Das typisch Deutsche fest im Blick
"Detlefs" und "Gummihälse" nennen die Schweizer die Deutschen. Dennoch lohnt es sich, nicht beleidigt zu sein, sondern mehr über die Animositäten zwischen den beiden Nationen zu lernen, denn: Bruno Ziauddin hat ein freches und lockeres Büchlein über die Welten geschrieben, die uns von den "Almbewohnern" trennen.
Eins ist klar: Zwischen der Schweiz und Deutschland liegen Welten. Doch was das eigentlich für Welten sind, das lässt sich schwer beschreiben. Es wird jetzt aber langsam nötig, weil 30.000 Deutsche pro Jahr in die Schweiz umsiedeln, und die Schweizer im wahrsten Sinn zuviel kriegen.
Was dabei in der Volksseele nur in Form von dumpfen Animositäten gärt, das hat Bruno Ziauddin zu einem geradezu unschweizerisch frechen und lockeren Büchlein ausformuliert - eine durchaus despektierliche Typologie der "Detlefs", wie uns die Schweizer, wenn sie unter sich sind, gerne nennen, weil Detlef in ihren Ohren so wahnsinnig deutsch klingt.
Und damit sind wir schon beim Sprachlichen, einer der Hauptwelten, die uns voneinander trennen.
"Den Normalschweizer plagt schon so etwas wie ein Sprachkomplex. Er hat Deutschen gegenüber ein latentes Minderwertigkeitsgefühl, das ihn hartnäckig verfolgt. Spricht er Hochdeutsch, fühlt er sich, nicht zuletzt mangels Übung, rasch einmal plump, langsam, ungelenk und ein bisschen dumm. Umgekehrt erlebt er Deutsche als schneller, schlagfertiger, eleganter, präziser im Ausdruck. Und seine Mundart, die verteidigt der Schweizer zwar wie ein Leopardenweibchen ihre Jungen, aber eben, es ist keine Hochsprache, keine Schriftsprache, keine Kultursprache, und Spott aus dem Ausland gibt’s auch zur Genüge. Ein unverkrampftes Selbstbewusstsein lässt sich unter diesen Umständen nur schwer entwickeln."
Tja, möchte man einwenden, Pech für die Schweizer, aber da können wir nichts für! Auch dass wir ein so großes Land sind, ist nicht unsere Schuld, aber Ziauddin bringt einen Vergleich an, der es vielleicht ermöglicht, die etwas gemischten Gefühle der Schweizer zu verstehen.
Stellen wir uns also einmal vor, im Osten würde Deutschland nicht an Polen grenzen, sondern an China. Denn China hat sechzehnmal mehr Einwohner als Deutschland, und Deutschland hat sechzehnmal mehr Einwohner als der deutschsprachige Teil der Schweiz. Wie würden wir uns fühlen, wenn sich nun Jahr für Jahr eine halbe Million Chinesen in Deutschland niederließe, unsere Sprache, Sitten und Gebräuche aber entweder bloß niedlich oder sogar blöd und zurückgeblieben fände?
Es geht eben nicht nur um die Sprache. Es geht um den Umgang miteinander. Und da ticken die Schweizer prinzipiell anders als wir. Ihr Herdentrieb ist weniger ausgeprägt. Sie sind immun gegen autoritäres Gehabe. Sie nennen die zugewanderten deutschen Kollegen "Gummihälse", weil die immer nicken, wenn der Chef was sagt. Und sie sind in der Regel tausendmal höflicher als jeder Deutsche, weil in einem Kleinstaat ohnehin die Regel gilt: "Nimm dich vor jedem Menschen, den du triffst, in acht, denn den triffst du wieder."
Im übrigen geht es nicht nur um Sprache und Benehmen, sondern es ist auch die Geschichte, die zwischen den Schweizern und den Deutschen steht. Ihre Fußball-Nationalmannschaft kürzen die Schweizer doch tatsächlich zu "Natzi" ab, und beim Schweizer Militär bedeutet KZ in aller Arglosigkeit Krankenzimmer.
"Hier ein 160 Jahre alter, territorial und politisch ultra beständiger, nie in kriegerische Handlungen verwickelter Bundesstaat; dort eine disparate Ansammlung von Fürstentümern, aus denen 'dank dem doofen Bismarck' innert weniger Jahrzehnte eine grotesk überambitionierte Großmacht geworden sei, die zwei Weltkriege vom Zaun gebrochen habe und deren Staatsgebiet im Lauf der Geschichte ähnlich instabil gewesen sei wie das Körpergewicht von Joschka Fischer, der 'immer entweder zu fett oder zu mager ist'".
Der Konjunktiv ist mal wieder typisch: Ziauddin referiert gerne, was Freunde ihm gesagt haben, statt selber zu polemisieren. Dabei kann er sehr wohl, wenn er will:
"Trägt eine Person, die durch eine Schweizer Innenstadt schlendert, eine sechsfarbige Nylonjacke, Vollbequemschuhe und auf dem Kopf, statt einer Frisur, eine rot gefärbte Igel-Attrappe, dann handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um einen Einheimischen, sondern eben … "
…einen hässlichen Deutschen. Damit hat Bruno Ziauddin nun auch das letzte Stereotyp im German-bashing absolviert. Wir sind nicht nur eine linguistische, sozialpsychologische und politische Zumutung, sondern auch und vor allem eine ästhetische. Zu dumm bloß, dass die Schweizer ohne uns einfach nicht zurande kommen. Schon die ersten neun Professoren, die an der Gründung des Zürcher Polytechnikums, der berühmten ETH, im Jahr 1855 beteiligt waren, waren ausnahmslos Deutsche.
