"Das war etwas ganz Normales"
"Es ist nichts Ungewöhnliches gewesen, dass Leute aus der SS und aus dem Nazibereich in der Bundesrepublik Deutschland, den Anfängen der Bundesrepublik, in verschiedensten Institutionen verwendet wurden", sagt Wolbert Smidt, Ex-BND-Abteilungsleiter. Im BND seien die "gravierendesten Fälle", also etwa Massenmörder, nach einer Untersuchung Anfang der 60er-Jahre entlassen worden.
Katrin Heise: Nachdem jüngst die große Studie über die NS-Vergangenheit des Auswärtigen Amtes erschienen ist, stellen wir im "Radiofeuilleton" die Frage, wie es um andere Ministerien und Institutionen in der Sache bestellt ist. Heute geht es um den Bundesnachrichtendienst und ich freue mich, dass Wolbert Smidt, ehemaliger erster Direktor beim BND, mein Gast ist. Er ist außerdem der Vorsitzende des 2003 gegründeten Gesprächskreises "Nachrichtendienste in Deutschland". Guten Tag, Herr Smidt!
Wolbert K. Smidt: Guten Tag!
Heise: Hören wir uns gemeinsam, Herr Smidt, einen Gesprächsausschnitt an. Gestern haben wir den aufgenommen, gestern sagte nämlich der Historiker Ulrich Herbert im "Radiofeuilleton":
Ulrich Herbert: Der BND kann in manchen Punkten als eine Art von Auffangorganisation des Reichssicherheitshauptamtes gelten, über 200 vor allen Dingen führende Leute sind in den BND übergeleitet worden. Das ist in dieser Form nicht bekannt gewesen. Und in Karlsruhe hat es eine gewissermaßen Nebenstelle des BND gegeben, in der eine große Zahl sogenannter Ostexperten saß, von denen wiederum ein erheblicher Teil nun mit der unmittelbaren Tatausführung des Judenmords beauftragt gewesen war, also Einsatzgruppenmänner, Massenmörder, das hat nun doch alles übertroffen, was wir bisher wussten. Hier geht es um die Kontinuität, sagen wir mal, von regelrechten Massenmördern, von denen manche Hunderte oder Tausende von Menschen eigenhändig erschossen haben. Das ist natürlich dann doch noch mal eine andere Dimension.
Heise: Das sagte der Historiker Ulrich Herbert im Deutschlandradio Kultur. Herr Smidt, hat der Historiker Recht?
Smidt: Nein. Also in dieser Art und Weise, wie hier über den BND und seine Vergangenheit geredet wird – und zur Vergangenheit gehört die Organisation Gehlen –, ist es wirklich nicht angemessen. Ich kann sagen: 200 Leute aus dem SS-Bereich – nicht allein aus dem Reichssicherheitshauptamt – waren zweifellos mit der Zeit zur Organisation Gehlen gekommen.
Heise: Das war der Vorläufer des BND.
Smidt: Das war der Vorläufer des BND, der ja erst 1956 dann offiziell als Bundesinstitution entstanden ist. Und viel mehr kann man sagen, dass die Organisation Gehlen ein Auffangbecken gewesen ist für Offiziere, die sich mit dem militärischen Nachrichtenwesen während des Dritten Reiches befasst haben, sowohl bei der Abwehr von Canaris als auch in der Institution Fremde Heere Ost.
Heise: Aus dem ja Gehlen stammt.
Smidt: Aus der Gehlen stammt.
Heise: Genau. Es gab Anfang der 60er-Jahre eine Ermittlungsgruppe im BND, die Ermittlungsgruppe 85, die eben die angesprochenen 200 Mitarbeiter überprüfte, 200 Mitarbeiter, die eben eine SS-Vergangenheit hatten, und 70 davon wurden dann auch entlassen. Was waren das ... also das waren eben die erkannten Massenmörder zum Teil, die tatsächlich selber gemordet hatten. Was waren die anderen?
Smidt: Die anderen gehörten ebenfalls früher der SS an, waren aber nicht an Exekutionen von Juden beteiligt, nicht unmittelbar beteiligt an Tötungen und an Repression unmittelbar, sondern das waren Leute, die in Stäben tätig gewesen sind, und sich mit der Zeit auch beim BND beziehungsweise bei der Vorläuferorganisation Organisation Gehlen bewährt hatten. Also die gravierenden Fälle wurden ausgeschieden, während andere Fälle, von denen ich auch einige kannte im Laufe meiner Tätigkeit im BND, weiter bleiben konnten und sich bewährt haben, auch im Hinblick auf die demokratische Institution Bundesnachrichtendienst.
