"Das war für uns eine ganz normale Einzeleinlieferung"
Cornelius Gurlitt hat noch nach der Beschlagnahmung seines Raubkunst-Konvoluts im Jahr 2011 ein Gemälde von Max Beckmann in den Kunsthandel gebracht. An der Legalität des Verkaufs habe kein Zweifel bestanden, sagt der Kunsthändler Karl-Sax Feddersen vom Auktionshaus Lempertz. Außerdem sei eine "Restitutionsvereinbarung" mit den Nachkommen des enteigneten jüdischen Besitzers getroffen worden.
Frank Meyer: Diese Nachricht klingt wirklich nach einer Sensation: Bayrische Zollfahnder haben einen enormen Kunstschatz beschlagnahmt – 1500 Werke, viele davon von hochrangigen Künstlern der Avantgarde. Diese Werke wurden bei Cornelius Gurlitt gefunden, das ist der Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, der eine Schlüsselfigur war im Handel mit der sogenannten entarteten Kunst in der NS-Zeit.
Der Fund der bayrischen Zollfahnder wurde lange geheim gehalten, sie hatten schon im Frühjahr 2011 zugegriffen, aber im Herbst 2011 hat Cornelius Gurlitt trotzdem ein weiteres bedeutendes Werk zum Verkauf angeboten, ein großformatiges Werk von Max Beckmann, "Der Löwenbändiger" aus dem Jahr 1930. Gurlitt hat dieses Werk über das Kölner Auktionshaus Lempertz verkauft.
Ich habe kurz vor der Sendung mit Karl-Sax Feddersen gesprochen, er ist einer der Geschäftsführer dieses Auktionshauses. Die erste Frage an ihn: Wie ging das vor sich, dieses Angebot von Cornelius Gurlitt?
Karl-Sax Feddersen: Herr Gurlitt hat sich telefonisch an unsere Münchner Dependance gewandt.
Meyer: Und ihnen von diesem Bild erzählt, dass von seiner Seite zum Verkauf steht?
Feddersen: Genau. Er hat dann eben telefonisch zunächst uns eben dieses Beckmann-Pastell angeboten, und es dann auch in München in einer Privatwohnung der Mitarbeiterin unseres Hauses dort übergeben.
Meyer: Das Bild soll in einem sehr schlechten Zustand gewesen sein, wird berichtet. Stimmt das?
Feddersen: Das Bild war restaurierungsbedürftig, sagen wir es mal so, ja.
Meyer: Was heißt das?
Feddersen: Es war verstaubt und hatte auch einen Riss. Das tat der Qualität und einfach auch der Bedeutung des Bildes keinen großen Abbruch.
Meyer: Hatten Sie schon vorher mit Cornelius Gurlitt zusammengearbeitet?
Feddersen: Nein, nie. Er ist wirklich erst im Herbst 2011 auf uns zugekommen. Jetzt, wenn man die Chronologie sich so anschaut, sehr wahrscheinlich, nachdem er mit der Schweiz keine Geschäfte mehr machen wollte, jemanden gesucht hat, mit dem er in Deutschland zusammenarbeiten kann. Aber es ist auch nur dieses eine Bild gewesen und darüber hinaus nichts.
Meyer: Sie werden ja sicher hellhörig, wenn Sie den Namen Gurlitt hören, weil Sie wissen, dass der Vater Hildebrand Gurlitt eine so wichtige Rolle gespielt hat im Handel mit NS-Raubkunst. Wie haben Sie dann überprüft, ob dieses Beckmann-Bild tatsächlich Cornelius Gurlitt gehört?
Feddersen: Das Bild ist auch in der Forschung bekannt, es ist im Werkverzeichnis der Papierarbeiten erwähnt, dort mit der Provenienz eben auch Flechtheim und danach Gurlitt, also schon aus der Literatur konnten Sie wissen, dass Hildebrand Gurlitt dieses Bild mal besessen hat.
Meyer: Dann gibt es bei so einer Sachlage für Sie keinen Grund, weiter nachzufragen?
Feddersen: Das war für uns eine ganz normale Einzeleinlieferung. Es hat ja damals keiner ahnen können, dass Herr Gurlitt auf einem Riesen-Hort sitzt. Das war also ein alter Herr mit einem prominenten Namen, der ein Bild einlieferte und sich nachher auch als großartiger Gentleman gerierte, als es darum ging, eben auch mit dem Flechtheim-Nachlass eine gütliche Vereinbarung zu treffen. Da hat Herr Gurlitt sich vorbildlich und sehr kooperativ verhalten. Also wir sind zu keinem Zeitpunkt irgendwie dazu veranlasst gewesen, an der Redlichkeit des Herrn Gurlitt zu zweifeln.
Meyer: Haben Sie ihn damals gefragt, ob er noch mehr Bilder von Max Beckmann oder von anderen anzubieten hätte?
