Das virtuelle Haustier feiert Geburtstag
Im Oktober 1996 brachte der japanische Spielwarenhersteller Bandai die ersten Tamagotchis auf den Markt. Bereits wenige Monate später hatte sich das virtuelle Haustier in über 30 Länder ausgebreitet und in zahllosen Kinderzimmern niedergelassen, um von den kleinen Halterinnen und Haltern Aufmerksamkeit, Pflege und viel Liebe einzufordern.
"Anfangs piepste es sogar mitten in der Nacht, weil es Hunger hatte. Mittlerweile geht es jedoch brav um 21 Uhr ins Bett."
Sobald das Spielzeug aktiviert wird, erscheint ein kleines Ei, das hin und her vibriert. Nach circa vier bis fünf Minuten bricht es auf, und ein kleines, unförmiges Küken schlüpft heraus.
Sofort nach dem Schlüpfen verlangt es die ganze Aufmerksamkeit seiner Adoptiveltern: Füttern, Spielen, Windeln wechseln. Und es war eine Plage, wie man sie sonst nur von Kobolden und Poltergeistern kannte: ein winzig kleiner Billigcomputer mit einem schrecklich grob gepixelten winzigen LCD-Schirm - mit 16x32-Pixeln, das ist wie mit Wachsmalstiften im Computer rumgemalt. Das ganze Spielzeug war dabei nicht einmal so groß wie ein Überraschungsei, und nicht aus Schokolade, sondern aus Plastik, und statt kleiner Bastelfigürchen mit einem virtuellen Zeichentrickwesen darin: diesem Küken, dessen Aufzucht mit drei Druckknöpfen komplett bewältigt werden sollte.
Tamagotchi-Ratgeber: "Du musst dich immer sehr gut um dein Tamagotchi kümmern. Achte darauf, dass die Herzen immer gefüllt sind und am besten bevor es dich drauf aufmerksam macht."
Erschaffen wurde das Tamagotchi von einer japanischen Computerfummlerin, Aki Maita. Die hatte festgestellt, dass süße, kleine Tiere bei auch bei modernen Kindern und Erwachsenen sofort am Herzen andockten. Deshalb erfand sie das Tamagotchi, was soviel wie "kleines, niedliches Ei" bedeutet. Zufälligerweise hatte sie einen Freund bei der großen Firma Bandai, und so fand die Idee des Cybertierchens dann auch den industriellen Weg in die Pressmaschinen.
Fünf Wochen nach der Testeinführung rissen die Japaner innerhalb von zwei Tagen die gesamte Produktion von 80.000 Stück aus den Regalen. Im nächsten Jahr - 1997 - gingen dann zwei Millionen Tamagotchis allein über deutsche Ladentheken. Und man erfuhr erschütternde Sachen: Forscher sahen das Sozialverhalten der Kinder gefährdet. (Sie könnten womöglich nicht mehr zwischen Spiel und Realität unterscheiden.)
Psychologen warnten vor zu großer emotionaler Bindung an computeranimierte Lebewesen, deren maximale Lebenserwartung nicht annähernd der eines Meerschweinchens entsprach. In der BRAVO standen alarmierende Meldungen über Selbstmordversuche nach dem Tod eines Tamagotchis, und ein Standesbeamter berichtet von Eltern, die ihren Kindern den Namen "Tamagotchi" geben wollen.
Tamagotchi-Ratgeber: "Wenn dein Tamagotchi weint oder nach dir ruft, gib ihm das, was es braucht. Wenn du es als Kind nicht richtig pflegst, wirkt sich das auf das erwachsene Tamagotchi aus!"
Der Trick bei diesem Hype war dieses wunderbare Gefühl, gebraucht zu werden - auch in moderner anonymer Zeit: dieses kümmern Müssen: ach, dieses sehnlichst kümmern Wollen! Und echte Haustiere stinken. Das Tamagotchi nicht. Obwohl ...