Heise: Wie gründlich, wie neutral, wie rückhaltlos eigentlich war diese Aufklärung damals unter Gehlen, der ja selber eben führender Geheimdienstmann unter den Nazis war?
Smidt: Also ich möchte zunächst noch mal sagen: Es ist nichts Ungewöhnliches gewesen, dass Leute aus der SS und aus dem Nazibereich in der Bundesrepublik Deutschland, den Anfängen der Bundesrepublik, in verschiedensten Institutionen verwendet wurden, nicht nur beim Auswärtigen Amt, wovon jetzt ständig die Rede ist, sondern zum Beispiel das Bundeskriminalamt bestand in der Führungsgruppe, einschließlich Referatsleiter, im Wesentlichen aus ehemaligen Nazis beziehungsweise aus Gestapo-Leuten, also auch SS-Leuten. Das war etwas ganz Normales und gehörte einfach zu der Notwendigkeit, Fachleute zu gewinnen, die in der Lage waren, die neuen Herausforderungen, die sich aus dem Kalten Krieg insbesondere ergaben, zu bestehen. Und die Amerikaner haben das offensichtlich genauso gesehen wie die Deutschen, die Amerikaner nämlich waren es, die auch ihrerseits ja zuständig waren für die Organisation Gehlen und dafür gesorgt haben, dass solche ehemaligen SS-Leute engagiert wurden zum Aufbau von Gegenspionagestellen, die dringend notwendig waren, um die Angriffe vonseiten der östlichen Nachrichtendienste abzuwehren.
Heise: Das heißt, wie interessiert war man eigentlich an dem Erfahren über die Vergangenheit des einzelnen Mitarbeiters Anfang der 60er tatsächlich?
Smidt: Das ist ganz offensichtlich systematisch etwas verschleiert oder zurückgedrängt worden, damit hat man sich nicht näher beschäftigt. Aber das war eine allgemeine Haltung in Deutschland. Man hat damals noch nicht die Reife gehabt, so will ich mal sagen, um all diese Schrecklichkeiten aufzuarbeiten und das auch so zu behandeln, dass man Personen, die damals verwickelt waren, auf keinen Fall einstellen wollte. Das war allgemein nicht üblich in der damaligen Zeit, in den 40er-, 50er-Jahren.
Heise: Sie sind 1966 zum BND gekommen, und Sie haben es ja eben auch angedeutet, dass Sie da natürlich noch Menschen begegnet sind, sehr nah begegnet sind, die eben eine solche Vergangenheit hatten. Wie sind Sie damit umgegangen?
Smidt: Also ich bin in den BND eingetreten, nachdem ich ein längeres Gespräch gehabt habe mit Angehörigen des Dienstes über diese Frage der SS-Zugehörigkeit von Angehörigen des Dienstes. Mir war das durchaus als Problem bewusst, und ich habe die Frage gestellt: Ist es wirklich so, dass der BND beherrscht ist und geprägt ist von der SS-Vergangenheit seiner Mitarbeiter? Und daraufhin wurde mir sehr deutlich gesagt, was alles geschehen ist, um damit fertigzuwerden. Da ist übrigens auch der Hinweis gegeben worden auf diese Stelle, die sich 1965 befasst hat mit der Aufarbeitung der Vergangenheit von 200 SS-Leuten, ...
Heise: ... die ich vorhin erwähnt habe, ...
Smidt: ... die Sie erwähnt haben, und sodass ich einigermaßen beruhigt in den BND eingetreten bin. Wenn ich im Laufe meiner Laufbahn dann Leute getroffen habe, die zum Teil meine Vorgesetzten waren, die der früheren SS zuzurechnen waren, dann waren meine Erfahrungen in der Regel positiv. Ich bin ein sehr bewusster Demokrat und ein sehr kritischer Demokrat, habe ihn auch in Gespräche verwickelt, meinen damaligen Vorgesetzten, der der SS angehörte, und kam zu dem Ergebnis: Man kann mit einem solchen Menschen leben und arbeiten.
