Das Schweigen der Rinder

Von Michael Lange |
In den Nachrichtensendungen von heute fehlen die Rinder. Vor zehn Jahren war der Rinderwahnsinn das Topthema der News. Am 24. November 2000 hatte ein neuer Schnelltest erstmalig BSE bei einem aus Deutschland stammenden Rind diagnostiziert.
In den Nachrichtensendungen von heute fehlen die Rinder. Vor zehn Jahren war der Rinderwahnsinn das Topthema der News. Am 24. November 2000 hatte ein neuer Schnelltest erstmalig BSE bei einem aus Deutschland stammenden Rind diagnostiziert. Zwei Tage später, am 26. November, wurde dieser Befund offiziell bestätigt. Deutschland war von diesem Zeitpunkt an nicht mehr BSE-frei, wie bis dahin immer behauptet.

Die Verfütterung von Tiermehl wurde innerhalb kürzester Zeit verboten, Minister mussten zurücktreten und mehrere Forschungsprojekte wurden gestartet. Insgesamt wurden in Deutschland bis heute 412 BSE-Fälle gemeldet, in Großbritannien sind es nahezu 200.000. Millionen Tiere mussten getötet und vernichtet werden. Außerdem wurde die Verfütterung von Tiermehl an Rinder verboten. Als Folge davon sind die BSE-Zahlen deutlich gesunken. 2009 wurden in ganz Deutschland nur noch zwei BSE-Fälle registriert.

Die großen damals gestarteten Forschungsprojekte brachten allerdings kaum neue Ergebnisse. Nach wie vor gelten infektiöse Eiweiße (Prionen) als Auslöser der Seuche, ohne dass das eindeutig bewiesen werden konnte. Die Infektion über die Nahrungsaufnahme konnte inzwischen mehrfach nachgewiesen werden. Über die Nerven gelangt die Infektion vom Darm ins Gehirn der Tiere. Die Übertragbarkeit auf den Menschen findet tatsächlich statt. Die in den 90er Jahren in Großbritannien neu entstandene Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit wurde durch molekularbiologische Untersuchungen auf BSE zurückgeführt. Befürchtungen, dass Tausende Fleischesser infiziert werden könnten, bestätigten sich allerdings nicht. In Großbritannien starben knapp 200 Personen an der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. In Deutschland wurde kein einziger Fall diagnostiziert.

Die Horrorszenarien des Jahres 2000 haben sich nicht bewahrheitet. Dennoch erwiesen sich die zum Teil drastischen Maßnahmen gegen die Rinderseuche als gerechtfertigt, denn so wurde deren Fortschreiten relativ schnell gestoppt. Die Verunsicherung legte sich mit den Jahren, aber viele Verbraucher achten seitdem auf die Herkunft von Fleischprodukten. Dennoch bleibt die industrielle Fleischerzeugung ein Risiko, zu dem die Ausbreitung alter oder neuer Seuchen nach wie vor gehört.