Tamagotchi-Ratgeber: "Wenn es zur Toilette muss, wird es unruhig. Schaffst du es nicht rechtzeitig, macht es ein Häufchen und muss gesäubert werden."
Besonders groß war das Verständnis in den USA: Das Wall Street Journal berichtete sogar von Lehrern, die Beratungsstunden für Schüler anboten, denen das Tamagotchi weggestorben war.
Hierzulande reagierten die Schulen dagegen herzlos und grausam mit Tamagotchi-Verboten! ... Da kam man nach Chemie und Latein völlig genervt nach Haus - und das Tamagotchi war tot: erstickt an der vollgemachten Windel oder verkümmert vor Einsamkeit. In Stuttgart und im Ruhrgebiet eröffneten deshalb Tamagotchi-Tagesstätten.
Schnell waren dann übrigens immer mehr Nachfolger und Plagiate auf dem Markt. Nanopets und Giga Pets, Nano Fighters, Dinky Dino und Fin Fin. Dann kam Furby: dreidimensional und weich und quäkte beim Kuscheln, dann gab es virtuelle Pflegefälle auf dem Handy und mega-anstrengende Babysitter-Simulationen für den PC. Und vielleicht deshalb fand die Mutterfirma Bandai dann acht Jahre nach der Erfindung im Sommer 2004, man könnte mal - ein ganz neues Tamagotchi auf den Markt bringen: nämlich das Tamagotchi Plus, dann Connexion, Connection 2 und 3: Und die hatten - außer mehr Shoppengehen und mehr Essenssorten - noch ganz unerwartete Fähigkeiten:
Tamagotchi-Ratgeber: "Je öfter du dich mit anderen Tamagotchis triffst, desto näher können sie sich kommen. Wenn aus Freundschaft Liebe wird, können sie auch Kinder bekommen."
Die Nachfrage nach den neuen Tamagotchis hielt sich aber in Grenzen - zumindest hierzulande. Letztens Endes war dann wohl doch das Handy interessanter, mit dem man mit wirklichen Lebewesen in Verbindung treten konnte. Und auf seinem Display stand dann nicht: Fütter mich! Streichel mich! Sing mir was vor! - sondern: "Koche grad Nudeln. Kommst du pünktlich? Mama!"
Sobald das Spielzeug aktiviert wird, erscheint ein kleines Ei, das hin und her vibriert. Nach circa vier bis fünf Minuten bricht es auf, und ein kleines, unförmiges Küken schlüpft heraus.
Sofort nach dem Schlüpfen verlangt es die ganze Aufmerksamkeit seiner Adoptiveltern: Füttern, Spielen, Windeln wechseln. Und es war eine Plage, wie man sie sonst nur von Kobolden und Poltergeistern kannte: ein winzig kleiner Billigcomputer mit einem schrecklich grob gepixelten winzigen LCD-Schirm - mit 16x32-Pixeln, das ist wie mit Wachsmalstiften im Computer rumgemalt. Das ganze Spielzeug war dabei nicht einmal so groß wie ein Überraschungsei, und nicht aus Schokolade, sondern aus Plastik, und statt kleiner Bastelfigürchen mit einem virtuellen Zeichentrickwesen darin: diesem Küken, dessen Aufzucht mit drei Druckknöpfen komplett bewältigt werden sollte.
Tamagotchi-Ratgeber: "Du musst dich immer sehr gut um dein Tamagotchi kümmern. Achte darauf, dass die Herzen immer gefüllt sind und am besten bevor es dich drauf aufmerksam macht."
Erschaffen wurde das Tamagotchi von einer japanischen Computerfummlerin, Aki Maita. Die hatte festgestellt, dass süße, kleine Tiere bei auch bei modernen Kindern und Erwachsenen sofort am Herzen andockten. Deshalb erfand sie das Tamagotchi, was soviel wie "kleines, niedliches Ei" bedeutet. Zufälligerweise hatte sie einen Freund bei der großen Firma Bandai, und so fand die Idee des Cybertierchens dann auch den industriellen Weg in die Pressmaschinen.
