"Das sind Frauen, die sehr fanatisch sind"

Andrea Röpke im Gespräch mit Katrin Heise |
Nach Ansicht der Journalistin Andrea Röpke tragen Frauen in der Neonazi-Szene zur Stabilität bei. Die Neonazis hätten dies erkannt und setzten Frauen gezielt ein, um zum Beispiel in der Kommunalpolitik ihr Image aufzubessern. Auch an Gewalttätigkeiten seien vermehrt Frauen beteiligt. Ansonsten sei die Szene eher frauenfeindlich und lasse ihnen nur einen begrenzten Spielraum.
Katrin Heise: Die Journalistin Andrea Röpke wird heute in der amerikanischen Botschaft in Berlin geehrt für mutige Berichterstattung. Sie beschäftigt sich nämlich seit Jahren mit der rechten Szene, recherchiert im Neonazimilieu und in Zusammenarbeit mit Andreas Speit hat sie das Buch "Neonazis in Nadelstreifen" verfasst. Darin wird geschildert, wie die NPD versucht, ihr Image aufzupolieren und sozusagen in die Mitte der Gesellschaft vordringen möchte. Zu diesem Wandel im Erscheinungsbild muss man sicher auch zählen, dass Frauen eine größere Rolle spielen. Andrea Röpke ist jetzt mein Gast. Ich grüße Sie recht herzlich, Frau Röpke!

Andrea Röpke: Ja, guten Morgen!

Heise: Herzlichen Glückwunsch zu der Ehrung, die Ihnen zuteilwird. Es ist ja schon mal ganz interessant auch, dass die Amerikaner offenbar das Thema Rechtsextremismus in Deutschland immer noch als so wichtig erachten, dass sie jemanden wie Sie damit auszeichnen.

Röpke: Ja, das freut mich auch sehr, und man konnte auch schon in Dresden beim großen Neonaziaufmarsch bemerken, dass dort auch sehr viele ausländische Berichterstatter waren, dass durchaus da geguckt wird.

Heise: Sie schauen jetzt - im Moment jedenfalls - auf einen ganz speziellen Ausschnitt, auf die weibliche Neonaziszene. Also Neonazi, in meiner Vorstellung ist das ein Mann. Wie groß ist der Anteil der Frauen inzwischen?

Röpke: Also der schwankt regional zwischen 10 und sogar tatsächlich bis zu 30 Prozent auch in Thüringen und auch in Stadtgebieten. Momentan drängen sehr viele junge Frauen in die Szene rein, aber es hat eigentlich nach 1945 immer starke Frauen gegeben in der Neonaziszene.

Heise: Sie sprechen von starken Frauen, Sie treffen diese Frauen ja, Sie haben viele getroffen, Sie haben sie beobachtet auf Ihren Veranstaltungen - was für Frauen sind das?

Röpke: Also das sind tatsächlich Frauen, die sehr fanatisch sind. Also wer einmal in dieser Szene gefestigt ist, wer wirklich auch trotz vielleicht eines neuen Freundes in der Szene bleibt und die nicht verlässt, der gehört dazu und der trägt auch diese menschenverachtende Politik ganz klar mit und fördert auch die Stabilität dieser Szene. Und das ist eben das ganz Gefährliche, dass die Neonazis erkannt haben, wenn sie die Frauen langfristig auch verhaftet behalten in der Szene, dass sie damit die Szene unheimlich stabilisieren können. Und das sind zwei ganz gefährliche Komponenten, die da zusammenkommen.

Heise: Sie gehen ja auch häufig auf Demonstrationen, beobachten Demonstrationen, ist da der Anteil Frauen/Männer, ja, wie verhält es sich?

Röpke: Also man muss erst mal klar sagen, das ist natürlich eine ganz klare Männerbastion. Frauen machen vor allen Dingen immer noch die Arbeit im Hintergrund, das heißt diese typisch weiblichen Tugenden - organisieren, helfen, heilen, pflegen, Geld, Kasse verwalten. Sie gehen nicht so häufig zu Demonstrationen, sie haben häufig mehr zu verlieren, das heißt Familie, Beruf. Frauen sollen nicht so politisch in Erscheinung treten mit ihrem Fanatismus.

Aber es gibt hier zum Beispiel in Berlin, so gerade aus dem militanten Neonazi-Spektrum, durchaus die Tendenz, dass ja viele schwarz gekleidete rechte Frauen mit raus wollen, sie wollen Kämpferinnen an der Seite des Mannes sein. Also da gibt es eine Tendenz der Frauen, auch gerade in den neuen Bundesländern, mit in den Vordergrund zu drängen. Und man lässt sie auch bis zu einem gewissen Punkt, aber irgendwann werden den Frauen ganz schnell wieder Grenzen auferlegt. Also es ist wirklich eine, wenn man genau hinter die Kulissen guckt, ist es eigentlich eine sehr frauenfeindliche Szene.

Heise: Und welche Motivation haben die Frauen überhaupt, sich dafür zu interessieren? Kann man wahrscheinlich nicht generalisieren, aber was für Motive sind Ihnen so begegnet?

