Das schwarze Gold fließt wieder
Der weltweite Hunger nach Energie hat eine neue Jagd nach Rohstoffen jeglicher Art in Gang gesetzt, die zur Energiegewinnung dienen. Schiefergas, Ölsand - angesichts schwindender Erdölvorräte werden auch solche Rohstoffträger interessant, deren Verwertung vor wenigen Jahren noch als zu kompliziert und zu teuer galt.
Durch Fracking können auch unkonventionelle Rohstoffvorkommen rentabel gefördert werden. Während Fracking in der Regel angewandt wird, um Erdgas zu gewinnen, wird in Texas die neue Methode auch zur Ölförderung aus Schiefergestein eingesetzt. Jetzt hoffen die Texaner auf einen neuen Ölboom. Mögliche Umweltbelastungen interessieren dort angesichts der immensen Renditen kaum jemanden.
Es ist laut geworden in Cuero, Yoakum und Gonzalez im Südosten von Texas. Noch vor Kurzem waren dies verschlafene Örtchen in einer weiten, vergleichsweise unberührten Landschaft. Die paar tausend Einwohner lebten ein einfaches Leben, für die Rancher drehte sich alles um ihre texanischen Langhorn-Rinder und einer der größten Arbeitgeber der Region war das Gefängnis, das sie in den Neunzigern am Ortsausgang von Cuero gebaut hatten.
Aber dann kam der Ölboom: Heute wälzen sich täglich hunderte Lastwagen durch die Orte: Sie sind beladen mit Pipeline-Rohren, mit Bohrturm-Teilen, mit Öl.
Öl, das zum Beispiel unter seinem Land gefördert wird: T. R. Marshall ist 66, besitzt eine kleine Rinder-Farm und hat sein ganzes Leben in Yoakum verbracht: Vor drei Jahren kam der Ölkonzern EOG zu ihm und wollte auf einem seiner Grundstücke bohren.
Marshall war skeptisch: Schließlich hatte es genau dort vor 35 Jahren schon mal Probebohrungen gegeben, die keinen Tropfen Öl zutage beförderten. Aber inzwischen treten die Firmen mit neuen Methoden an: mit horizontalen Bohrungen kilometertief unter der Erdoberfläche und mit dem sogenannten Fracking.
Dabei werden mit viel Druck große Mengen Wasser vermischt mit Sand und Chemikalien in den Boden gepumpt, der harte Schieferstein bekommt dadurch Risse und gibt seinen Öl- oder Gas-Schatz frei. Die acht Bohrlöcher auf T. R. Marshalls Land waren der Startschuss für den Ölboom in der Region rund um Yoakum: Marshall steht in der Küche seines Farmhauses und breitet auf dem abgewetzten Tisch stolz Fotos aus, die er extra groß ausgedruckt hat.
Er hat sie an jenem Abend gemacht, als er beim Fracking am Bohrloch Nummer sechs zusehen durfte - eine äußerst ungewöhnliche Einladung war das, denn normalerweise lassen sich die Ölfirmen nicht gerne in die Karten schauen. Eins der Bilder zeigt zwölf riesige, leuchtend rote Lastwagen, die rund um das Bohrloch stehen: Jeder davon hat 2400 Pferdestärken, sagt der Rancher ehrfürchtig, sie pumpen das Frack-Wasser in das Loch.
Der Boden hat richtig gebebt, erinnert sich Marshall und die blauen Augen in seinem wettergegerbten Gesicht leuchten. Inzwischen hat der Boden im Osten und Süden von Texas viele tausend Male gebebt, überall im sogenannten "Eagle Ford Shale". Diese Schiefersteinformation zieht sich über ein riesiges Gebiet, 640 Kilometer lang, 80 Kilometer breit.
Etwa drei Dutzend Ölfirmen haben sich in den letzten Jahren hier angesiedelt und bohren: nach Gas, aber vor allem nach Öl. Die Erwartungen sind riesig: Im Eagle Ford Shale könnten bis zu 420.000 Barrel Öl am Tag gefördert werden, heißt es, das wäre fast so viel wie im OPEC-Land Ecuador.
