Das verleugnete Massaker
Er ist nurmehr wenig bekannt, der evangelische Theologe und Humanist Johannes Lepsius, der unter Einsatz seines Lebens in die Gebiete des Osmanischen Reiches reiste, um sich selbst ein Bild zu machen von den Spuren, die die Massaker der Türken an den Armeniern hinterlassen hatten – und der dann sein Leben lang alles ihm mögliche tat, die Verbrechen bekannt zu machen.
Jahrhundertelang hatten die Armenier als christliche Minderheit unter den Muslimen des Osmanischen Reiches gelebt – die Revolution der "Jungtürken", 1908, machte dem ein Ende. Die neuen, machthabenden Generäle Talat Pascha, Enver Pascha und Djemal Pascha wollen ein Reich, in dem nur Türken leben. Schon im Vorfeld des Ersten Weltkriegs kommt es zu Denunziationen und Verfolgungen, armenische Soldaten werden verhaftet und gefoltert. Mit dem Scheinargument, die östlichen Grenzgebiete zu Russlands müssten "vor dem Feind im Inneren" geschützt werden, kommt es dann 1915 und -16 zu Massakern und Deportationen in Richtung Osten; Schätzungen zufolge sterben bis zu anderthalb Millionen Armenier, die Ausstellung im Lepsiushaus zeigt unmissverständliche Bilder.
Dass es den zentralen Mordbefehl gegeben habe, bestreitet die Türkei bis heute, wie man diesen – durch Dokumente gut belegten - Völkermord noch heute leugnen kann, ist nicht nur Sabine Kunst, Ministerin für Wissenschaft, Kultur und Forschung des Landes Brandenburg, unbegreiflich.
"Wer die Bilder der Massaker gesehen hat, denen die Armenier seit 1915 hilflos ausgeliefert waren, wer in die Gesichter vergewaltigter, massakrierter Frauen und ins Leere starrender Kinder geschaut hat, der kann kaum begreifen, dass die Leiden der Armenier der Verdrängung und Verleugnung anheim gefallen sind."
Mit dem Rechtswissenschaftler Manfred Aschke gehört ein Enkel von Johannes Lepsius dem Vorstand des Lepsiushauses an.
"Die Türkei hat auf ihrem Weg zur modernen Republik unter Atatürk sozusagen ihre Vergangenheit entsorgt. Und das tut sie bis heute, und das ist schwer, sehr schwer, damit umzugehen. Was uns wichtig scheint, weshalb wir hoffen und glauben, dass man gleichwohl einen Dialog zwischen Armeniern, Türken und Deutschen zustande bringen kann, ist, dass auch in der Türkei allmählich ein wachsendes Bedürfnis entsteht, sich aufrichtig mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Und das sollte man aufnehmen und sollte immer auch zeigen, es geht hier nicht um eine nachträgliche Abrechnung, eigentlich ist das Ziel Versöhnung."
Versöhnung – dieser Begriff fällt häufig bei der Eröffnung des Lepsiushauses.
"Erinnerung ist eine unverzichtbare Grundlage. Erinnerung braucht Mut zur Wahrheit. Aber Wahrheit allein reicht nicht. Wahrheit ist kein fester Besitz, Wahrheit ist dem wissenschaftlichen Zweifel ausgesetzt. Wahrheit muss sich immer wieder in gesellschaftlichen Diskursen bewähren. Mit der Wahrheit muss man verantwortungsvoll umgehen. Wahrheit kann auch missbraucht werden. Aber auch Versöhnung allein reicht nicht. Ohne eine vorbehaltlose Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist Versöhnung nicht möglich, jedenfalls wäre sie nicht von Dauer und kein Fundament, auf dem sich tragfähige Brücken bauen lassen."
Auch der armenische Botschafter Armen Martirosyan spricht von Versöhnung, allerdings müssten die Fakten anerkannt werden: Der Völkermord an den Armeniern, sagt er, sei nicht "verhandelbar".
"The taking place of the Armenian genocide is a fact and is non-negotiable."