Fünf Wochen nach der Testeinführung rissen die Japaner innerhalb von zwei Tagen die gesamte Produktion von 80.000 Stück aus den Regalen. Im nächsten Jahr - 1997 - gingen dann zwei Millionen Tamagotchis allein über deutsche Ladentheken. Und man erfuhr erschütternde Sachen: Forscher sahen das Sozialverhalten der Kinder gefährdet. (Sie könnten womöglich nicht mehr zwischen Spiel und Realität unterscheiden.)
Psychologen warnten vor zu großer emotionaler Bindung an computeranimierte Lebewesen, deren maximale Lebenserwartung nicht annähernd der eines Meerschweinchens entsprach. In der BRAVO standen alarmierende Meldungen über Selbstmordversuche nach dem Tod eines Tamagotchis, und ein Standesbeamter berichtet von Eltern, die ihren Kindern den Namen "Tamagotchi" geben wollen.
Tamagotchi-Ratgeber: "Wenn dein Tamagotchi weint oder nach dir ruft, gib ihm das, was es braucht. Wenn du es als Kind nicht richtig pflegst, wirkt sich das auf das erwachsene Tamagotchi aus!"
Der Trick bei diesem Hype war dieses wunderbare Gefühl, gebraucht zu werden - auch in moderner anonymer Zeit: dieses kümmern Müssen: ach, dieses sehnlichst kümmern Wollen! Und echte Haustiere stinken. Das Tamagotchi nicht. Obwohl ...
Tamagotchi-Ratgeber: "Wenn es zur Toilette muss, wird es unruhig. Schaffst du es nicht rechtzeitig, macht es ein Häufchen und muss gesäubert werden."
Besonders groß war das Verständnis in den USA: Das Wall Street Journal berichtete sogar von Lehrern, die Beratungsstunden für Schüler anboten, denen das Tamagotchi weggestorben war.
Hierzulande reagierten die Schulen dagegen herzlos und grausam mit Tamagotchi-Verboten! ... Da kam man nach Chemie und Latein völlig genervt nach Haus - und das Tamagotchi war tot: erstickt an der vollgemachten Windel oder verkümmert vor Einsamkeit. In Stuttgart und im Ruhrgebiet eröffneten deshalb Tamagotchi-Tagesstätten.
Schnell waren dann übrigens immer mehr Nachfolger und Plagiate auf dem Markt. Nanopets und Giga Pets, Nano Fighters, Dinky Dino und Fin Fin. Dann kam Furby: dreidimensional und weich und quäkte beim Kuscheln, dann gab es virtuelle Pflegefälle auf dem Handy und mega-anstrengende Babysitter-Simulationen für den PC. Und vielleicht deshalb fand die Mutterfirma Bandai dann acht Jahre nach der Erfindung im Sommer 2004, man könnte mal - ein ganz neues Tamagotchi auf den Markt bringen: nämlich das Tamagotchi Plus, dann Connexion, Connection 2 und 3: Und die hatten - außer mehr Shoppengehen und mehr Essenssorten - noch ganz unerwartete Fähigkeiten:
Tamagotchi-Ratgeber: "Je öfter du dich mit anderen Tamagotchis triffst, desto näher können sie sich kommen. Wenn aus Freundschaft Liebe wird, können sie auch Kinder bekommen."
Die Nachfrage nach den neuen Tamagotchis hielt sich aber in Grenzen - zumindest hierzulande. Letztens Endes war dann wohl doch das Handy interessanter, mit dem man mit wirklichen Lebewesen in Verbindung treten konnte. Und auf seinem Display stand dann nicht: Fütter mich! Streichel mich! Sing mir was vor! - sondern: "Koche grad Nudeln. Kommst du pünktlich? Mama!"