Mike Green sitzt in seinem alten, grauen Mercury und schaut durch die Windschutzscheibe weit hinaus auf die Landschaft. Diese Geschichte ist so fantastisch, man könnte sie für ein Märchen halten, sagt der 67-Jährige, aber das alles ist wirklich wahr.
Wer im DeWitt County zwischen Cuero, Yoakum und Gonzalez unterwegs ist, der sieht fast hinter jeder Kurve neue Ölbohranlagen: fertige Bohrtürme, große Speichertanks für das geförderte Öl und viele sogenannte "Christmas Trees" – Weihnachtsbäume - das sind die Ventilanlagen auf Quellen, die fertig gebohrt sind, aus denen aber noch nicht gefördert wird.
Mike Green kennt sich bestens aus: Der ehemalige Ölarbeiter sitzt seit einem Arbeitsunfall im Rollstuhl und hat viel Zeit, am Computer zu recherchieren und in der Gegend unterwegs zu sein. Green präsentiert sich als eine Art Königsmacher im DeWitt County, denn er berät Landbesitzer bei den Verhandlungen mit den Ölfirmen.
Ich kenne Leute, die durch die Verpachtung ihres Landes und ihre Beteiligung an den Öl-Einnahmen hunderttausende Dollar im Monat kriegen oder sogar eine Million, erzählt Green. Der Ölboom hat hier im Südosten von Texas viele Menschen reich gemacht, aber die meisten wollen nicht darüber reden, sind sehr auf ihre Privatsphäre bedacht. Der Rancher T. R. Marshall ist da eine Ausnahme
Für das eine seiner zwei verpachteten Grundstücke habe er 120.000 Dollar bekommen, gibt er preis und er fügt hinzu: wenn die Bohrungen dann überall auf Öl stoßen, dann mache man richtig Geld. Wie viel genau Marshall jeden Monat einnimmt, sagt er nicht, nur so viel: Es sind zwischen 20 und 25 Prozent an den Öl-Einnahmen.
Wir sind keine Multi-Millionäre, versichert er, auch wenn das viele meiner alten Freunde glauben. Aber jedenfalls war genug Geld da, um dem Sohn ein Haus mit ein bisschen Land zu kaufen, als Nächstes soll die Tochter dran sein. Außerdem hat sich Marshall einen neuen Traktor geleistet.
Aber nicht nur die Landbesitzer profitieren vom Ölboom, sondern auch viele andere Menschen in dieser Gegend, denn der Boom bringt Jobs in eine Region, die noch vor Kurzem mit hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen hatte. Experten schätzen, dass im "Eagle Ford Shale" in den nächsten Jahren bis zu 68.000 neue Arbeitsplätze entstehen könnten.
Sieben neue Jobs gibt es zum Beispiel schon bei Knox Oil Field Supplies, einem Laden für Ölbohr-Bedarf in Cuero, der vor einem Jahr aufgemacht hat. Wir sind der Wal-Mart des Ölgeschäfts, bei uns gibt es alles und was wir nicht haben, besorgen wir, sagt Knox-Geschäftsführer James Bendele, der gar nicht mehr aufhört zu reden und der am liebsten über Öl spricht.
Über das schöne, grüne Öl, das sie hier in der Gegend aus dem Boden holen und über Öl als Rohstoff an sich: Öl hat die Welt verändert, die Welt dreht sich ums Öl, philosophiert der braungebrannte Mann mit den Cowboystiefeln und dem großen, weißen Cowboyhut, und solange wir kein anderes Produkt haben, das seinen Platz einnehmen kann, haben wir das Öl.
