Das Spitzengespräch

Von Dr. Michael Groth |
Nun ein - und zwar sehr schnell - zwischengeschaltetes "Spitzengespräch" zwischen Sondierung und Verhandlung, eine diplomatische Meisterleistung. Damit wahren beide Seiten Gesicht. Die Union, weil sie vor den offiziellen Koalitionsverhandlungen den Anspruch ihrer Kandidatin auf das Kanzleramt durchsetzen wollte; die SPD, weil sie nicht schon in der Sondierungsrunde über Personal sprechen wollte.
In den Parteizentralen von CDU, CSU und SPD dürften in diesen Stunden die Telefonleitungen glühen. Es werden Personalpakete geschnürt.

Im "Spitzengespräch" wird es nicht nur um Kanzler oder Kanzlerin gehen, es wird um den Bundestagspräsidenten gehen, und um die Verteilung der Ressorts, zumindest der wichtigen.

Einer der vier Protagonisten, die nach diesem wohl letzten Sondierungsgespräch vor die Journalisten traten, fiel aus der Rolle.
Merkel, Stoiber und Müntefering waren ernst, konzentriert, angespannt. Kanzler Schröder dagegen locker, zu Scherzen aufgelegt, zufrieden. Da stand einer, der es hinter sich hat.

Er freut sich auf das Leben "danach". Kein Abgang wie der seines Außenministers, aber ein Abgang alle mal, und wenn er denn zum Gelingen der großen Koalition führt, ein letzter Dienst an Deutschland.

Was aber nach Schröder?
Angela Merkel macht nicht den Eindruck einer Frau, die es geschafft hat. Sie wird regieren, soviel scheint klar. Aber vier Jahre ? Der unbedingte Anspruch, die CDU-Vorsitzende gehöre für die volle Legislaturperiode ins Kanzleramt, wurde nach dem heutigen Gespräch nicht lautstark wiederholt.

Stattdessen Beteuerungen aller Seiten, es gehe jetzt darum die Arbeitsweise einer stabilen Regierung zu sichern. Warum sollte Franz Münteferings ständig wiederholte Aussage, hier begegneten sich "Zwei auf Augenhöhe", den wichtigsten Job ausschließen?
Weist das auf die so genannte "Israel-Lösung" hin, eine geteilte Kanzlerschaft, zwei Jahre für Frau Merkel, zwei für die SPD - vielleicht Müntefering, aber jedenfalls nicht Schröder?

Was immer im Spitzengespräch heraus kommt: zu wünschen ist, das anschließend tatsächlich die versprochene Klarheit herrscht und die Beteiligten diesen Übergang von Sondierungen zu Verhandlungen nicht dazu nutzen, ihre Figuren im Politschach neu zu ordnen.

Dazu steht zuviel auf dem Spiel. Es gibt Hinweise, das Union und SPD das erkannt haben. Inhaltlich haben die künftigen Partner das Terrain abgesteckt: es geht um die Konsolidierung der Haushalte, um die Sicherung der Sozialsysteme, und um eine Wirtschaftpolitik, die Wachstum und Arbeitsplätze schafft.

Müntefering nennt das seit Tagen "Regierung der Erneuerung und der sozialen Gerechtigkeit". Wie es scheint, übernimmt die SPD ihren Teil jetzt mit dem Verzicht auf den nicht zu haltenden Anspruch, auch diese Regierung von Gerhard Schröder führen zu lassen.