"Das war politisch so gewollt"
Durch die Politik der Zusatzbeiträge habe ein sich verstärkender Prozess der Marktbereinigung bei den Krankenkassen eingesetzt, sagt Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen.
Marianne Allweiss: Für einige Krankenkassen wird es also eng. Und wenn die nächsten dann - vielleicht auch größere - Insolvenz anmelden, bedeutet das nichts gutes für viele Versicherte. Stefan Etgeton ist Gesundheitsexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, hallo!
Stefan Etgeton: Schönen guten Tag, Frau Allweiss!
Allweiss: Herr Etgeton, jeder Versicherte hat das Recht, sich eine neue Krankenkasse auszusuchen, die darf ihn nicht ablehnen – soweit das Gesetz. Wenn die Kassen sich aber sperren, wie wir gerade gehört haben, was kann ich als Verbraucher dann machen?
Etgeton: Also, ich kann mir einen Mitgliedsantrag besorgen, den schriftlich stellen und dem muss Genüge geleistet werden, das heißt, ich muss aufgenommen werden. Ich empfehle immer, sich diese Ablehnungsgründe schriftlich geben zu lassen – in der Regel gehen dann die Kassen davon ab, weil sie auch wissen, dass sie damit einen Rechtsbruch begründen würden.
Von daher sollte man sich als Versicherter da nicht ablenken lassen. Es empfiehlt sich aber, die Zeit bis zum 1. Juli zu nutzen, um sich kundig zu machen: Welche Kasse ist für mich die geeignete? Da gibt es Portale wie zum Beispiel bei der Stiftung Warentest den Produktfinder Krankenkassen, wo man Kassen auch miteinander vergleichen kann. Man sollte nicht gleich die erstbeste Kasse wählen, die man irgendwo mal in der Öffentlichkeit aufgeschnappt hat, sondern es lohnt sich durchaus, in manchen Fragen auch Kassen zu vergleichen.
Allweiss: Und wenn das alles nichts hilft, an wen wende ich mich dann?
Etgeton: Wenn das nichts hilft, dann kann ich mich an das Bundesversicherungsamt wenden, Herr Gassner wurde ja schon zitiert, der wird dem dann nachgehen – das hat er ja nun auch deutlich gesagt –, oder auch an die Politik, an den Patientenbeauftragten. Man kann solche Beschwerden auch bei der unabhängigen Patientenberatung loswerden oder bei der Verbraucherzentrale.
Allweiss: Für die Versicherten der City-BKK gibt es jetzt verschiedene Vorschläge: Es wird über eine Quotenregelung diskutiert oder auch darüber, dass ihnen eine Ersatzkasse vorgeschlagen werden soll. Was wäre denn eine Lösung ihrer Meinung nach?
Etgeton: Darüber sollte sich die Politik tatsächlich Gedanken machen. Die City-BKK ist eine vergleichsweise noch kleine Krankenkasse. Aber wenn das selbe Schicksal eine größere Krankenkasse treffen sollte, dann muss man sich sicher Gedanken darüber machen, wie man die Versicherten verteilt. Da müsste zum Beispiel der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung von Gesetzes wegen in die Lage versetzt werden, die Versicherten nach einem bestimmten Schlüssel gleichmäßig auf die anderen Kassen aufzuteilen.
Allweiss: Können die Versicherten dieser ersten insolventen Krankenkasse eigentlich ihren Tarif behalten, oder werden sie neu eingruppiert und müssen dann wahrscheinlich mehr bezahlen als bisher?
Etgeton: Nein, die Tarife – das ist ja anders als in der privaten Krankenversicherung, da gibt es individuell unterschiedliche Tarife, das ist in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht so. Es gilt der gesetzlich einheitliche Beitragssatz. Es kann sein, dass ich dann in eine Kasse komme, die einen Zusatzbeitrag erhebt. Da habe ich aber dann die Möglichkeit, die Kasse zu wechseln, oder man sollte sich sowieso nicht zuweisen lassen, sondern man sollte die Kasse möglichst aus eigenen Stücken wechseln, aber es gibt keine individuellen Beiträge oder Tarife.