Auf dem Hof von Knox Oilfield Supplies lädt ein Gabelstapler Pipeline-Stücke auf einen Tieflader. Sie werden bald in einem der vielen Gräben liegen, die sich frisch ausgehoben durch die Landschaft ziehen, denn um den Ölboom zu bewältigen, muss erstmal ein riesiges Pipeline-Netz aufgebaut werden. Bendele und seine Firma haben mehr als gut zu tun.
Das Ölfeld schläft nie, sagt James Bendele, ich stehe morgens um fünf auf und bin abends um neun wieder zuhause. Viele andere hier arbeiten genauso hart - überall wird gebaut: Es entstehen Bürokomplexe und Apartmenthäuser für die Ölarbeiter, am Ortsrand von Cuero ist gerade ein neuer Wohnwagen-Park fertig geworden. Neuer Wohnraum wird dringend gebraucht, denn im Umkreis von 50 Kilometern sind fast alle Hotelbetten ständig ausgebucht – manche Ölfirmen haben komplette Hotels auf Jahre hinaus gemietet.
Im 7000-Seelen-Örtchen Gonzalez ist ein riesiges Gelände allein dem Ölgeschäft gewidmet: hier kommen per Zug Tausende Pipeline-Rohre an und warten aufgestapelt auf den Weitertransport, hier ist die zentrale Verladestation der Region für das geförderte Öl, Lastwagen bringen das schwarze Gold von den Bohrlöchern hierhin und pumpen es in Eisenbahnwaggons. Man kann förmlich zusehen, wie hier neue Jobs geschaffen werden.
Der Boom hat aber auch Nachteile: Aus manchen Gegenden im Eagle Ford Shale berichten die Leute, dass das Stromnetz ständig zusammenbricht, weil es nicht für so viele Nutzer ausgelegt ist und dass die Regale im Supermarkt dauernd leergekauft sind, weil die Händler unter den neuen Bedingungen Angebot und Nachfrage noch nicht richtig koordiniert bekommen.
Aber Öl-Enthusiast James Bendele sieht nur die positiven Seiten: Innerhalb von kurzer Zeit haben es hier sehr viele Menschen sehr gut getroffen, meint er, der Boom habe ganz Süd-Texas emporgehoben.
Zumindest finanziell lässt sich das nicht bestreiten: Bezirksrichter Daryl Fowler, der auch für die Finanzen des DeWitt-County verantwortlich ist, sieht mehr Geld in den Kassen als jemals zuvor.
Nach seinen Berechnungen geben die Ölfirmen allein in seinem Landkreis jeden Monat 200 Millionen Dollar für ihre Bohraktivitäten aus.
Und das ist nicht alles: Zwei der großen Ölfirmen zahlen der Gemeinde freiwillig 8000 Dollar für jedes Bohrloch, das sie fertigstellen. Richter Fowler erwartet dadurch in den nächsten 12 Monaten zusätzliche Einnahmen in Höhe von 2,4 Millionen Dollar – das steigert das Budget des Landkreises um ganze 20 Prozent.
Manche vermuten, dass die Ölfirmen versuchen, sich der Gunst der Menschen im "Eagle Ford Shale" zu erkaufen – in der Hoffnung, dass die keinen Ärger machen: Sister Elizabeth Riebschlaeger, Nonne und Umweltaktivistin, hat allerdings nicht vor, den Mund zu halten. Sie gehört zu denjenigen, die davor warnen, sich vom Geld des Ölbooms blenden zu lassen:
Die resolute 75-Jährige steht auf der Ranch ihres Cousins Walter, zeigt auf eine Öl-Anlage auf dem nächsten Hügel.
Sie fürchtet, dass dieser Ölboom unumkehrbare Umweltschäden mit sich bringt: wegen der Chemikalien, die beim Fracking zusammen mit dem Wasser in den Boden gepumpt werden. Sie hat Angst, dass das Grundwasser verseucht werden könnte.