Der Name des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, der gerade im Osten seines Landes das "Denkmal der Menschlichkeit", das die Versöhnung zwischen Türken und Armeniern symbolisierte, abreißen ließ – diesen Namen erwähnt auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann nicht, aber überdeutlich mahnt er, die Dinge beim Namen zu nennen.
Deutschland und die Türkei würden gute Beziehungen unterhalten, zu einem guten Miteinander gehöre aber zwingend, dass man sich Wahrheiten sagen kann und auch sagt.
"Erst durch die Geschichte wird ein Volk seiner selbst vollständig bewusst". Diese Erkenntnis verdanken wir dem großen Philosophen Arthur Schopenhauer. Ich bin der Überzeugung: So lange Verbrechen - wie die an den Armeniern - als solche nicht beim Namen genannt werden dürfen, solange sie verschwiegen oder bagatellisiert werden, so lange blendet eine Nation einen Teil ihrer eigenen Geschichte aus und wird der Opfer, ihrer Würde und ihrer Identität nicht gerecht."
Und – Bernd Neumann geht auch auf deutsche Schuld ein.
"Aus den Akten des Auswärtigen Amts geht hervor, dass die Deutsche Reichsregierung von Anfang an über die Verfolgung und Ermordung der Armenier informiert war. Deutschland als Hauptverbündeter des damaligen Osmanischen Reiches schwieg dazu, ja verschwieg es völlig und verbot sogar Veröffentlichungen darüber, so die auch – den Bericht – von Lepsius. Das Deutsche Reich stellte Bündnistreue über die Menschlichkeit. Meine Damen und Herren: Dieses Verhalten Deutschlands muss uns noch heute mit Scham erfüllen."
Die Ausstellung des Lepsiushauses dokumentiert das, was 1915 und -16 geschah, eindrucksvoll, spart auch die türkische Argumentation – es habe marodierende Banden gegeben, aber eben niemals den gezielten Plan eines Völkermords, nicht aus. Eine Forschungs- und Begegnungsstätte für Deutsche, Armenier und Türken soll das Lepsiushaus werden. Für die Türkei sprach zur Eröffnung niemand – was doch wahrlich ein Zeichen der Versöhnung oder des Willens dazu hätte sein können. Manfred Aschke:
"Wir haben den türkischen Botschafter in Berlin eingeladen; er hat abgesagt, ohne nähere Begründung, das ist schade. Das ist eigentlich unser Ziel: mit der türkischen Regierung und ihren Repräsentanten ins Gespräch zu kommen, es muss aber ein produktives Gespräch sein. Und das ist so schwer, da Gesprächspartner zu finden, die dazu bereit sind."
Dass es den zentralen Mordbefehl gegeben habe, bestreitet die Türkei bis heute, wie man diesen – durch Dokumente gut belegten - Völkermord noch heute leugnen kann, ist nicht nur Sabine Kunst, Ministerin für Wissenschaft, Kultur und Forschung des Landes Brandenburg, unbegreiflich.
"Wer die Bilder der Massaker gesehen hat, denen die Armenier seit 1915 hilflos ausgeliefert waren, wer in die Gesichter vergewaltigter, massakrierter Frauen und ins Leere starrender Kinder geschaut hat, der kann kaum begreifen, dass die Leiden der Armenier der Verdrängung und Verleugnung anheim gefallen sind."
Mit dem Rechtswissenschaftler Manfred Aschke gehört ein Enkel von Johannes Lepsius dem Vorstand des Lepsiushauses an.
"Die Türkei hat auf ihrem Weg zur modernen Republik unter Atatürk sozusagen ihre Vergangenheit entsorgt. Und das tut sie bis heute, und das ist schwer, sehr schwer, damit umzugehen. Was uns wichtig scheint, weshalb wir hoffen und glauben, dass man gleichwohl einen Dialog zwischen Armeniern, Türken und Deutschen zustande bringen kann, ist, dass auch in der Türkei allmählich ein wachsendes Bedürfnis entsteht, sich aufrichtig mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Und das sollte man aufnehmen und sollte immer auch zeigen, es geht hier nicht um eine nachträgliche Abrechnung, eigentlich ist das Ziel Versöhnung."