Feddersen: Hören Sie, ich bin Händler, natürlich versuche ich in solchen Situationen irgendwie aus den Leuten Informationen rauszukitzeln, und wenn jemand mit so einem kapitalen, wunderbaren Blatt kommt, mit dem Namen eines der bekanntesten Händler des 20. Jahrhunderts, dann versuche ich natürlich irgendwie was rauszufinden. Aber er hat nichts erzählt, und es stellte sich dann uns wirklich nachher so dar, als würde da ein alter Herr quasi sein letztes wichtiges Stück verkaufen, um für seinen Lebensabend noch ein bisschen Geld zu haben.
Meyer: Sie haben das schon angesprochen: Es gab ja dann eine Einigung zwischen Cornelius Gurlitt und den Erben des Kunstsammlers Alfred Flechtheim, dem das Bild von Max Beckmann früher gehört hatte. Wie sah diese Einigung eigentlich aus?
Feddersen: Na ja, das ist eine ganz gewöhnliche Restitutionsvereinbarung gewesen, bei der man sich darauf geeinigt hat, den Erlös aus dem Verkauf des Blattes zwischen den Anspruchstellern und eben dem Eigentümer zu teilen. Und im Gegenzug dazu haben eben die Flechtheim-Erben ihre Ansprüche an dem Bild aufgegeben.
Meyer: Gewöhnliche Einigung sagen Sie, weil dieser Fall auch in Ihrer Praxis öfter vorkommt?
Feddersen: Sicher, das sind die ganz normalen Restitutionsfälle, in denen Werke auftauchen, deren Provenienz eben aus jüdischem Besitz ist, wo Sie dann heute eben heute irgendwie im Sinne der Washingtoner Erklärung eine gütliche Einigung herbeiführen sollen, um solche Ansprüche eben abzugelten.
Meyer: Und wie wurde bei diesem Vorgang rekonstruiert, wie dieses Bild eigentlich übergegangen ist in den Besitz von Hildebrand Gurlitt vom Kunsthändler Flechtheim, unter welchen Umständen?
Feddersen: Das ließ sich schwer mit letzter Sicherheit rekonstruieren. Sie konnten das eben nur anhand der Informationen, die uns der Flechtheim-Nachlass mitgab, anhand eines Briefwechsels mit einem anderen New Yorker Kunsthändler … Wenn wir jetzt die Unterlagen des Händlers Hildebrand Gurlitt dazu gehabt hätten, ja, dann wäre es sicherlich einfacher gewesen. Also es sprach dann einfach nachher sehr viel dafür, dass Flechtheim das Blatt nach '33 eben verfolgungsbedingt verkauft hat. Aber so richtig mit letzter Gewissheit belegen ließ sich das auch nicht.
Meyer: Ein großer Kunstfund in München: 1500 Werke wurden in der Wohnung von Cornelius Gurlitt beschlagnahmt. Über den Verkauf eines Max-Beckmann-Bildes aus den Beständen von Cornelius Gurlitt haben wir mit Karl-Sax Feddersen vom Auktionshaus Lempertz gesprochen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Der Fund der bayrischen Zollfahnder wurde lange geheim gehalten, sie hatten schon im Frühjahr 2011 zugegriffen, aber im Herbst 2011 hat Cornelius Gurlitt trotzdem ein weiteres bedeutendes Werk zum Verkauf angeboten, ein großformatiges Werk von Max Beckmann, "Der Löwenbändiger" aus dem Jahr 1930. Gurlitt hat dieses Werk über das Kölner Auktionshaus Lempertz verkauft.
Ich habe kurz vor der Sendung mit Karl-Sax Feddersen gesprochen, er ist einer der Geschäftsführer dieses Auktionshauses. Die erste Frage an ihn: Wie ging das vor sich, dieses Angebot von Cornelius Gurlitt?
Karl-Sax Feddersen: Herr Gurlitt hat sich telefonisch an unsere Münchner Dependance gewandt.
Meyer: Und ihnen von diesem Bild erzählt, dass von seiner Seite zum Verkauf steht?
Feddersen: Genau. Er hat dann eben telefonisch zunächst uns eben dieses Beckmann-Pastell angeboten, und es dann auch in München in einer Privatwohnung der Mitarbeiterin unseres Hauses dort übergeben.
Meyer: Das Bild soll in einem sehr schlechten Zustand gewesen sein, wird berichtet. Stimmt das?
Feddersen: Das Bild war restaurierungsbedürftig, sagen wir es mal so, ja.
Meyer: Was heißt das?
Feddersen: Es war verstaubt und hatte auch einen Riss. Das tat der Qualität und einfach auch der Bedeutung des Bildes keinen großen Abbruch.
Meyer: Hatten Sie schon vorher mit Cornelius Gurlitt zusammengearbeitet?
Feddersen: Nein, nie. Er ist wirklich erst im Herbst 2011 auf uns zugekommen. Jetzt, wenn man die Chronologie sich so anschaut, sehr wahrscheinlich, nachdem er mit der Schweiz keine Geschäfte mehr machen wollte, jemanden gesucht hat, mit dem er in Deutschland zusammenarbeiten kann. Aber es ist auch nur dieses eine Bild gewesen und darüber hinaus nichts.