Das Argument von Ölfreund James Bendele, dass das Fracking so tief im Boden stattfinde, dass jegliche Gefahr für das Trinkwasser ausgeschlossen sei, überzeugt die Nonne nicht. Sie verweist auf Probleme in Pennsylvania, wo nach Fracking-Aktivitäten Methan-Gas das Trinkwasser vergiftete – es gibt verstörende Videos von Einwohnern, die das Wasser aus dem Hahn anzünden konnten, weil es so viel Methangas enthielt.
Das ist ein riesiges Experiment, sagt Sister Elizabeth, manchmal denke ich, das hier ist ein großes Labor und wir sind die Versuchskaninchen. Auch T. R. Marshall macht sich Sorgen um das Wasser, aber eher aus der Sicht des Ranchers, der seinen Tieren genug Trinkwasser sichern will und sich fragt, welche Auswirkungen das Fracking auf den Grundwasserspiegel hat.
Als die Ölfirma ihn vor drei Jahren fragte, ob sie auf dem gepachteten Land auch Wasser aus dem Brunnen nutzen könne, sagte Marshall ja, ohne eine Ahnung davon zu haben, wie viele Millionen Liter Wasser für das Fracking gebraucht werden. Heute gibt es Rancher im Eagle Ford Shale, die verkaufen die Wasserrechte teurer als die Landrechte. Mike Green, der Landbesitzer-Berater, meint, dass sich Marshall über den Tisch ziehen ließ, weil er zu früh und zu billig verkaufte. Green selbst will diesen Fehler nicht machen.
Die rostige Eisenkette rasselt, das Metall-Tor schwingt auf und Mike Green fährt auf das Stück Land, das ihn reich machen soll: es ist nicht besonders groß, 70 Morgen, knapp 0,3 Quadratkilometer, aber darunter liegt ein wertvoller Schatz: Öl im Wert von 100 Millionen Dollar, glaubt der 67-Jährige. Und weil das so ist, hat er alle bisherigen Angebote von Ölfirmen als zu niedrig abgelehnt: Pokere ich?, fragt Green.
Ich denke nicht, ich will nur einen fairen Preis für mein Grundstück und den haben sie mir bisher nicht angeboten. Er setzt darauf, dass sich Warten lohnt, schließlich hat dieser Boom gerade erst begonnen und wird vermutlich noch 20 Jahre oder länger andauern. Und James Bendele aus dem Ölladen in Cuero sagt voraus, dass sich die Region noch auf einiges einstellen kann: Ob es den Menschen hier gefällt oder nicht, sagt er, alles wird sich ändern.
Es ist laut geworden in Cuero, Yoakum und Gonzalez im Südosten von Texas. Noch vor Kurzem waren dies verschlafene Örtchen in einer weiten, vergleichsweise unberührten Landschaft. Die paar tausend Einwohner lebten ein einfaches Leben, für die Rancher drehte sich alles um ihre texanischen Langhorn-Rinder und einer der größten Arbeitgeber der Region war das Gefängnis, das sie in den Neunzigern am Ortsausgang von Cuero gebaut hatten.
Aber dann kam der Ölboom: Heute wälzen sich täglich hunderte Lastwagen durch die Orte: Sie sind beladen mit Pipeline-Rohren, mit Bohrturm-Teilen, mit Öl.
Öl, das zum Beispiel unter seinem Land gefördert wird: T. R. Marshall ist 66, besitzt eine kleine Rinder-Farm und hat sein ganzes Leben in Yoakum verbracht: Vor drei Jahren kam der Ölkonzern EOG zu ihm und wollte auf einem seiner Grundstücke bohren.
Marshall war skeptisch: Schließlich hatte es genau dort vor 35 Jahren schon mal Probebohrungen gegeben, die keinen Tropfen Öl zutage beförderten. Aber inzwischen treten die Firmen mit neuen Methoden an: mit horizontalen Bohrungen kilometertief unter der Erdoberfläche und mit dem sogenannten Fracking.
