Das stete Woanders als Heimat
Herna und Kaushik, beide aus Kalkutta stammend, treffen sich schon als Kinder in Massachusetts, verlieren sich aus den Augen und treffen sich als Erwachsene zufällig in Rom wieder. Ihre Liebe ist heftig, wird aber abrupt unterbrochen, denn Kaushik wird Opfer des Tsunamis. Kühl lässt Pulitzer-Preisträgerin Jhumpa Lahiri ihre Figuren in ihr Schicksal laufen.
"Einmal im Leben", das neue Buch der Pulitzer-Preisträgerin Jhumpa Lahiri, ist erneut eine eindringliche Geschichte von Verlust und Heimatlosigkeit - vor allem aber die Geschichte einer so verzweifelten wie unmöglichen Liebe: der von Hema und Kaushik, deren Eltern aus Kalkutta stammen und die sich bereits als Kinder in Massachusetts kennen lernen. Dort setzt der Roman im Jahre 1974 auch ein. Es ist das Jahr, in dem Kaushik, zu diesem Zeitpunkt gerade neun Jahre alt, mit seinen Eltern nach Indien zurückkehren muss, um nur einige Jahre später, 1981, erneut und nun endgültig nach Massachusetts zu ziehen. Noch haben Kaushik und seine Eltern kein eigenes Haus, und so wohnen sie für kurze Zeit bei Hemas Familie.
Schon vom ersten Tag an fühlt Hema sich zu Kaushik hingezogen, er aber ist unzugänglich und schweigsam. Bis er Hema eines Tages auf einem seiner Streifzüge durch die Umgebung verrät, dass seine Mutter unheilbar an Krebs erkrankt, die Rückkehr nach Indien demnach eine Flucht in ein anonymes Sterben ist. Schon da aber können beide sich kein Trost sein; zwei Wochen später zieht die Familie in ein eigenes Haus, zwei Jahre später wird Kaushiks Mutter sterben, da haben sich die Wege beider Familien schon lange getrennt.
Weitere 30 Jahre müssen vergehen, bis Hema und Kaushik sich unvermutet in Rom wieder begegnen. Kaushik ist da bereits 39 Jahre alt und mittlerweile ein angesehener Fotoreporter, der sich an den Krisenherden der Welt umtreibt und Rom zu seinem Ausgangspunkt für sein unruhiges Leben gewählt hat. Hema, mittlerweile eine gestandene Akademikerin, hat die letzten zehn Jahre als Geliebte eines verheirateten Mannes verbracht und steht nun kurz davor, eine arrangierte Ehe in Indien einzugehen, damit die Zeit der Zweifel und des Wartens endlich ein Ende hat.
Die Liebe, die zwischen ihnen entbrennt, ist somit so heftig wie fatal. Sie verfehlen einander, wo sie Halt suchen - und gehen letztlich auseinander ohne ein Wort. Dass Kaushik nur wenige Zeit später eines der unzähligen Opfer des Tsunami sein wird, könnte kitschig wirken und aufgesetzt. Doch Lahiri, die diese Geschichte abwechselnd aus Hemas und Kaushiks Sicht erzählt, am Ende aber Hema das Wort überlässt, umschifft die Gefahr des allzu Profanen durch die fast Schauder machende Kühle, mit der sie diese beiden Liebenden in ihr Schicksal laufen lässt.
Man kann den Schluss dieser so schwerelosen wie mit eleganter Unaufgeregtheit geschriebenen Prosa wieder und wieder lesen - nichts mindert den Schmerz und zugleich die unerbittliche Wucht der Kälte, mit der hier die emotionalen Verwerfungen jener verhandelt werden, denen das stete Woanders, die "ungewohnte Erde" eben, zur Heimat geworden ist. Jhumpa Lahiri aber beweist mit "Einmal im Leben" endgültig ihre literarische Meisterschaft.
Rezensiert von Claudia Kramatschek
Jhumpa Lahiri: Einmal im Leben. Eine Liebesgeschichte
Aus dem Englischen von Gertraude Krueger
Rowohlt Verlag, Hamburg 2008
175 Seiten, 16,90 Euro
Schon vom ersten Tag an fühlt Hema sich zu Kaushik hingezogen, er aber ist unzugänglich und schweigsam. Bis er Hema eines Tages auf einem seiner Streifzüge durch die Umgebung verrät, dass seine Mutter unheilbar an Krebs erkrankt, die Rückkehr nach Indien demnach eine Flucht in ein anonymes Sterben ist. Schon da aber können beide sich kein Trost sein; zwei Wochen später zieht die Familie in ein eigenes Haus, zwei Jahre später wird Kaushiks Mutter sterben, da haben sich die Wege beider Familien schon lange getrennt.
Weitere 30 Jahre müssen vergehen, bis Hema und Kaushik sich unvermutet in Rom wieder begegnen. Kaushik ist da bereits 39 Jahre alt und mittlerweile ein angesehener Fotoreporter, der sich an den Krisenherden der Welt umtreibt und Rom zu seinem Ausgangspunkt für sein unruhiges Leben gewählt hat. Hema, mittlerweile eine gestandene Akademikerin, hat die letzten zehn Jahre als Geliebte eines verheirateten Mannes verbracht und steht nun kurz davor, eine arrangierte Ehe in Indien einzugehen, damit die Zeit der Zweifel und des Wartens endlich ein Ende hat.
Die Liebe, die zwischen ihnen entbrennt, ist somit so heftig wie fatal. Sie verfehlen einander, wo sie Halt suchen - und gehen letztlich auseinander ohne ein Wort. Dass Kaushik nur wenige Zeit später eines der unzähligen Opfer des Tsunami sein wird, könnte kitschig wirken und aufgesetzt. Doch Lahiri, die diese Geschichte abwechselnd aus Hemas und Kaushiks Sicht erzählt, am Ende aber Hema das Wort überlässt, umschifft die Gefahr des allzu Profanen durch die fast Schauder machende Kühle, mit der sie diese beiden Liebenden in ihr Schicksal laufen lässt.
Man kann den Schluss dieser so schwerelosen wie mit eleganter Unaufgeregtheit geschriebenen Prosa wieder und wieder lesen - nichts mindert den Schmerz und zugleich die unerbittliche Wucht der Kälte, mit der hier die emotionalen Verwerfungen jener verhandelt werden, denen das stete Woanders, die "ungewohnte Erde" eben, zur Heimat geworden ist. Jhumpa Lahiri aber beweist mit "Einmal im Leben" endgültig ihre literarische Meisterschaft.
Rezensiert von Claudia Kramatschek
Jhumpa Lahiri: Einmal im Leben. Eine Liebesgeschichte
Aus dem Englischen von Gertraude Krueger
Rowohlt Verlag, Hamburg 2008
175 Seiten, 16,90 Euro