Barockoper im Spukschloss
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Westlich von Stockholm findet sich das am besten erhaltene Barocktheater Europas, das Schlosstheater Drottningholm. Die Bühnentechnik ist noch original. Heute werden im Schlosstheater in den Sommermonaten Opern des 17. und 18. Jahrhunderts aufgeführt.
Eine weitläufige barocke Parklandschaft mit Fontänen und Wiesen umgibt das Schloss Drottningholm. Das Theater befindet sich dicht am Eingang der riesigen Anlage, die 1991 in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen wurde und auch "schwedisches Versailles" genannt wird.
Seine Besonderheit im Vergleich mit anderen europäischen, historischen Theatern ist die Bühnenmaschine, die original aus dem 18. Jahrhundert stammt, die bestens erhalten ist und als Vorlage für zahlreiche Nachbauten diente.
Anreise per Schiff
Ein märchenhafter Anblick auf das Areal bietet sich Besuchern schon bei der Anreise per Schiff. Drottningholm liegt nur 15 Kilometer westlich von Stockholm auf einer der Inseln des Mälar-Sees. Von dem Anlegesteg sind es nur wenige Meter zu Fuß zur Schlossanlage.
Seit dem 17. Jahrhundert haben schwedische Monarchinnen hier ihren Sommer verbracht, auch die heutige Königin Sylvia geht ab und an im Park mit ihren Hunden spazieren.
Das Schlosstheater Drottningholm wurde 1766 erbaut. Es ist äußerlich ein schlichter Bau und das dritte Theater an diesem Ort. Das erste soll sich weiter hinten im Garten befunden - aber dem Hof nicht genügt haben, weil es wesentlich kleiner war. Durch einen Brand wurde es zerstört. Die Initiative für ein komplett neues Theater ging besonders von der damaligen Regentin Lovisa Ulrika aus.
Preußische Musikader im Norden
Unweigerlich verbindet sich die Geschichte des königlichen Schlosstheaters über deren Person mit einem Stück preußischer Geschichte: Die als charmant und hübsch beschriebene Adelige, die unter dem deutschen Namen Ulrike Louise getauft wurde, war eine von fünf Töchtern Friedrichs I. und eine kulturbeflissene, gebildete Frau mit einer besonderen Vorliebe für die Schauspielkunst.
Die Liebe zur Kultur lag in der Familie: Ihr Bruder Friedrich II erbaute ein Opernhaus Unter den Linden, ihre Schwester Wilhelmine ließ um 1750 das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth errichten.
1744 heiratete Lovisa Ulrika den schwedischen König Adolf Fredrik und übersiedelte nach Schweden. Die Ehe soll harmonisch gewesen sein. Nur vom schwedischen Kulturleben zeigte sich Lovisa Ulrika wohl enttäuscht.
Den Auftrag für das neue Theater vergab Lovisa Ulrika an den schwedischen Architekten Carl Fredrik Adelcrantz, der zuvor schon den chinesischen Pavillon im Schlosspark entworfen hatte. Mit geringem finanziellen Aufwand richtete er sein neues Theater geschmackvoll und zweckdienlich ein. Die Königin ernannte ihn auch zum Theaterleiter. Als solcher holte Adelcrantz eine französische Schauspieltruppe an den Hof.
Theaterleitung in Königs Hand
Nach dem Tod Adolf Fredriks im Jahr 1771 übernahm Lovisa Ulrikas Sohn Gustaf III. die Leitung des Theaters. Unter ihm erlebte es seine erfolgreichste Zeit. Neben dem Schauspiel gab es damals auch Opern- und Ballettaufführungen. Der Fokus lag auf dem Musiktheater.
Drottningholm-Kerzen - echt künstlich
Mit dem Tod von Gustaf III. endete die Blütezeit des schwedischen Theaters und damit auch des Schlosstheaters, das nun für mehr als 100 Jahre in Vergessenheit geraten sollte.
Erst 1921 wurde das fast unberührt gebliebene Theater von Agne Beijer wiederentdeckt. Er zeichnete auch für die Sanierung des Baus verantwortlich. Unter der Maxime, nichts zu verändern, erneuerte er nur die Seile der Bühnenmaschine und installierte elektrisches Licht. Son konnte 1922 das Theater wieder eröffnet werden und gewann nach einer gewissen Anlaufzeit seine frühere Bedeutung zurück.
Alte Technik bleibt funktionstüchtig
Seinen herausragenden Ruf als eines der bedeutsamsten Barocktheater verdankt Drottningholm seiner Bühnenmaschine, die original aus dem Jahr 1766 erhalten und noch funktionstüchtig ist. Sie wird durch eine zentrale Drehspindel angetrieben. Des Weiteren finden sich auf dem Bühnenboden Luken, über die Figuren in die Unterbühne versenkt oder hochgefahren werden können.
Die Maschinerie ist auch seitens der Konstruktion eine Besonderheit, verfügt sie doch über eine seltene vertikale Antriebsachse für die Kulissenwagen. Alle anderen bekannten Bühnenmaschinerien dieser Zeit verfügten über horizontale Antriebsachsen, die sogenannten Wellbäume.
Schlossbaumeister Georg Fröman, der 1755 auf einer Europarundreise Pläne des Dresdner Maschinisten Christian Gottlob Reuss für dieses Modell mitgebracht hatte, erkannte offenbar die Vorteile dieser Technik, die sich mit dem Gangspill auf einem Segelschiff vergleichen lässt.
Mit Donner, Wind und Wellen
Nebst der Maschinerie sind auch 15 Bühnenbilder aus dem 18. Jahrhundert vollständig und in gutem Zustand erhalten. In jeder heutigen Aufführung kommen einige aus diesem Fundus traditionell zum Einsatz. Und wie nahezu alle historischen Theater verfügt Drottningholm über Geräte, mit denen sich Naturgeräusche wie Donner, Wellen und Wind imitieren lassen.
Der heutige Spielbetrieb im Schlosstheater Drottningholm verpflichtet sich überwiegend dem Musiktheater und zwar vorzugsweise Opern von Mozart und Händel.
Stillstand ohne Lockdown
In diesem Sommer sollte eigentlich Händels Oper "Agrippina" in Drottningholm ihre Premiere haben. Aber obwohl Schweden in der Corona-Pandemie auf einen Lockdown verzichtete, hat Sofi Leiström, die Künstlerische Leisterin des Theaters, sich dafür entschieden, die Produktion zu verschieben.
Im August 2021 wird die "Agrippina" hoffentlich in gewohnt vollem Haus über die Bühne gehen.