Hörspiel über Anschläge in Rostock-Lichtenhagen
Beschämende Bilder nach dem Wüten des Mobs: ausgebrannte Fenster im Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen. © imago / Rex Schober / imago stock&people
Die Perspektive der Überlebenden
09:48 Minuten
Die Anschläge auf Wohnblocks in Rostock-Lichtenhagen jähren sich nun zum 30. Mal. Das Sonnenblumenhaus wurde zum Symbol für Rassismus und rechte Gewalt. Dan Thy Nguyen hat die traumatischen Erlebnisse Betroffener zu einem Hörspiel kondensiert.
1992, der Rostocker Vorort Lichtenhagen. Ein rechter Mob greift tagelang Häuser an, in denen viele ehemalige Vertragsarbeiter und Geflüchtete aus Vietnam lebten. Umstehende johlen, die Polizei schreitet kaum ein. Die Bilder gehen um die Welt, unter anderem, weil ein Kamerateam aus einem der Häuser filmt.
Dan Thy Nguyen hat die Geschehnisse in dem Theaterstück Das Sonnenblumenhaus verarbeitet. Bei Dokumentationen über das Thema, die er zuvor gesehen hatte, fehlte ihm die Perspektive der Betroffenen. Also habe er sich selbst aufgemacht, um mit Zeugen zu sprechen, berichtet er.
2014, nach drei Jahren intensiver Recherche und etlichen Interviews, erlebte das Stück seine Premiere am Museum für Völkerkunde. Aus einer Kooperation mit dem Freies Sender Kombinat (FSK) entstand zudem ein Hörspiel, das kostenlos im Internet zur Verfügung gestellt wurde. "Wir wollten etwas haben, was wir dem Internet geben können", sagt Dan Thy Nguyen.
Eine neue Perspektive auf die Verbrechen
Bis dahin habe kaum jemand die Betroffenen, die Opfer und Überlebenden gefragt, wie ihre Perspektive auf die Geschehnisse aussehe, kritisiert er. Diese in den Mittelpunkt zu rücken, sei neu gewesen.
Erst 2015, im "Sommer der Migration", habe sein Stück neue Beachtung gefunden, berichtet der Autor:. „In dem Moment kam die Verbindungslinie zu Lichtenhagen wieder."
Im Gegensatz zu früher weder seitdem über Rassismus gesprochen, insbesondere seit Hanau und Halle sei die Perspektive der Betroffenen wichtiger geworden. Gleichwohl kritisiert Dan Thy Nguyen die "Eventisierung des Gedenkens". Am 30. Jahrestag werde der Ereignisse gedacht, am 29. Jahrestag interessiere sich kaum jemand dafür: „Wir haben kein kulturelles Konzept, wie wir gesellschaftlich erinnern außerhalb dieser Eventisierung.“
(ros)