Bruno Ziauddin: Gruezi, Gummihälse! Warum uns die Deutschen manchmal auf die Nerven gehen
Rowohlt Verlag, Reinbek 2008
Was dabei in der Volksseele nur in Form von dumpfen Animositäten gärt, das hat Bruno Ziauddin zu einem geradezu unschweizerisch frechen und lockeren Büchlein ausformuliert - eine durchaus despektierliche Typologie der "Detlefs", wie uns die Schweizer, wenn sie unter sich sind, gerne nennen, weil Detlef in ihren Ohren so wahnsinnig deutsch klingt.
Und damit sind wir schon beim Sprachlichen, einer der Hauptwelten, die uns voneinander trennen.
"Den Normalschweizer plagt schon so etwas wie ein Sprachkomplex. Er hat Deutschen gegenüber ein latentes Minderwertigkeitsgefühl, das ihn hartnäckig verfolgt. Spricht er Hochdeutsch, fühlt er sich, nicht zuletzt mangels Übung, rasch einmal plump, langsam, ungelenk und ein bisschen dumm. Umgekehrt erlebt er Deutsche als schneller, schlagfertiger, eleganter, präziser im Ausdruck. Und seine Mundart, die verteidigt der Schweizer zwar wie ein Leopardenweibchen ihre Jungen, aber eben, es ist keine Hochsprache, keine Schriftsprache, keine Kultursprache, und Spott aus dem Ausland gibt’s auch zur Genüge. Ein unverkrampftes Selbstbewusstsein lässt sich unter diesen Umständen nur schwer entwickeln."
Tja, möchte man einwenden, Pech für die Schweizer, aber da können wir nichts für! Auch dass wir ein so großes Land sind, ist nicht unsere Schuld, aber Ziauddin bringt einen Vergleich an, der es vielleicht ermöglicht, die etwas gemischten Gefühle der Schweizer zu verstehen.
Stellen wir uns also einmal vor, im Osten würde Deutschland nicht an Polen grenzen, sondern an China. Denn China hat sechzehnmal mehr Einwohner als Deutschland, und Deutschland hat sechzehnmal mehr Einwohner als der deutschsprachige Teil der Schweiz. Wie würden wir uns fühlen, wenn sich nun Jahr für Jahr eine halbe Million Chinesen in Deutschland niederließe, unsere Sprache, Sitten und Gebräuche aber entweder bloß niedlich oder sogar blöd und zurückgeblieben fände?
Es geht eben nicht nur um die Sprache. Es geht um den Umgang miteinander. Und da ticken die Schweizer prinzipiell anders als wir. Ihr Herdentrieb ist weniger ausgeprägt. Sie sind immun gegen autoritäres Gehabe. Sie nennen die zugewanderten deutschen Kollegen "Gummihälse", weil die immer nicken, wenn der Chef was sagt. Und sie sind in der Regel tausendmal höflicher als jeder Deutsche, weil in einem Kleinstaat ohnehin die Regel gilt: "Nimm dich vor jedem Menschen, den du triffst, in acht, denn den triffst du wieder."
Im übrigen geht es nicht nur um Sprache und Benehmen, sondern es ist auch die Geschichte, die zwischen den Schweizern und den Deutschen steht. Ihre Fußball-Nationalmannschaft kürzen die Schweizer doch tatsächlich zu "Natzi" ab, und beim Schweizer Militär bedeutet KZ in aller Arglosigkeit Krankenzimmer.
"Hier ein 160 Jahre alter, territorial und politisch ultra beständiger, nie in kriegerische Handlungen verwickelter Bundesstaat; dort eine disparate Ansammlung von Fürstentümern, aus denen 'dank dem doofen Bismarck' innert weniger Jahrzehnte eine grotesk überambitionierte Großmacht geworden sei, die zwei Weltkriege vom Zaun gebrochen habe und deren Staatsgebiet im Lauf der Geschichte ähnlich instabil gewesen sei wie das Körpergewicht von Joschka Fischer, der 'immer entweder zu fett oder zu mager ist'".
Der Konjunktiv ist mal wieder typisch: Ziauddin referiert gerne, was Freunde ihm gesagt haben, statt selber zu polemisieren. Dabei kann er sehr wohl, wenn er will:
"Trägt eine Person, die durch eine Schweizer Innenstadt schlendert, eine sechsfarbige Nylonjacke, Vollbequemschuhe und auf dem Kopf, statt einer Frisur, eine rot gefärbte Igel-Attrappe, dann handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um einen Einheimischen, sondern eben … "
…einen hässlichen Deutschen. Damit hat Bruno Ziauddin nun auch das letzte Stereotyp im German-bashing absolviert. Wir sind nicht nur eine linguistische, sozialpsychologische und politische Zumutung, sondern auch und vor allem eine ästhetische. Zu dumm bloß, dass die Schweizer ohne uns einfach nicht zurande kommen. Schon die ersten neun Professoren, die an der Gründung des Zürcher Polytechnikums, der berühmten ETH, im Jahr 1855 beteiligt waren, waren ausnahmslos Deutsche.
Bruno Ziauddin: Gruezi, Gummihälse! Warum uns die Deutschen manchmal auf die Nerven gehen
Rowohlt Verlag, Reinbek 2008