Das unendliche Ende einer Liebe
Zunächst sieht alles nach einer klassischen Liebesgeschichte aus: In "Ewig Dein" von Österreichs derzeit erfolgreichstem Autor Daniel Glattauer verlieben sich zwei Menschen. Doch als sie irgendwann den Schlussstrich zieht, geht die Geschichte erst richtig los.
"Die Gefahr ist die poetische Ballfrisur der Liebe", lautet ein Bonmot des Wiener Dramatikers und Satirikers Johann Nepomuk Nestroy. Schlichter Befund eines Liebeskundigen im Zeitalter des Biedermeier, lesbar als Warnung oder Verlockung. Im neuen Roman des derzeit erfolgreichsten österreichischen Autors Daniel Glattauer, (Startauflage 200.000 Exemplare), beweist dieser Satz erneut seine Gültigkeit.
Es fängt alles ganz harmlos an. Kurz vor Ostern, in der Warteschlange im Supermarkt, tritt ein Mann einer Frau in die Ferse. Sie heißt Judith, sieht gut aus, ist Mitte 30 und Single, Besitzerin eines exklusiven Lampengeschäfts in Wien. Er, Hannes, ein paar Jahre älter, Architekt, ledig. Spezialisiert auf den Umbau von Apotheken und mit einem "derart durchdringenden Blick, dass sich sogar Judiths Nieren davon berührt fühlten." Hannes entschuldigt sich besorgt, trifft bald darauf Judith wieder - sein Büro liegt unweit ihres Ladens - und macht ihr nach allen Regeln der Kunst den Hof. Anfangs zögert sie, auf seine charmanten Avancen einzugehen, lässt sich aber bald gefangen nehmen von Hannes‘ direkter Art, mit der er schnell auch ihre Freunde und sogar ihre Mutter begeistert.
Daniel Glattauer, der in seinen E-Mail-Romanen "Gut gegen Nordwind" und "Alle sieben Wellen" erfolgreich ( Auflage zwischen zwei und drei Millionen verkaufter Exemplare ) bewiesen hat, dass er Liebesgeschichten unverkitscht gestalten kann, erzählt diese Geschichte aus Sicht seiner Protagonistin in "15 Phasen". Immer deutlicher wird der Hintergrund: Glattauers jahrelange Erfahrung als Gerichtsreporter, die ihn häufig mit dem Thema Stalking konfrontierten.
Judith, obwohl selbstironisch, selbstständig, genussfähig und unverklemmt, übersieht in ihrer ersten Verliebtheit Warnzeichen: Hannes‘ überschwängliche Liebesbeweise, seine unbelebte Wohnung, die Vehemenz, mit der er sich in ihr Leben drängt. Sie will sich verlieben und er will ihr alles recht machen, ihr jeden Wunsch von den Lippen ablesen und fortan jede Minute seines Lebens mit ihr verbringen. Nach wenigen Monaten und einer Venedig-Reise jedoch ahnt sie, dass Hannes nicht der Mann ihres Lebens werden wird.
Mit ihrer Trennung von ihm initiiert sie eine Entwicklung, die Glattauers Liebesgeschichte - bis dahin humorvoll mit herrlicher Situationskomik erzählt - , zu einem Psychothriller werden lässt.
Was immer Judith unternimmt, um sich von Hannes zu befreien, treibt sie tiefer in eine Krise. Der Autor schafft es, ihren Alltag als Albtraum erscheinen und lange Zeit den Leser im Unklaren zu lassen, welche der beiden Figuren "krank" ist. Hannes wirkt plötzlich überraschend souverän, Judith paranoid. Glaubt man zu wissen, welchen Verlauf diese wahnwitzige Liebesgeschichte nimmt, so wird man nach allen Regeln der Kunst überrascht. Der Autor behält seinen distanziert komischen Ton bei, so dass man permanent zweifelt, ob er eine poetische Ballfrisur oder bereits den kahlen Schädel eines Totentänzers beschreibt. Eines aber ist sicher: Das Wort "Liebling" verursacht nach Lektüre dieses Romans einen anhaltenden Schauer.
Besprochen von Carsten Hueck
Daniel Glattauer: Ewig Dein
Deuticke Verlag, Wien 2012
205 Seiten, 17,90 EUR
Es fängt alles ganz harmlos an. Kurz vor Ostern, in der Warteschlange im Supermarkt, tritt ein Mann einer Frau in die Ferse. Sie heißt Judith, sieht gut aus, ist Mitte 30 und Single, Besitzerin eines exklusiven Lampengeschäfts in Wien. Er, Hannes, ein paar Jahre älter, Architekt, ledig. Spezialisiert auf den Umbau von Apotheken und mit einem "derart durchdringenden Blick, dass sich sogar Judiths Nieren davon berührt fühlten." Hannes entschuldigt sich besorgt, trifft bald darauf Judith wieder - sein Büro liegt unweit ihres Ladens - und macht ihr nach allen Regeln der Kunst den Hof. Anfangs zögert sie, auf seine charmanten Avancen einzugehen, lässt sich aber bald gefangen nehmen von Hannes‘ direkter Art, mit der er schnell auch ihre Freunde und sogar ihre Mutter begeistert.
Daniel Glattauer, der in seinen E-Mail-Romanen "Gut gegen Nordwind" und "Alle sieben Wellen" erfolgreich ( Auflage zwischen zwei und drei Millionen verkaufter Exemplare ) bewiesen hat, dass er Liebesgeschichten unverkitscht gestalten kann, erzählt diese Geschichte aus Sicht seiner Protagonistin in "15 Phasen". Immer deutlicher wird der Hintergrund: Glattauers jahrelange Erfahrung als Gerichtsreporter, die ihn häufig mit dem Thema Stalking konfrontierten.
Judith, obwohl selbstironisch, selbstständig, genussfähig und unverklemmt, übersieht in ihrer ersten Verliebtheit Warnzeichen: Hannes‘ überschwängliche Liebesbeweise, seine unbelebte Wohnung, die Vehemenz, mit der er sich in ihr Leben drängt. Sie will sich verlieben und er will ihr alles recht machen, ihr jeden Wunsch von den Lippen ablesen und fortan jede Minute seines Lebens mit ihr verbringen. Nach wenigen Monaten und einer Venedig-Reise jedoch ahnt sie, dass Hannes nicht der Mann ihres Lebens werden wird.
Mit ihrer Trennung von ihm initiiert sie eine Entwicklung, die Glattauers Liebesgeschichte - bis dahin humorvoll mit herrlicher Situationskomik erzählt - , zu einem Psychothriller werden lässt.
Was immer Judith unternimmt, um sich von Hannes zu befreien, treibt sie tiefer in eine Krise. Der Autor schafft es, ihren Alltag als Albtraum erscheinen und lange Zeit den Leser im Unklaren zu lassen, welche der beiden Figuren "krank" ist. Hannes wirkt plötzlich überraschend souverän, Judith paranoid. Glaubt man zu wissen, welchen Verlauf diese wahnwitzige Liebesgeschichte nimmt, so wird man nach allen Regeln der Kunst überrascht. Der Autor behält seinen distanziert komischen Ton bei, so dass man permanent zweifelt, ob er eine poetische Ballfrisur oder bereits den kahlen Schädel eines Totentänzers beschreibt. Eines aber ist sicher: Das Wort "Liebling" verursacht nach Lektüre dieses Romans einen anhaltenden Schauer.
Besprochen von Carsten Hueck
Daniel Glattauer: Ewig Dein
Deuticke Verlag, Wien 2012
205 Seiten, 17,90 EUR