Versöhnung – dieser Begriff fällt häufig bei der Eröffnung des Lepsiushauses.
"Erinnerung ist eine unverzichtbare Grundlage. Erinnerung braucht Mut zur Wahrheit. Aber Wahrheit allein reicht nicht. Wahrheit ist kein fester Besitz, Wahrheit ist dem wissenschaftlichen Zweifel ausgesetzt. Wahrheit muss sich immer wieder in gesellschaftlichen Diskursen bewähren. Mit der Wahrheit muss man verantwortungsvoll umgehen. Wahrheit kann auch missbraucht werden. Aber auch Versöhnung allein reicht nicht. Ohne eine vorbehaltlose Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist Versöhnung nicht möglich, jedenfalls wäre sie nicht von Dauer und kein Fundament, auf dem sich tragfähige Brücken bauen lassen."
Auch der armenische Botschafter Armen Martirosyan spricht von Versöhnung, allerdings müssten die Fakten anerkannt werden: Der Völkermord an den Armeniern, sagt er, sei nicht "verhandelbar".
"The taking place of the Armenian genocide is a fact and is non-negotiable."
Der Name des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, der gerade im Osten seines Landes das "Denkmal der Menschlichkeit", das die Versöhnung zwischen Türken und Armeniern symbolisierte, abreißen ließ – diesen Namen erwähnt auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann nicht, aber überdeutlich mahnt er, die Dinge beim Namen zu nennen.
Deutschland und die Türkei würden gute Beziehungen unterhalten, zu einem guten Miteinander gehöre aber zwingend, dass man sich Wahrheiten sagen kann und auch sagt.
"Erst durch die Geschichte wird ein Volk seiner selbst vollständig bewusst". Diese Erkenntnis verdanken wir dem großen Philosophen Arthur Schopenhauer. Ich bin der Überzeugung: So lange Verbrechen - wie die an den Armeniern - als solche nicht beim Namen genannt werden dürfen, solange sie verschwiegen oder bagatellisiert werden, so lange blendet eine Nation einen Teil ihrer eigenen Geschichte aus und wird der Opfer, ihrer Würde und ihrer Identität nicht gerecht."
Und – Bernd Neumann geht auch auf deutsche Schuld ein.
"Aus den Akten des Auswärtigen Amts geht hervor, dass die Deutsche Reichsregierung von Anfang an über die Verfolgung und Ermordung der Armenier informiert war. Deutschland als Hauptverbündeter des damaligen Osmanischen Reiches schwieg dazu, ja verschwieg es völlig und verbot sogar Veröffentlichungen darüber, so die auch – den Bericht – von Lepsius. Das Deutsche Reich stellte Bündnistreue über die Menschlichkeit. Meine Damen und Herren: Dieses Verhalten Deutschlands muss uns noch heute mit Scham erfüllen."
Die Ausstellung des Lepsiushauses dokumentiert das, was 1915 und -16 geschah, eindrucksvoll, spart auch die türkische Argumentation – es habe marodierende Banden gegeben, aber eben niemals den gezielten Plan eines Völkermords, nicht aus. Eine Forschungs- und Begegnungsstätte für Deutsche, Armenier und Türken soll das Lepsiushaus werden. Für die Türkei sprach zur Eröffnung niemand – was doch wahrlich ein Zeichen der Versöhnung oder des Willens dazu hätte sein können. Manfred Aschke:
"Wir haben den türkischen Botschafter in Berlin eingeladen; er hat abgesagt, ohne nähere Begründung, das ist schade. Das ist eigentlich unser Ziel: mit der türkischen Regierung und ihren Repräsentanten ins Gespräch zu kommen, es muss aber ein produktives Gespräch sein. Und das ist so schwer, da Gesprächspartner zu finden, die dazu bereit sind."