Dabei werden mit viel Druck große Mengen Wasser vermischt mit Sand und Chemikalien in den Boden gepumpt, der harte Schieferstein bekommt dadurch Risse und gibt seinen Öl- oder Gas-Schatz frei. Die acht Bohrlöcher auf T. R. Marshalls Land waren der Startschuss für den Ölboom in der Region rund um Yoakum: Marshall steht in der Küche seines Farmhauses und breitet auf dem abgewetzten Tisch stolz Fotos aus, die er extra groß ausgedruckt hat.
Er hat sie an jenem Abend gemacht, als er beim Fracking am Bohrloch Nummer sechs zusehen durfte - eine äußerst ungewöhnliche Einladung war das, denn normalerweise lassen sich die Ölfirmen nicht gerne in die Karten schauen. Eins der Bilder zeigt zwölf riesige, leuchtend rote Lastwagen, die rund um das Bohrloch stehen: Jeder davon hat 2400 Pferdestärken, sagt der Rancher ehrfürchtig, sie pumpen das Frack-Wasser in das Loch.
Der Boden hat richtig gebebt, erinnert sich Marshall und die blauen Augen in seinem wettergegerbten Gesicht leuchten. Inzwischen hat der Boden im Osten und Süden von Texas viele tausend Male gebebt, überall im sogenannten "Eagle Ford Shale". Diese Schiefersteinformation zieht sich über ein riesiges Gebiet, 640 Kilometer lang, 80 Kilometer breit.
Etwa drei Dutzend Ölfirmen haben sich in den letzten Jahren hier angesiedelt und bohren: nach Gas, aber vor allem nach Öl. Die Erwartungen sind riesig: Im Eagle Ford Shale könnten bis zu 420.000 Barrel Öl am Tag gefördert werden, heißt es, das wäre fast so viel wie im OPEC-Land Ecuador.
Mike Green sitzt in seinem alten, grauen Mercury und schaut durch die Windschutzscheibe weit hinaus auf die Landschaft. Diese Geschichte ist so fantastisch, man könnte sie für ein Märchen halten, sagt der 67-Jährige, aber das alles ist wirklich wahr.
Wer im DeWitt County zwischen Cuero, Yoakum und Gonzalez unterwegs ist, der sieht fast hinter jeder Kurve neue Ölbohranlagen: fertige Bohrtürme, große Speichertanks für das geförderte Öl und viele sogenannte "Christmas Trees" – Weihnachtsbäume - das sind die Ventilanlagen auf Quellen, die fertig gebohrt sind, aus denen aber noch nicht gefördert wird.
Mike Green kennt sich bestens aus: Der ehemalige Ölarbeiter sitzt seit einem Arbeitsunfall im Rollstuhl und hat viel Zeit, am Computer zu recherchieren und in der Gegend unterwegs zu sein. Green präsentiert sich als eine Art Königsmacher im DeWitt County, denn er berät Landbesitzer bei den Verhandlungen mit den Ölfirmen.
Ich kenne Leute, die durch die Verpachtung ihres Landes und ihre Beteiligung an den Öl-Einnahmen hunderttausende Dollar im Monat kriegen oder sogar eine Million, erzählt Green. Der Ölboom hat hier im Südosten von Texas viele Menschen reich gemacht, aber die meisten wollen nicht darüber reden, sind sehr auf ihre Privatsphäre bedacht. Der Rancher T. R. Marshall ist da eine Ausnahme
Für das eine seiner zwei verpachteten Grundstücke habe er 120.000 Dollar bekommen, gibt er preis und er fügt hinzu: wenn die Bohrungen dann überall auf Öl stoßen, dann mache man richtig Geld. Wie viel genau Marshall jeden Monat einnimmt, sagt er nicht, nur so viel: Es sind zwischen 20 und 25 Prozent an den Öl-Einnahmen.
Wir sind keine Multi-Millionäre, versichert er, auch wenn das viele meiner alten Freunde glauben. Aber jedenfalls war genug Geld da, um dem Sohn ein Haus mit ein bisschen Land zu kaufen, als Nächstes soll die Tochter dran sein. Außerdem hat sich Marshall einen neuen Traktor geleistet.
