Musik des Abschieds
Das sechste Streichquartett Béla Bartóks ist der letzte Beitrag des Komponisten zu dieser – auch im 20. Jahrhundert als besonders anspruchsvoll geltenden – Gattung. Als ein Werk des Abschieds, von seiner ungarischen Heimat, wie von Europa, reflektiert es sowohl die Gattungstradition als auch das eigene frühere Schaffen.
Ursprünglich hatte Bartók die Absicht, ein viersätziges, suitenhaftes Werk ohne thematische Verbindung zwischen den Sätzen und mit einem fröhlichen, tänzerisch-folkloristischen Finale zu komponieren. In einer ersten Arbeitsphase folgte er damit den Spuren seines kurz zuvor beendeten "Divertimento", das mit anderen "späten" Werken eine gewisse experimentelle Mäßigung teilt. Angesichts der Zeitläufte (der Kriegsausbruch) und biografischer Einschnitte (die schwere Erkrankung der geliebten Mutter) änderte Bartók seine Konzeption im Herbst 1939 entscheidend. Am gravierendsten: die jedem Satz vorangestellte, sich jeweils erweiternde "Mesto"-Einleitung als verbindendes Motto und thematische Basis des langsamen Finales.
Der Klage-Gestus dieser Introduktionen überschattet letztlich das ganze Quartett. Er dämpft sozusagen den Konversations-Ton des Kopfsatzes wie er auch den kontrastierenden Binnensätzen ("Marcia" und "Burletta") grotesk-gebrochene Züge – fast von der bizarren Art Mahlerscher Scherzi – verleiht. Zu abgrundtiefer Trauer steigert sich schließlich das Mesto-Finale. Es steht denn auch vollends im Zeichen des absehbaren Todes der Mutter, nach dem es für Bartók kein Verbleiben in Europa mehr geben konnte.