Meyer: Sie werden ja sicher hellhörig, wenn Sie den Namen Gurlitt hören, weil Sie wissen, dass der Vater Hildebrand Gurlitt eine so wichtige Rolle gespielt hat im Handel mit NS-Raubkunst. Wie haben Sie dann überprüft, ob dieses Beckmann-Bild tatsächlich Cornelius Gurlitt gehört?
Feddersen: Das Bild ist auch in der Forschung bekannt, es ist im Werkverzeichnis der Papierarbeiten erwähnt, dort mit der Provenienz eben auch Flechtheim und danach Gurlitt, also schon aus der Literatur konnten Sie wissen, dass Hildebrand Gurlitt dieses Bild mal besessen hat.
Meyer: Dann gibt es bei so einer Sachlage für Sie keinen Grund, weiter nachzufragen?
Feddersen: Das war für uns eine ganz normale Einzeleinlieferung. Es hat ja damals keiner ahnen können, dass Herr Gurlitt auf einem Riesen-Hort sitzt. Das war also ein alter Herr mit einem prominenten Namen, der ein Bild einlieferte und sich nachher auch als großartiger Gentleman gerierte, als es darum ging, eben auch mit dem Flechtheim-Nachlass eine gütliche Vereinbarung zu treffen. Da hat Herr Gurlitt sich vorbildlich und sehr kooperativ verhalten. Also wir sind zu keinem Zeitpunkt irgendwie dazu veranlasst gewesen, an der Redlichkeit des Herrn Gurlitt zu zweifeln.
Meyer: Haben Sie ihn damals gefragt, ob er noch mehr Bilder von Max Beckmann oder von anderen anzubieten hätte?
Feddersen: Hören Sie, ich bin Händler, natürlich versuche ich in solchen Situationen irgendwie aus den Leuten Informationen rauszukitzeln, und wenn jemand mit so einem kapitalen, wunderbaren Blatt kommt, mit dem Namen eines der bekanntesten Händler des 20. Jahrhunderts, dann versuche ich natürlich irgendwie was rauszufinden. Aber er hat nichts erzählt, und es stellte sich dann uns wirklich nachher so dar, als würde da ein alter Herr quasi sein letztes wichtiges Stück verkaufen, um für seinen Lebensabend noch ein bisschen Geld zu haben.
Meyer: Sie haben das schon angesprochen: Es gab ja dann eine Einigung zwischen Cornelius Gurlitt und den Erben des Kunstsammlers Alfred Flechtheim, dem das Bild von Max Beckmann früher gehört hatte. Wie sah diese Einigung eigentlich aus?
Feddersen: Na ja, das ist eine ganz gewöhnliche Restitutionsvereinbarung gewesen, bei der man sich darauf geeinigt hat, den Erlös aus dem Verkauf des Blattes zwischen den Anspruchstellern und eben dem Eigentümer zu teilen. Und im Gegenzug dazu haben eben die Flechtheim-Erben ihre Ansprüche an dem Bild aufgegeben.
Meyer: Gewöhnliche Einigung sagen Sie, weil dieser Fall auch in Ihrer Praxis öfter vorkommt?
Feddersen: Sicher, das sind die ganz normalen Restitutionsfälle, in denen Werke auftauchen, deren Provenienz eben aus jüdischem Besitz ist, wo Sie dann heute eben heute irgendwie im Sinne der Washingtoner Erklärung eine gütliche Einigung herbeiführen sollen, um solche Ansprüche eben abzugelten.
Meyer: Und wie wurde bei diesem Vorgang rekonstruiert, wie dieses Bild eigentlich übergegangen ist in den Besitz von Hildebrand Gurlitt vom Kunsthändler Flechtheim, unter welchen Umständen?
Feddersen: Das ließ sich schwer mit letzter Sicherheit rekonstruieren. Sie konnten das eben nur anhand der Informationen, die uns der Flechtheim-Nachlass mitgab, anhand eines Briefwechsels mit einem anderen New Yorker Kunsthändler … Wenn wir jetzt die Unterlagen des Händlers Hildebrand Gurlitt dazu gehabt hätten, ja, dann wäre es sicherlich einfacher gewesen. Also es sprach dann einfach nachher sehr viel dafür, dass Flechtheim das Blatt nach '33 eben verfolgungsbedingt verkauft hat. Aber so richtig mit letzter Gewissheit belegen ließ sich das auch nicht.
Meyer: Ein großer Kunstfund in München: 1500 Werke wurden in der Wohnung von Cornelius Gurlitt beschlagnahmt. Über den Verkauf eines Max-Beckmann-Bildes aus den Beständen von Cornelius Gurlitt haben wir mit Karl-Sax Feddersen vom Auktionshaus Lempertz gesprochen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.