Heise: Über die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit beim Bundesnachrichtendienst spreche ich mit dem ehemaligen Abteilungsleiter im BND, mit Wolpert Smidt. Herr Smidt, Sie waren bis 2001 beim BND, also noch in der Zeit vor dem jetzigen Chef Uhrlau. Wie stand es da um die Aufarbeitung, ging das dann irgendwann mal los?
Smidt: Das Problem ist: Der BND hat sich nie um seine Geschichte gekümmert, wenn ich jetzt mal absehe von der Bereinigung im SS-Bereich, die wir erörtert haben. Es gab keine Stelle, die sich mit der Geschichte beschäftigte, im Unterschied zur CIA und übrigens auch zum KGB, wo man sehr intensiv die Geschichte aufarbeitet. Das gab es beim BND nicht. Das habe ich immer sehr bedauert. Es gab eine sehr starke Konzentration auf die aktuellen, auf die strategischen Aufgaben, aber die Geschichte wurde links liegengelassen. Herr Uhrlau war im Grunde der Erste, der sich intensiver mit dieser Frage beschäftigt hat ...
Heise: ... der kam 2005.
Smidt: ... als neuer Präsident des BND, wobei: Eine Rolle spielt zweifellos, dass die Zeit reif war für die Aufarbeitung. Auch in anderen Bereichen hat man das erkannt, auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz hat man es erkannt, dass die Vergangenheit aufzuarbeiten war, auch im Bundeskriminalamt gab es sehr intensive Anstrengungen auf diesem Gebiet, sodass der BND eigentlich darauf angewiesen war, hier mitzumachen und problembewusst zu sein. Seine erste Überlegung war schon 2006, eine Historikerkommission einzurichten, die sich mit der Vergangenheit beschäftigt, übrigens nicht nur mit der Vergangenheit im Bereich der SS oder der Naziverstrickung, sondern mit der Vergangenheit des Dienstes insgesamt: Welche Leistungen hat er gebracht, wie wurde er akzeptiert von den jeweiligen Regierungen, und vieles andere mehr. Und das ist jetzt endlich soweit, dass die Bundesregierung, dass das Bundeskanzleramt in der Lage ist, zu sagen, ja, das machen wir, wir finanzieren das und wir stellen auch das Personal zur Verfügung.
Heise: Das heißt, das ist eine ganz aktuelle Nachricht, dass es jetzt eine solche Historikerkommission geben wird im BND?
Smidt: Ja. Es wird die geben, das ist akzeptiert, sowohl von der Regierung als auch vom BND. Es gibt Hinweise darauf, dass ein Mitglied übrigens meines Vereins, des Gesprächskreises "Nachrichtendienste", der Professor Krieger, Leiter dieser Kommission wird. Es ist ein ausgewiesener Historiker, der sich insbesondere sehr intensiv mit der Vergangenheit von Diensten beschäftigt hat. Er hat eine Geschichte der Geheimdienste veröffentlicht, erst vor kurzer Zeit. Er hat also wesentliche Voraussetzungen, um das zu machen. Aber neben dieser Historikerkommission wird eine eigene interne Kommission existieren beim BND, die mit hauptamtlichem Personal versucht, die Akten zu ordnen, aufzubereiten, unter Aufsicht, unter Steuerung durch die Historikerkommission.
Heise: Und da ist es jetzt im BND nicht zu erwarten, dass es da irgendwie Ablehnung dagegen gibt?
Smidt: Nein, das wird allgemein eingesehen, zumal zu erwarten ist, dass nicht nur Negatives dabei zur Sprache kommt, sondern es geht auch darum, dass eine solche Aufarbeitung zu dem Ergebnis führt, dass der BND Leistungen vollbracht hat im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, im Interesse der Außenpolitik der Bundesrepublik, im Interesse auch insgesamt der Entwicklung unseres Landes, im Verhältnis auch zu anderen Ländern, im Bereich des Bündnisses zum Beispiel, im Rahmen der NATO, im Rahmen der EU und so weiter.
Heise: Erwarten Sie denn Überraschungen oder ein Ähnliches Erstaunen wie jetzt beim Außenamt bei dem, was dann da jetzt auf die NS-Vergangenheit bezogen rauskommen wird?
