ruhe gönn ich den Flamändern. - [Marquis:] Die Ruhe eines Kirchhofs."
DIE GEISTERSEHER, MARIA STUART, WILHELM TELL, DEMETRIUS oder...
Ansage Hörspiel 1956: "Sie hören heute: "Kabale und Liebe". Ein bürgerliches Trauerspiel von Friedrich von Schiller."
In der Edition der Schiller-Dramen, die der Berliner Audio-Verlag jetzt herausbringt - in der Mehrzahl 50er-Jahre-Hörspiele aus den Tiefen der ARD-Archive -, da weht einen der Muff der 50er an, was gänzlich reizlos ist.
Schiller. Dramen - Kabale und Liebe: ""Vater, hier ist deine Tochter wieder. Verzeihung, Vater, dein Kind kann ja nicht dafür, dass dieser Traum so schön war und so fürchterlich das Erwachen. - Aber ich will seine Kabalen durchbohren; durchreißen will ich all diese eisernen Ketten des Vorurteils. - Geduld, Herr, der Weg aus meinem Hause geht nur über diesen da."
Die Haltung, die sich in diesen Inszenierungen ausdrückt, ist die der unkritischen Verehrung des Klassikers; eine Position, noch ganz unbenommen vor der Entrümpelung, die die kritischen Germanisten der 68er-Bewegung dem Dichterfürsten - dem "Zentralklassiker" - verordneten.
Robert Gernhardt "Schiller Gedichte": "Ich selber, Abitursjahrgang 1956, habe noch einen Abglanz des großen Zentralklassikers Schiller kennen gelernt."
Stellt ein Dichterkollege fest über den 1805 verstorbenen und nun den 200. Todestag erleiden müssenden Schiller, Johann Christoph Friedrich von.
Robert Gernhardt "Schiller Gedichte": "Ich musste noch Teile der erwähnten ´Glocke´ auswendig hersagen können. Doch bereits Anfang der 60er erlosch die helle, manchmal auch grelle Gloriole, welche den Dichter mehr als ein Jahrhundert lang umstrahlt hatte."
Klug, kenntnisreich, äußerst vergnüglich und mit Liebe zur literarischen Form setzt sich Robert Gernhardt nach Goethe, Hölderlin und Heine nun mit dem Lyriker Friedrich Schiller auseinander. Gernhardt beschreibt den Wandel im Schillerbild, sein Verschwinden aus dem literarischen Kanon in den 60ern ...
Robert Gernhardt "Schiller Gedichte": "Dessen Stelle hatte vermutlich zu diesem Zeitpunkte bereits Brecht eingenommen."
... aber Schriftsteller Robert Gernhardt nimmt in dem von ihm selbst gelesenen, ebenfalls im Audio-Verlag erschienenen Hörbuch SCHILLER-GEDICHTE den Poeten gegen falsche Etikettierungen in Schutz. Schiller sei kein gipserner Klassiker.
Robert Gernhardt "Schiller Gedichte": "Entlastungszeugen seine ganz und gar unklassischen Gedichte, mit denen er sich selber ins Wort fällt. Schiller ist kein abgetaner Dichter. Entlastungszeugen seine immer noch quicklebendigen Sprachfunde und Worterfindungen."
Gernhardt eine Stunde lang zuzuhören bei seiner Beweisführung, ist anregender als diese zum Pathos geronnenen Hörspiele aus den 50ern. Gleiches kann von einer anderen Lesung gelten, die der HörVerlag München herausbringt: Sigrid Damms, von Eva Garg gelesene Biographie DAS LEBEN DES FRIEDRICH SCHILLER. EINE WANDERUNG. Sigrid Damm versucht durch eine Annäherung an den Menschen Schiller wieder einen Blick auf das Werk zu bekommen.
"Wenn Schiller später von fünf oder auch neun Monaten Arbeitsunfähigkeit durch seine Krankheit spricht, so geschieht dies zumeist in Briefen an seine Verleger, die Terminarbeiten von ihm erwarten. In Wirklichkeit kommen die Wanderungen in seinem Kopf nie zum Stillstand."
Im Kaiserreich wie unter den Nazis wurde Schiller als Klassiker einzementiert; in den 50ern lebte diese kulturideologische Tradition weiter; wurde in den 60ern zerschlagen. Schiller war den Germanistik-Studenten in den 70ern und 80ern des 20. Jahrhunderts ein Gräuel. Vielleicht könnte das Gute an diesem nun ja, wohl unvermeidlichen Jubiläum des 200. Schillerschen Todestages darin liegen - im Sinn von Robert Gernhardt oder Sigrid Damm -, kein Monument, sondern die Texte eines Dichters neu zu entdecken.
1) Friedrich Schiller - Dramen - Hörspieledition. 10 CD. Ca. 750 Minuten. 49 Euro. Erschienen bei: Der Audio-Verlag
2) Robert Gernhardt präsentiert Die Freude, Die Glocke, Der Ring und Die Trauer. 1 CD mit Booklet. Ca. 60 Minuten. 14,95 Euro. Erschienen bei: Der Audio-Verlag
3.) Sigrid Damm - Das Leben des Friedrich Schiller - Eine Wanderung. 5 CD. 380 Minuten. 24,95 Euro. Erschienen bei: HörVerlag München
Schiller. Dramen - Don Carlos: "[Marquis von Posa:] Niemals - niemals / Besaß ein Sterblicher so viel, so göttlich / Es zu gebrauchen. Alle Könige / Europens huldigen dem Spanschen Namen. / Gehen Sie Europens Königen voran. / Ein Federzug von dieser Hand, und neu / Erschaffen wird die Erde. Geben Sie / Gedankenfreiheit."