Röpke: Es sind eigentlich oft soziale, oft politische Motive. Also es gibt Studien, die belegen, dass Frauen eigentlich den höheren Anteil an ausländerfeindlichen Ressentiments ausmachen. Die Uni Jena warnt seit Jahren davor, dass eigentlich der größere Anteil wirklich weiblich ist, an Fremdenfeindlichkeit.

Aber es ist eben auch so, dass die NPD sich durch soziale Themen öffnet. Das heißt, populistische Themen, soziale Themen, Kindergartenplätze - sie versucht ja, alles nationalistisch für sich auszunutzen. Und damit ködern sie natürlich junge Frauen. Und die denken, gerade in dieser Szene, da sind die Kümmerer, da sind die Bürgernahen, da sind diejenigen, die zu mir passen, und denken dann wirklich, sie können dort vielleicht durch martialische Auftritte, durch Parolen, durch schlagkräftige Argumente was erreichen.

Heise: Das heißt, Sie würden sagen, das ist eine zweigleisige Tendenz. Auf der einen Seite, dass Frauen sowieso tatsächlich also diese Motivation sowieso auch in sich haben oder sogar, wie eben in der Uni Jena belegt, die stärkere Fremdenfeindlichkeit vielleicht sogar vertreten, auf der anderen Seite aber eben auch ein, ja, geplanter durchgeführter Imagewechsel durch die Naziszene, also innerhalb der NPD beispielsweise?

Röpke: Also die NPD benutzt die Frauen und man lässt sie auch. Also sie werden natürlich gezielt momentan dazu eingesetzt, bei der kommunalpolitischen Verankerung zu helfen. Das heißt, wir haben über 200 bundesweite Mandatsträger der NPD. Es werden in diesem Jahr sicherlich, befürchte ich, bei den Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern und anderen Bundesländern noch weitaus mehr. Und da beobachten wir eben, dass sie gezielt versuchen, Frauen einzusetzen. Sie schulen diese Frauen, sie schicken die Frauen nach vorne.

Die Männer sind oft vorbestraft, sehen martialisch, gefährlich aus und dann die lieben, netten Frauen. Die kann man dann wirklich zur Imageverbesserung einsetzen. Man muss sie natürlich erst mal rhetorisch schulen. Und das ist so eine Politik, das heißt, man versucht auch wirklich im vorpolitischen Raum - durch Sportvereine, durch Elternvertretung, Krabbelgruppen, Kindererziehung - wirklich auch mit den Frauen Politik nach außen zu tragen und erst mal ganz, ganz freundlich normal zu erscheinen.

Heise: Neonazistinnen, unser Thema im Deutschlandradio Kultur mit der Journalistin Andrea Röpke. Bei den Nationalsozialisten, da hatten die Frauen ein ganz klare Rolle zu erfüllen, Mutterrolle. Welche Aufgaben, Rollenzuweisungen haben eigentlich moderne weibliche Neonazis? Sie haben jetzt eben gesagt, sie werden inzwischen auch in Ämter und sogar vorrangig in Ämter geschickt, eben um das Bild zu verändern.

Röpke: Ja, das ist so zweigeteilt. Also einerseits gibt es eine Unterorganisation der NPD, das ist der Ring nationaler Frauen, der ganz gezielt Frauen schult, um in Ämter vorzudringen. Das sind natürlich keine richtigen Führungsämter, es ist immer so im Hintergrund, die in der zweiten Reihe, die kommunalpolitischen Ämter. Da, wo eben nicht die richtigen männlichen Kandidaten sind, da will man Frauen einsetzen.

Und andererseits gibt es aber auch die ganz klar völkischen Frauen, die benennen sich als Mutterfrauen. Und die sagen zum Beispiel, mitunter ist für die nationale Sache mehr getan, wenn ich drei bis fünf Kinder, deutsche Kinder bekomme. Und diese Frauen sind sehr stark auch im Kommen. Es sind wirklich die, die mit schwarz-weiß-roten Zopfbändern rumlaufen - das sind die Farben des Deutschen Reiches - und dann wirklich sehr, sehr viele Kinder bekommen vom "deutschen Mann" und dann für den Erhalt, den sogenannten Erhalt der weißen Rasse als Mutterfrauen "aktiv" sind, in Anführungsstrichen.

Heise: Das heißt ja, das sind zwei total konträr stehende Frauenbilder. Wie kommen die miteinander klar innerhalb der Partei?

Röpke: Die sind gar nicht so konträr. Also die Frauen, die als "Mutterfrauen" in Anführungsstrichen tätig sind, also die ihre Kinder im nationalistischen Sinne erziehen, auch zum Beispiel in der "Heimattreuen Deutschen Jugend", das sind eigentlich, die sind politisch durch und durch, die sind eben fanatisch. Nur dass tatsächlich, man wählt einige von ihnen aus, auch tatsächlich in kommunalpolitischen Ämtern das nach außen zu tragen.