Etwas anderes ist es, wenn ich mit der Kasse einen Hausarztvertrag abgeschlossen habe oder einen Wahltarif abgeschlossen habe. Der ist natürlich nichtig, wenn die Kasse geschlossen wird oder in die Insolvenz geht, da müsste ich dann bei der neuen Kasse gucken, ob die Wahltarife attraktiv sind oder nicht. Aber dafür empfiehlt sich gerade eben der Produktfinder bei der Stiftung Warentest.
Allweiss: Die vereinigte IKK ist auch in Finanznot – immerhin eine Kasse mit mehr als einer Millionen Versicherten. Steht es um die Finanzlage der Krankenkassen im allgemeinen denn wirklich so schlimm? Es gibt ja auch immer wieder anderslautende Berichte, zum Beispiel von der DAK, die das fleißig dementiert.
Etgeton: Nein, grundsätzlich haben die Kassen mit dem erhöhten Beitragssatz – wir haben ja im Januar deutlich erhöhte Beiträge erlebt, immerhin sechs Milliarden Euro sind da in den Fonds geflossen -, insofern haben die Kassen insgesamt eher wahrscheinlich Überschüsse zum Ende des Jahres.
Das heißt, das sind jetzt schon individuelle Fälle, es sind auch die Krankenkassen, die auch in der Vergangenheit schon eher die hohen Beiträge verlangt haben, es sind individuelle Kassen, individuelle Zustände, bei der City-BKK war es eben so, dass sie in Hamburg und Berlin vorrangig tätig war. Das sind Metropolregionen, da ist im Durchschnitt die Versorgung teurer, weil wir dort viel mehr Fachärzte haben. Das macht einfach Versorgung teurer, nicht unbedingt besser. Und es ist auch ein Stück weit die Frage, dass manche Kassen auch zu klein sind, um im Wettbewerb zu bestehen und dann keinen Fusionspartner finden, um sich zu vergrößern.
Allweiss: Dann funktioniert das neue System der Krankenkassen also doch! Oder gibt es ihrer Meinung nach auch Schwierigkeiten?
Etgeton: Also, es ist ja gewollt gewesen, dass wir weniger Krankenkassen haben. Ulla Schmidt hat seinerzeit von 50 Kassen gesprochen, und man hat den Wettbewerb angetrieben, auch mit dem Zusatzbeitrag, der verstärkt im Grunde ja dann auch diesen Mechanismus – wenn eine Kasse einen Zusatzbeitrag erhebt, der überdurchschnittlich ist, werden mehr Leute die Kasse verlassen, das heißt, die Kasse kriegt höhere Probleme, das heißt, das ist ein sich verstärkender Prozess, der zu einer Marktbereinigung führt. Das war politisch so gewollt, und das hat dann jetzt diese Konsequenzen.
Allweiss: Informationen von Stefan Etgeton vom Verbraucherzentrale-Bundesverband, danke schön!
Etgeton: Bitte sehr!
Stefan Etgeton: Schönen guten Tag, Frau Allweiss!
Allweiss: Herr Etgeton, jeder Versicherte hat das Recht, sich eine neue Krankenkasse auszusuchen, die darf ihn nicht ablehnen – soweit das Gesetz. Wenn die Kassen sich aber sperren, wie wir gerade gehört haben, was kann ich als Verbraucher dann machen?
Etgeton: Also, ich kann mir einen Mitgliedsantrag besorgen, den schriftlich stellen und dem muss Genüge geleistet werden, das heißt, ich muss aufgenommen werden. Ich empfehle immer, sich diese Ablehnungsgründe schriftlich geben zu lassen – in der Regel gehen dann die Kassen davon ab, weil sie auch wissen, dass sie damit einen Rechtsbruch begründen würden.
