Das schleichende Vergessen - Hilfe bei Demenzerkrankungen

Zuerst sind es nur Kleinigkeiten: Der verlegte Schlüssel, vergessene Worte oder Telefonnummern. Dann finden sich die Betroffenen plötzlich in ihrer vertrauten Umgebung nicht mehr zurecht. In späteren Phasen werden Verwandte zu Fremden, große Teile der Biographie verschwinden im Dunkeln - Diagnose: Alzheimer.
Über eine Million Menschen leiden in Deutschland an Demenzerkrankungen, Zweidrittel von ihnen haben Alzheimer, Tendenz steigend. Forscher warnen, dass sich die Zahl der Erkrankten in den nächsten 40 Jahren verdoppeln wird.

Auch 100 Jahre nach der Entdeckung der Krankheit durch den Nervenarzt Alois Alzheimer im Jahr 1906 ist sie unheilbar. Umso wichtiger ist eine frühe und präzise Diagnose, weiß Dr. Annette Richert. Die 1. Vorsitzende der Berliner Alzheimer-Gesellschaft kennt aber auch die Realität: "Oft wird die Krankheit erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert – etwa dann, wenn die Betroffenen aufgrund von Aggressivität in die Klinik eingeliefert werden." Offenbar nähmen viele Angehörige, aber auch Hausärzte, die Veränderungen einfach als altersbedingten Abbau wahr, gegen den man ohnehin nichts tun könne.

"Doch geistiger Verfall ist keineswegs eine normale Alterserscheinung."
Die Oberärztin am Berliner Krankenhaus Hedwigshöhe betreut seit über 15 Jahren Demenzkranke und hat 1989 in Berlin die erste Gedächtnissprechstunde aufgebaut. Ihr Augenmerk liegt nicht nur auf der besseren Erkennung und Behandlung der verschiedenen Demenzerkrankungen. Sie setzt sich auch dafür ein, dass die betroffenen Familien mehr Unterstützung erfahren. Daran erinnert Annette Richert einmal mehr anlässlich des diesjährigen Weltalzheimertages am 21. September.

Auch Adriana Hasenberg appelliert an Angehörige, nicht zu lange zu warten, wenn Eltern oder Ehepartner auffällig vergesslich werden. Seit fünf Jahren leitet sie die Alzheimer-Station im "Sophienhaus Bethanien", einem Pflegeheim in Berlin. Nicht nur die Betroffenen litten unter der Krankheit, auch die Angehörigen: "Wir betreuen 35 Patienten, die zum Teil sehr verhaltensauffällig sind. Sie sind sehr unruhig, verwechseln Tag und Nacht, schlafen nicht, sind aggressiv. Und so bekommen wir auch gleichzeitig 35 Angehörige – oder oft mehr – die sehr erschöpft sind."

Adriana Hasenberg und ihr Team arbeiten psychobiographisch, das heißt sie versuchen so viel wie möglich aus der Biographie der Bewohner zu erfahren. "Das, was wir sehen, ist das eine. Aber jeder Bewohner hat ein Leben mit vielen Facetten hinter sich und wir versuchen, peu à peu das als Gesamtbild zusammen zu setzen. Das dauert ungefähr sechs Monate. Aber das hilft uns, auf ihn zuzugehen, ihn zu verstehen. Denn diese Patienten sind geprägt von viel Unsicherheit, Gekränktheit, Ängstlichkeit. Wir geben ihnen Ruhe, Ordnung, Vertrauen. Das braucht Zeit, aber es macht sich bezahlt."

"Das schleichende Vergessen - Hilfe bei Demenzerkrankungen" - darüber diskutiert heute Dieter Kassel gemeinsam mit Dr. Annette Richert von 9:07 Uhr bis 11 Uhr, in der Sendung "Radiofeuilleton - Im Gespräch". Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen und Fragen stellen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800/22542254 oder per E-Mail gespraech@dradio.de

Informationen zum Thema bei der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V.
Bundesweites Alzheimer-Telefon: 0180/3171017