Aber ansonsten, das ist nicht so konträr, das ist nur, dann die Frauen sich auch trauen zu lassen oder sie dann auch wirklich machen zu lassen bis zu einem gewissen Grad, das ist relativ neu. Und die Tendenz ist einfach stärker in den neuen Bundesländern zu beobachten.

Heise: Das heißt, die Frauen kommen da jetzt nicht mehr so häufig an die Grenze, wo sie vielleicht auch sagen, das ist ja doch alles, wie ich es in anderen Parteien auch kennenlernen würde, ich trete doch wieder aus, ich hatte das Gefühl, hier kann ich als Frau was bewegen, das wird's nicht mehr geben, sondern es geht stärker dahin, dass die Frauen die Pflichten eben auch übernehmen können, die Ämter.

Röpke: Tatsächlich, aber es scheint nur so. Also es ist eine klare Männerbastion. Frauen haben keine eigenen politischen Forderungen, also Feminismus, Gleichberechtigung, Emanzipation sind Feindbilder. Ganz klar. Und wir wissen von Aussteigerinnen, dass sie wirklich irgendwann also auch manchmal relativ schnell enttäuscht werden, weil sie einfach sehen, dass es nur wirklich eine Scheingleichwertigkeit ist in dieser Szene.

Frauen werden gezielt eingesetzt, man lässt sie nur, bis zu einem gezielten Punkt dürfen sie sich etablieren, dürfen mitmachen, und irgendwann werden sie immer wieder auch an ihre biologische Verpflichtung, wie sie das nennen, erinnert und dann wirklich auch Kinder für die "deutsche Sache" zu bekommen.

Heise: Wenn Sie zu solchen Treffen gehen oder auf Demonstrationen auch gerade mit Frauen da ins Gespräch kommen, sind das andere Gespräche, als Sie die mit Männern führen würden? Geben die sich anders?

Röpke: Es ist erst mal unheimlich schwierig, überhaupt mit rechten Frauen ins Gespräch zu kommen. Also wir haben für "frauTV" oder andere Formate - oder ich bin an Wochenenden oft auf Naziveranstaltungen unterwegs - immer wieder versucht, mit den Frauen ins Gespräch zu kommen. Die haben einen regelrechten Maulkorb.

Also wir bekommen bestimmte Frauen zugewiesen, die rhetorisch geschult sind, die aalglatt sind, und mit anderen dürfen wir nicht reden. Das können wir nur heimlich tun, und vor allen Dingen beschränken sich da oft unsere Gespräche wirklich leider auf Aussteigerinnen, die auch Angst haben. Also es ist wahnsinnig schwierig, an Frauen ranzukommen. Und vor allen Dingen, wie gesagt, wenn sie drin sind, sind sie 150-prozentig und dann sind sie richtig fanatisch.

Heise: Das Bild des Neonazis ist immer noch das eines Mannes. Wie gehen eigentlich Polizei und auch Gerichte, wie gehen die mit den Frauen in dieser Szene um?

Röpke: Leider häufig sehr hilflos, sehr wenig aufgeklärt. Also wir beobachten, dass der Anteil der Frauen bei Gewalttaten sich nicht mehr nur auf die Galeriefunktion beschränkt, das heißt, sie fangen oft Streitereien an, sie lassen das Ganze sich zuspitzen, sie hetzen die Männer los. Mittlerweile ist es so, dass Frauen sich aktiv beteiligen, auch bei Demonstrationen, wenn es zu Ausschreitungen kommt, sind Frauen beteiligt.

Aber es wird leider vor Gericht heruntergespielt. Es wird nicht ernst genug genommen, dass diese Frauen wirklich die Gewaltbereitschaft der Szene, die eklatant ist und enorm zunimmt, eigentlich mittragen. Und das muss einfach in der Öffentlichkeit, das muss von den Behörden besser erkannt werden, und vor allen Dingen, es muss früher aufgeklärt werden, auch bevor die jungen Mädchen in die Szene driften.

Heise: Eine Arbeit, die Sie ja eben übernehmen, also indem Sie es überhaupt erst mal öffentlich machen. Wie gefährlich ist diese Arbeit für Sie?

Röpke: Ja, ich bin natürlich jemand, der schon relativ in der Öffentlichkeit steht, das heißt, ich habe einen gewissen Schutz. Schlimmer ist es für Leute, die diesen öffentlichen Schutz nicht haben, die wirklich das Bollwerk zu den Neonazis sind, vor Ort, gerade im regionalen Spektrum. Aber für uns ist es durchaus so, also Journalisten gehören, Zitat: "zum Lager der Todfeinde". Das heißt, wenn sie mit uns reden, dann wollen sie was von uns. Also wir müssen da immer sehr vorsichtig sein. Aber man muss natürlich schon bei Veranstaltungen auch gewisse Schutzmaßnahmen ergreifen.

Heise: Frauen in der rechten Szene. Andrea Röpke, Journalistin, recherchiert in diesem Bereich. Vielen Dank, Frau Röpke, dass Sie zu uns ins Studio gekommen sind für dieses Gespräch!

Röpke: Danke!
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