Das Schwere leicht erzählt

Im Zentrum des Romans "Hundsköpfe" steht der Norweger Askild, Großvater des Erzählers, der nach einem missglückten Ausbruchsversuch aus dem KZ nur überlebt, indem er einen anderen tötet. Diese Schuld gibt er an seine Familie mit zahlreichen Schlägen weiter. Dass der Roman nicht unter dieser schweren Last zusammenbricht, dafür sorgt Morten Ramsland durch zahlreiche groteske, skurril-witzige Szenen.
Asger Eriksson ist ein junger Maler. Die letzten sieben Jahre hat er in Amsterdam verbracht, weit weg von seiner dänisch-norwegischen Familie und ihrer Vergangenheit. Erst als ihn die Nachricht erreicht, dass seine Großmutter im Sterben liegt, macht er sich auf den Weg zurück nach Ålborg. Hier holen ihn die "alten Geschichten" ein, vor denen er einst davongelaufen war. "Sie treffen vereinzelt ein, nachts, paarweise, in Träumen und Erscheinungen". Was bleibt ihm anderes übrig: Asger beginnt zu erzählen.

"Hundsköpfe" heißt dieser Familienroman des dänischen Schriftstellers Morten Ramsland. Die "alten Geschichten" beginnen in einer kalten Nacht im März 1944, als Askild, der norwegische Großvater des Erzählers, von einem Trupp SS-Männer über eine Ebene im Osten Deutschlands gehetzt wird. Askild hatte der Wehrmacht in Bergen eine Schiffsladung Bauholz gestohlen und war dafür in ein Konzentrationslager gesperrt worden. Er versucht zu fliehen, doch die Bluthunde der SS spüren ihn nur wenige Stunden später wieder auf. Askild entgeht knapp einer Hinrichtung, warum, weiß niemand. Er überlebt, wird nach dem Krieg in Norwegen als Held und Widerstandskämpfer gefeiert, und was wirklich in jener Nacht geschehen ist, bleibt für lange Zeit sein dunkles Geheimnis.

Das Leben des Großvaters steht im Zentrum des fast fünfhundert Seiten langen Romans. Askild gründet eine Familie in Bergen, glücklich wird er nicht. Er trinkt, verliert seine Arbeit auf der Werft, und zuletzt zieht die Familie von Norwegen nach Dänemark, in der Hoffnung, in einem anderen Land ein neues Leben anzufangen.

Den "fauligen Gestank nach Alkohol und Bitterkeit", den er aus dem Krieg mitgebracht hat, wird Askild allerdings auch hier nicht los. Er bleibt ein jähzorniger Vater, der durchaus auch einmal seinen "Kindern mit dem Spazierstock die Nase bricht" und sich noch als alter Mann eine traurige Schlägerei mit seinem erwachsenen Sohn liefert.

Immer wieder kommt es zu solchen handfesten Auseinandersetzungen unter den Familienmitgliedern, und die blauen Flecken und Knochenbrüche ziehen sich wie ein schmerzhaftes Leitmotiv durch den Roman. Zuletzt führen sie zurück in jene tragische Nacht im Frühjahr 1944. Um sein eigenes Leben zu retten, hatte Großvater Askild nach seinem gescheiterten Ausbruchsversuch aus dem KZ unter den Augen der SS-Mannschaft mit bloßen Händen einen anderen Häftling erschlagen.

Aus Schuld erwächst neue Schuld, und niemand entkommt seinem Schicksal. Dieser fatalistische Zug liegt fast allen Familienromanen zugrunde, die derzeit in die Buchläden geschwemmt werden - und viele von ihnen brechen unter der Last des Schicksals zusammen. "Hundsköpfe" jedoch ist eine Ausnahme und das nicht nur, weil sein Autor ein außergewöhnlich begabter Handwerker ist und sein erzählerisches Netz beeindruckend dicht gesponnen hat: Morten Ramsland gelingt es, das Schwere leicht zu machen.

Der 1971 geborene Autor, der keinen Hehl daraus macht, die Geschichte seiner eigenen Familie zu erzählen, hat Humor und ein sehr sicheres Gespür für Situationskomik. Nachdem Askilds Neffe zum Beispiel Ida schwängert, die Tochter eines Fabrikanten, flüchtet sich der werdende Vater Hals über Kopf auf ein Schiff, nur um drei Jahre später reumütig zurückzukehren, die Mutter seines Kindes zu heiraten - und ihr in der Hochzeitsnacht stolz seinen tätowierten Penis zu präsentieren: "Für Ida" steht darauf.

An einer anderen Stelle verliert Askild bei einem absurden Handgemenge mit einem Vorgesetzten auf der Werft einen Finger, und als er blutend im Sprechzimmer des Arztes sitzt, der zufällig ein alter Bekannter der Familie ist, öffnet sich plötzlich die Tür eines Schrankes - und Askild erblickt seine Frau, "lediglich mit einem hochhackigen Schuh und einem Strumpfhalter bekleidet." Und dann, als es eigentlich schlimmer nicht mehr kommen kann, tritt sie mit dem spitzen Absatz dieses einen Schuhs auch noch auf den Finger, der Askild vor Schreck auf den Boden gefallen ist.

Das ist so ziemlich genau der Stoff, aus dem die derzeit recht erfolgreichen skandinavischen Kinokomödien gemacht sind. "Hundsköpfe" ist voll von solchen grotesken Szenen, und man darf vermuten, dass der Roman bald verfilmt wird. Auf der Leinwand kann er allerdings nur verlieren. Also am besten: schnell lesen.

Rezensiert von Kolja Mensing

Morten Ramsland: "Hundsköpfe
Aus dem Dänischen von Ulrich Sonnenberg
Schöffling, Frankfurt am Main 2006
477 Seiten, 24,90 Euro