Und dann wirft sich der Marquis von Posa in DON CARLOS dem König von Spanien, - laut Regieanweisung - zu Füßen. Was man im Hörspiel nicht sieht und auch nicht hört, was aber wegen der Verbeugung vor literaturwissenschaftlicher Präzision hier einmal zu erwähnen ist ...
Schiller. Dramen - Don Carlos: ""Geben Sie ..."
... angesichts dieser klassischen Replik von Herrn Schiller, dem großen Klassiker.
Schiller. Dramen - Don Carlos: "... Gedankenfreiheit."
Nein, hier in der Hörspiel-Edition zum 200. Todestag ist sie noch ganz ungebrochen, die pathetische Vereinnahmung des Dichterheroen.
Schiller. Dramen - Don Carlos: "[König:] Wann, denkt ihr, würden diese menschlichen / Jahrhunderte erscheinen, hätt ich vor / Dem Fluch des jetzigen gezittert. Sehet / In meinem Spanien euch um. Hier blüht / Des Bürgers Glück in nie bewölktem Frieden; / Und diese Ruhe gönn ich den Flamändern. - [Marquis:] Die Ruhe eines Kirchhofs."
DIE GEISTERSEHER, MARIA STUART, WILHELM TELL, DEMETRIUS oder...
Ansage Hörspiel 1956: "Sie hören heute: "Kabale und Liebe". Ein bürgerliches Trauerspiel von Friedrich von Schiller."
In der Edition der Schiller-Dramen, die der Berliner Audio-Verlag jetzt herausbringt - in der Mehrzahl 50er-Jahre-Hörspiele aus den Tiefen der ARD-Archive -, da weht einen der Muff der 50er an, was gänzlich reizlos ist.
Schiller. Dramen - Kabale und Liebe: ""Vater, hier ist deine Tochter wieder. Verzeihung, Vater, dein Kind kann ja nicht dafür, dass dieser Traum so schön war und so fürchterlich das Erwachen. - Aber ich will seine Kabalen durchbohren; durchreißen will ich all diese eisernen Ketten des Vorurteils. - Geduld, Herr, der Weg aus meinem Hause geht nur über diesen da."
Die Haltung, die sich in diesen Inszenierungen ausdrückt, ist die der unkritischen Verehrung des Klassikers; eine Position, noch ganz unbenommen vor der Entrümpelung, die die kritischen Germanisten der 68er-Bewegung dem Dichterfürsten - dem "Zentralklassiker" - verordneten.
Robert Gernhardt "Schiller Gedichte": "Ich selber, Abitursjahrgang 1956, habe noch einen Abglanz des großen Zentralklassikers Schiller kennen gelernt."
Stellt ein Dichterkollege fest über den 1805 verstorbenen und nun den 200. Todestag erleiden müssenden Schiller, Johann Christoph Friedrich von.
Robert Gernhardt "Schiller Gedichte": "Ich musste noch Teile der erwähnten ´Glocke´ auswendig hersagen können. Doch bereits Anfang der 60er erlosch die helle, manchmal auch grelle Gloriole, welche den Dichter mehr als ein Jahrhundert lang umstrahlt hatte."
Klug, kenntnisreich, äußerst vergnüglich und mit Liebe zur literarischen Form setzt sich Robert Gernhardt nach Goethe, Hölderlin und Heine nun mit dem Lyriker Friedrich Schiller auseinander. Gernhardt beschreibt den Wandel im Schillerbild, sein Verschwinden aus dem literarischen Kanon in den 60ern ...
Robert Gernhardt "Schiller Gedichte": "Dessen Stelle hatte vermutlich zu diesem Zeitpunkte bereits Brecht eingenommen."
... aber Schriftsteller Robert Gernhardt nimmt in dem von ihm selbst gelesenen, ebenfalls im Audio-Verlag erschienenen Hörbuch SCHILLER-GEDICHTE den Poeten gegen falsche Etikettierungen in Schutz. Schiller sei kein gipserner Klassiker.
Robert Gernhardt "Schiller Gedichte": "Entlastungszeugen seine ganz und gar unklassischen Gedichte, mit denen er sich selber ins Wort fällt. Schiller ist kein abgetaner Dichter. Entlastungszeugen seine immer noch quicklebendigen Sprachfunde und Worterfindungen."
Gernhardt eine Stunde lang zuzuhören bei seiner Beweisführung, ist anregender als diese zum Pathos geronnenen Hörspiele aus den 50ern. Gleiches kann von einer anderen Lesung gelten, die der HörVerlag München herausbringt: Sigrid Damms, von Eva Garg gelesene Biographie DAS LEBEN DES FRIEDRICH SCHILLER. EINE WANDERUNG. Sigrid Damm versucht durch eine Annäherung an den Menschen Schiller wieder einen Blick auf das Werk zu bekommen.
"Wenn Schiller später von fünf oder auch neun Monaten Arbeitsunfähigkeit durch seine Krankheit spricht, so geschieht dies zumeist in Briefen an seine Verleger, die Terminarbeiten von ihm erwarten. In Wirklichkeit kommen die Wanderungen in seinem Kopf nie zum Stillstand."
Im Kaiserreich wie unter den Nazis wurde Schiller als Klassiker einzementiert; in den 50ern lebte diese kulturideologische Tradition weiter; wurde in den 60ern zerschlagen. Schiller war den Germanistik-Studenten in den 70ern und 80ern des 20. Jahrhunderts ein Gräuel. Vielleicht könnte das Gute an diesem nun ja, wohl unvermeidlichen Jubiläum des 200. Schillerschen Todestages darin liegen - im Sinn von Robert Gernhardt oder Sigrid Damm -, kein Monument, sondern die Texte eines Dichters neu zu entdecken.