Aber nicht nur die Landbesitzer profitieren vom Ölboom, sondern auch viele andere Menschen in dieser Gegend, denn der Boom bringt Jobs in eine Region, die noch vor Kurzem mit hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen hatte. Experten schätzen, dass im "Eagle Ford Shale" in den nächsten Jahren bis zu 68.000 neue Arbeitsplätze entstehen könnten.
Sieben neue Jobs gibt es zum Beispiel schon bei Knox Oil Field Supplies, einem Laden für Ölbohr-Bedarf in Cuero, der vor einem Jahr aufgemacht hat. Wir sind der Wal-Mart des Ölgeschäfts, bei uns gibt es alles und was wir nicht haben, besorgen wir, sagt Knox-Geschäftsführer James Bendele, der gar nicht mehr aufhört zu reden und der am liebsten über Öl spricht.
Über das schöne, grüne Öl, das sie hier in der Gegend aus dem Boden holen und über Öl als Rohstoff an sich: Öl hat die Welt verändert, die Welt dreht sich ums Öl, philosophiert der braungebrannte Mann mit den Cowboystiefeln und dem großen, weißen Cowboyhut, und solange wir kein anderes Produkt haben, das seinen Platz einnehmen kann, haben wir das Öl.
Auf dem Hof von Knox Oilfield Supplies lädt ein Gabelstapler Pipeline-Stücke auf einen Tieflader. Sie werden bald in einem der vielen Gräben liegen, die sich frisch ausgehoben durch die Landschaft ziehen, denn um den Ölboom zu bewältigen, muss erstmal ein riesiges Pipeline-Netz aufgebaut werden. Bendele und seine Firma haben mehr als gut zu tun.
Das Ölfeld schläft nie, sagt James Bendele, ich stehe morgens um fünf auf und bin abends um neun wieder zuhause. Viele andere hier arbeiten genauso hart - überall wird gebaut: Es entstehen Bürokomplexe und Apartmenthäuser für die Ölarbeiter, am Ortsrand von Cuero ist gerade ein neuer Wohnwagen-Park fertig geworden. Neuer Wohnraum wird dringend gebraucht, denn im Umkreis von 50 Kilometern sind fast alle Hotelbetten ständig ausgebucht – manche Ölfirmen haben komplette Hotels auf Jahre hinaus gemietet.
Im 7000-Seelen-Örtchen Gonzalez ist ein riesiges Gelände allein dem Ölgeschäft gewidmet: hier kommen per Zug Tausende Pipeline-Rohre an und warten aufgestapelt auf den Weitertransport, hier ist die zentrale Verladestation der Region für das geförderte Öl, Lastwagen bringen das schwarze Gold von den Bohrlöchern hierhin und pumpen es in Eisenbahnwaggons. Man kann förmlich zusehen, wie hier neue Jobs geschaffen werden.
Der Boom hat aber auch Nachteile: Aus manchen Gegenden im Eagle Ford Shale berichten die Leute, dass das Stromnetz ständig zusammenbricht, weil es nicht für so viele Nutzer ausgelegt ist und dass die Regale im Supermarkt dauernd leergekauft sind, weil die Händler unter den neuen Bedingungen Angebot und Nachfrage noch nicht richtig koordiniert bekommen.
Aber Öl-Enthusiast James Bendele sieht nur die positiven Seiten: Innerhalb von kurzer Zeit haben es hier sehr viele Menschen sehr gut getroffen, meint er, der Boom habe ganz Süd-Texas emporgehoben.
Zumindest finanziell lässt sich das nicht bestreiten: Bezirksrichter Daryl Fowler, der auch für die Finanzen des DeWitt-County verantwortlich ist, sieht mehr Geld in den Kassen als jemals zuvor.
Nach seinen Berechnungen geben die Ölfirmen allein in seinem Landkreis jeden Monat 200 Millionen Dollar für ihre Bohraktivitäten aus.