Smidt: Also nachdem es schon 1965 einige Überraschungen gab und die Möglichkeiten der vollständigen Erfassung natürlich damals begrenzt gewesen sind, will ich nicht völlig ausschließen, dass es jetzt bei der Aufbereitung der Geschichte immer noch Überraschungen gibt, in positiver oder auch in negativer Richtung, aber das muss man in Kauf nehmen, das gehört zu den Risiken einer solchen historischen Arbeit dazu.
Heise: Sagt Wolbert Smidt, ehemaliger Abteilungsleiter im BND, über die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit im Bundesnachrichtendienst. Schönen Dank, Herr Smidt, für Ihr Kommen!
Smidt: Bitte sehr!
Wolbert K. Smidt: Guten Tag!
Heise: Hören wir uns gemeinsam, Herr Smidt, einen Gesprächsausschnitt an. Gestern haben wir den aufgenommen, gestern sagte nämlich der Historiker Ulrich Herbert im "Radiofeuilleton":
Ulrich Herbert: Der BND kann in manchen Punkten als eine Art von Auffangorganisation des Reichssicherheitshauptamtes gelten, über 200 vor allen Dingen führende Leute sind in den BND übergeleitet worden. Das ist in dieser Form nicht bekannt gewesen. Und in Karlsruhe hat es eine gewissermaßen Nebenstelle des BND gegeben, in der eine große Zahl sogenannter Ostexperten saß, von denen wiederum ein erheblicher Teil nun mit der unmittelbaren Tatausführung des Judenmords beauftragt gewesen war, also Einsatzgruppenmänner, Massenmörder, das hat nun doch alles übertroffen, was wir bisher wussten. Hier geht es um die Kontinuität, sagen wir mal, von regelrechten Massenmördern, von denen manche Hunderte oder Tausende von Menschen eigenhändig erschossen haben. Das ist natürlich dann doch noch mal eine andere Dimension.
Heise: Das sagte der Historiker Ulrich Herbert im Deutschlandradio Kultur. Herr Smidt, hat der Historiker Recht?
Smidt: Nein. Also in dieser Art und Weise, wie hier über den BND und seine Vergangenheit geredet wird – und zur Vergangenheit gehört die Organisation Gehlen –, ist es wirklich nicht angemessen. Ich kann sagen: 200 Leute aus dem SS-Bereich – nicht allein aus dem Reichssicherheitshauptamt – waren zweifellos mit der Zeit zur Organisation Gehlen gekommen.
Heise: Das war der Vorläufer des BND.
Smidt: Das war der Vorläufer des BND, der ja erst 1956 dann offiziell als Bundesinstitution entstanden ist. Und viel mehr kann man sagen, dass die Organisation Gehlen ein Auffangbecken gewesen ist für Offiziere, die sich mit dem militärischen Nachrichtenwesen während des Dritten Reiches befasst haben, sowohl bei der Abwehr von Canaris als auch in der Institution Fremde Heere Ost.
Heise: Aus dem ja Gehlen stammt.
Smidt: Aus der Gehlen stammt.
Heise: Genau. Es gab Anfang der 60er-Jahre eine Ermittlungsgruppe im BND, die Ermittlungsgruppe 85, die eben die angesprochenen 200 Mitarbeiter überprüfte, 200 Mitarbeiter, die eben eine SS-Vergangenheit hatten, und 70 davon wurden dann auch entlassen. Was waren das ... also das waren eben die erkannten Massenmörder zum Teil, die tatsächlich selber gemordet hatten. Was waren die anderen?
Smidt: Die anderen gehörten ebenfalls früher der SS an, waren aber nicht an Exekutionen von Juden beteiligt, nicht unmittelbar beteiligt an Tötungen und an Repression unmittelbar, sondern das waren Leute, die in Stäben tätig gewesen sind, und sich mit der Zeit auch beim BND beziehungsweise bei der Vorläuferorganisation Organisation Gehlen bewährt hatten. Also die gravierenden Fälle wurden ausgeschieden, während andere Fälle, von denen ich auch einige kannte im Laufe meiner Tätigkeit im BND, weiter bleiben konnten und sich bewährt haben, auch im Hinblick auf die demokratische Institution Bundesnachrichtendienst.
Heise: Wie gründlich, wie neutral, wie rückhaltlos eigentlich war diese Aufklärung damals unter Gehlen, der ja selber eben führender Geheimdienstmann unter den Nazis war?