Und das ist nicht alles: Zwei der großen Ölfirmen zahlen der Gemeinde freiwillig 8000 Dollar für jedes Bohrloch, das sie fertigstellen. Richter Fowler erwartet dadurch in den nächsten 12 Monaten zusätzliche Einnahmen in Höhe von 2,4 Millionen Dollar – das steigert das Budget des Landkreises um ganze 20 Prozent.
Manche vermuten, dass die Ölfirmen versuchen, sich der Gunst der Menschen im "Eagle Ford Shale" zu erkaufen – in der Hoffnung, dass die keinen Ärger machen: Sister Elizabeth Riebschlaeger, Nonne und Umweltaktivistin, hat allerdings nicht vor, den Mund zu halten. Sie gehört zu denjenigen, die davor warnen, sich vom Geld des Ölbooms blenden zu lassen:
Die resolute 75-Jährige steht auf der Ranch ihres Cousins Walter, zeigt auf eine Öl-Anlage auf dem nächsten Hügel.
Sie fürchtet, dass dieser Ölboom unumkehrbare Umweltschäden mit sich bringt: wegen der Chemikalien, die beim Fracking zusammen mit dem Wasser in den Boden gepumpt werden. Sie hat Angst, dass das Grundwasser verseucht werden könnte.
Das Argument von Ölfreund James Bendele, dass das Fracking so tief im Boden stattfinde, dass jegliche Gefahr für das Trinkwasser ausgeschlossen sei, überzeugt die Nonne nicht. Sie verweist auf Probleme in Pennsylvania, wo nach Fracking-Aktivitäten Methan-Gas das Trinkwasser vergiftete – es gibt verstörende Videos von Einwohnern, die das Wasser aus dem Hahn anzünden konnten, weil es so viel Methangas enthielt.
Das ist ein riesiges Experiment, sagt Sister Elizabeth, manchmal denke ich, das hier ist ein großes Labor und wir sind die Versuchskaninchen. Auch T. R. Marshall macht sich Sorgen um das Wasser, aber eher aus der Sicht des Ranchers, der seinen Tieren genug Trinkwasser sichern will und sich fragt, welche Auswirkungen das Fracking auf den Grundwasserspiegel hat.
Als die Ölfirma ihn vor drei Jahren fragte, ob sie auf dem gepachteten Land auch Wasser aus dem Brunnen nutzen könne, sagte Marshall ja, ohne eine Ahnung davon zu haben, wie viele Millionen Liter Wasser für das Fracking gebraucht werden. Heute gibt es Rancher im Eagle Ford Shale, die verkaufen die Wasserrechte teurer als die Landrechte. Mike Green, der Landbesitzer-Berater, meint, dass sich Marshall über den Tisch ziehen ließ, weil er zu früh und zu billig verkaufte. Green selbst will diesen Fehler nicht machen.
Die rostige Eisenkette rasselt, das Metall-Tor schwingt auf und Mike Green fährt auf das Stück Land, das ihn reich machen soll: es ist nicht besonders groß, 70 Morgen, knapp 0,3 Quadratkilometer, aber darunter liegt ein wertvoller Schatz: Öl im Wert von 100 Millionen Dollar, glaubt der 67-Jährige. Und weil das so ist, hat er alle bisherigen Angebote von Ölfirmen als zu niedrig abgelehnt: Pokere ich?, fragt Green.
Ich denke nicht, ich will nur einen fairen Preis für mein Grundstück und den haben sie mir bisher nicht angeboten. Er setzt darauf, dass sich Warten lohnt, schließlich hat dieser Boom gerade erst begonnen und wird vermutlich noch 20 Jahre oder länger andauern. Und James Bendele aus dem Ölladen in Cuero sagt voraus, dass sich die Region noch auf einiges einstellen kann: Ob es den Menschen hier gefällt oder nicht, sagt er, alles wird sich ändern.