Smidt: Also ich möchte zunächst noch mal sagen: Es ist nichts Ungewöhnliches gewesen, dass Leute aus der SS und aus dem Nazibereich in der Bundesrepublik Deutschland, den Anfängen der Bundesrepublik, in verschiedensten Institutionen verwendet wurden, nicht nur beim Auswärtigen Amt, wovon jetzt ständig die Rede ist, sondern zum Beispiel das Bundeskriminalamt bestand in der Führungsgruppe, einschließlich Referatsleiter, im Wesentlichen aus ehemaligen Nazis beziehungsweise aus Gestapo-Leuten, also auch SS-Leuten. Das war etwas ganz Normales und gehörte einfach zu der Notwendigkeit, Fachleute zu gewinnen, die in der Lage waren, die neuen Herausforderungen, die sich aus dem Kalten Krieg insbesondere ergaben, zu bestehen. Und die Amerikaner haben das offensichtlich genauso gesehen wie die Deutschen, die Amerikaner nämlich waren es, die auch ihrerseits ja zuständig waren für die Organisation Gehlen und dafür gesorgt haben, dass solche ehemaligen SS-Leute engagiert wurden zum Aufbau von Gegenspionagestellen, die dringend notwendig waren, um die Angriffe vonseiten der östlichen Nachrichtendienste abzuwehren.
Heise: Das heißt, wie interessiert war man eigentlich an dem Erfahren über die Vergangenheit des einzelnen Mitarbeiters Anfang der 60er tatsächlich?
Smidt: Das ist ganz offensichtlich systematisch etwas verschleiert oder zurückgedrängt worden, damit hat man sich nicht näher beschäftigt. Aber das war eine allgemeine Haltung in Deutschland. Man hat damals noch nicht die Reife gehabt, so will ich mal sagen, um all diese Schrecklichkeiten aufzuarbeiten und das auch so zu behandeln, dass man Personen, die damals verwickelt waren, auf keinen Fall einstellen wollte. Das war allgemein nicht üblich in der damaligen Zeit, in den 40er-, 50er-Jahren.
Heise: Sie sind 1966 zum BND gekommen, und Sie haben es ja eben auch angedeutet, dass Sie da natürlich noch Menschen begegnet sind, sehr nah begegnet sind, die eben eine solche Vergangenheit hatten. Wie sind Sie damit umgegangen?
Smidt: Also ich bin in den BND eingetreten, nachdem ich ein längeres Gespräch gehabt habe mit Angehörigen des Dienstes über diese Frage der SS-Zugehörigkeit von Angehörigen des Dienstes. Mir war das durchaus als Problem bewusst, und ich habe die Frage gestellt: Ist es wirklich so, dass der BND beherrscht ist und geprägt ist von der SS-Vergangenheit seiner Mitarbeiter? Und daraufhin wurde mir sehr deutlich gesagt, was alles geschehen ist, um damit fertigzuwerden. Da ist übrigens auch der Hinweis gegeben worden auf diese Stelle, die sich 1965 befasst hat mit der Aufarbeitung der Vergangenheit von 200 SS-Leuten, ...
Heise: ... die ich vorhin erwähnt habe, ...
Smidt: ... die Sie erwähnt haben, und sodass ich einigermaßen beruhigt in den BND eingetreten bin. Wenn ich im Laufe meiner Laufbahn dann Leute getroffen habe, die zum Teil meine Vorgesetzten waren, die der früheren SS zuzurechnen waren, dann waren meine Erfahrungen in der Regel positiv. Ich bin ein sehr bewusster Demokrat und ein sehr kritischer Demokrat, habe ihn auch in Gespräche verwickelt, meinen damaligen Vorgesetzten, der der SS angehörte, und kam zu dem Ergebnis: Man kann mit einem solchen Menschen leben und arbeiten.
Heise: Über die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit beim Bundesnachrichtendienst spreche ich mit dem ehemaligen Abteilungsleiter im BND, mit Wolpert Smidt. Herr Smidt, Sie waren bis 2001 beim BND, also noch in der Zeit vor dem jetzigen Chef Uhrlau. Wie stand es da um die Aufarbeitung, ging das dann irgendwann mal los?
Smidt: Das Problem ist: Der BND hat sich nie um seine Geschichte gekümmert, wenn ich jetzt mal absehe von der Bereinigung im SS-Bereich, die wir erörtert haben. Es gab keine Stelle, die sich mit der Geschichte beschäftigte, im Unterschied zur CIA und übrigens auch zum KGB, wo man sehr intensiv die Geschichte aufarbeitet. Das gab es beim BND nicht. Das habe ich immer sehr bedauert. Es gab eine sehr starke Konzentration auf die aktuellen, auf die strategischen Aufgaben, aber die Geschichte wurde links liegengelassen. Herr Uhrlau war im Grunde der Erste, der sich intensiver mit dieser Frage beschäftigt hat ...
Heise: ... der kam 2005.
Smidt: ... als neuer Präsident des BND, wobei: Eine Rolle spielt zweifellos, dass die Zeit reif war für die Aufarbeitung. Auch in anderen Bereichen hat man das erkannt, auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz hat man es erkannt, dass die Vergangenheit aufzuarbeiten war, auch im Bundeskriminalamt gab es sehr intensive Anstrengungen auf diesem Gebiet, sodass der BND eigentlich darauf angewiesen war, hier mitzumachen und problembewusst zu sein. Seine erste Überlegung war schon 2006, eine Historikerkommission einzurichten, die sich mit der Vergangenheit beschäftigt, übrigens nicht nur mit der Vergangenheit im Bereich der SS oder der Naziverstrickung, sondern mit der Vergangenheit des Dienstes insgesamt: Welche Leistungen hat er gebracht, wie wurde er akzeptiert von den jeweiligen Regierungen, und vieles andere mehr. Und das ist jetzt endlich soweit, dass die Bundesregierung, dass das Bundeskanzleramt in der Lage ist, zu sagen, ja, das machen wir, wir finanzieren das und wir stellen auch das Personal zur Verfügung.
Heise: Das heißt, das ist eine ganz aktuelle Nachricht, dass es jetzt eine solche Historikerkommission geben wird im BND?
Smidt: Ja. Es wird die geben, das ist akzeptiert, sowohl von der Regierung als auch vom BND. Es gibt Hinweise darauf, dass ein Mitglied übrigens meines Vereins, des Gesprächskreises "Nachrichtendienste", der Professor Krieger, Leiter dieser Kommission wird. Es ist ein ausgewiesener Historiker, der sich insbesondere sehr intensiv mit der Vergangenheit von Diensten beschäftigt hat. Er hat eine Geschichte der Geheimdienste veröffentlicht, erst vor kurzer Zeit. Er hat also wesentliche Voraussetzungen, um das zu machen. Aber neben dieser Historikerkommission wird eine eigene interne Kommission existieren beim BND, die mit hauptamtlichem Personal versucht, die Akten zu ordnen, aufzubereiten, unter Aufsicht, unter Steuerung durch die Historikerkommission.
Heise: Und da ist es jetzt im BND nicht zu erwarten, dass es da irgendwie Ablehnung dagegen gibt?
Smidt: Nein, das wird allgemein eingesehen, zumal zu erwarten ist, dass nicht nur Negatives dabei zur Sprache kommt, sondern es geht auch darum, dass eine solche Aufarbeitung zu dem Ergebnis führt, dass der BND Leistungen vollbracht hat im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, im Interesse der Außenpolitik der Bundesrepublik, im Interesse auch insgesamt der Entwicklung unseres Landes, im Verhältnis auch zu anderen Ländern, im Bereich des Bündnisses zum Beispiel, im Rahmen der NATO, im Rahmen der EU und so weiter.
Heise: Erwarten Sie denn Überraschungen oder ein Ähnliches Erstaunen wie jetzt beim Außenamt bei dem, was dann da jetzt auf die NS-Vergangenheit bezogen rauskommen wird?
Smidt: Also nachdem es schon 1965 einige Überraschungen gab und die Möglichkeiten der vollständigen Erfassung natürlich damals begrenzt gewesen sind, will ich nicht völlig ausschließen, dass es jetzt bei der Aufbereitung der Geschichte immer noch Überraschungen gibt, in positiver oder auch in negativer Richtung, aber das muss man in Kauf nehmen, das gehört zu den Risiken einer solchen historischen Arbeit dazu.
Heise: Sagt Wolbert Smidt, ehemaliger Abteilungsleiter im BND, über die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit im Bundesnachrichtendienst. Schönen Dank, Herr Smidt, für Ihr Kommen!
Smidt: Bitte sehr!