Von daher sollte man sich als Versicherter da nicht ablenken lassen. Es empfiehlt sich aber, die Zeit bis zum 1. Juli zu nutzen, um sich kundig zu machen: Welche Kasse ist für mich die geeignete? Da gibt es Portale wie zum Beispiel bei der Stiftung Warentest den Produktfinder Krankenkassen, wo man Kassen auch miteinander vergleichen kann. Man sollte nicht gleich die erstbeste Kasse wählen, die man irgendwo mal in der Öffentlichkeit aufgeschnappt hat, sondern es lohnt sich durchaus, in manchen Fragen auch Kassen zu vergleichen.
Allweiss: Und wenn das alles nichts hilft, an wen wende ich mich dann?
Etgeton: Wenn das nichts hilft, dann kann ich mich an das Bundesversicherungsamt wenden, Herr Gassner wurde ja schon zitiert, der wird dem dann nachgehen – das hat er ja nun auch deutlich gesagt –, oder auch an die Politik, an den Patientenbeauftragten. Man kann solche Beschwerden auch bei der unabhängigen Patientenberatung loswerden oder bei der Verbraucherzentrale.
Allweiss: Für die Versicherten der City-BKK gibt es jetzt verschiedene Vorschläge: Es wird über eine Quotenregelung diskutiert oder auch darüber, dass ihnen eine Ersatzkasse vorgeschlagen werden soll. Was wäre denn eine Lösung ihrer Meinung nach?
Etgeton: Darüber sollte sich die Politik tatsächlich Gedanken machen. Die City-BKK ist eine vergleichsweise noch kleine Krankenkasse. Aber wenn das selbe Schicksal eine größere Krankenkasse treffen sollte, dann muss man sich sicher Gedanken darüber machen, wie man die Versicherten verteilt. Da müsste zum Beispiel der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung von Gesetzes wegen in die Lage versetzt werden, die Versicherten nach einem bestimmten Schlüssel gleichmäßig auf die anderen Kassen aufzuteilen.
Allweiss: Können die Versicherten dieser ersten insolventen Krankenkasse eigentlich ihren Tarif behalten, oder werden sie neu eingruppiert und müssen dann wahrscheinlich mehr bezahlen als bisher?
Etgeton: Nein, die Tarife – das ist ja anders als in der privaten Krankenversicherung, da gibt es individuell unterschiedliche Tarife, das ist in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht so. Es gilt der gesetzlich einheitliche Beitragssatz. Es kann sein, dass ich dann in eine Kasse komme, die einen Zusatzbeitrag erhebt. Da habe ich aber dann die Möglichkeit, die Kasse zu wechseln, oder man sollte sich sowieso nicht zuweisen lassen, sondern man sollte die Kasse möglichst aus eigenen Stücken wechseln, aber es gibt keine individuellen Beiträge oder Tarife.
Etwas anderes ist es, wenn ich mit der Kasse einen Hausarztvertrag abgeschlossen habe oder einen Wahltarif abgeschlossen habe. Der ist natürlich nichtig, wenn die Kasse geschlossen wird oder in die Insolvenz geht, da müsste ich dann bei der neuen Kasse gucken, ob die Wahltarife attraktiv sind oder nicht. Aber dafür empfiehlt sich gerade eben der Produktfinder bei der Stiftung Warentest.
Allweiss: Die vereinigte IKK ist auch in Finanznot – immerhin eine Kasse mit mehr als einer Millionen Versicherten. Steht es um die Finanzlage der Krankenkassen im allgemeinen denn wirklich so schlimm? Es gibt ja auch immer wieder anderslautende Berichte, zum Beispiel von der DAK, die das fleißig dementiert.
Etgeton: Nein, grundsätzlich haben die Kassen mit dem erhöhten Beitragssatz – wir haben ja im Januar deutlich erhöhte Beiträge erlebt, immerhin sechs Milliarden Euro sind da in den Fonds geflossen -, insofern haben die Kassen insgesamt eher wahrscheinlich Überschüsse zum Ende des Jahres.
Das heißt, das sind jetzt schon individuelle Fälle, es sind auch die Krankenkassen, die auch in der Vergangenheit schon eher die hohen Beiträge verlangt haben, es sind individuelle Kassen, individuelle Zustände, bei der City-BKK war es eben so, dass sie in Hamburg und Berlin vorrangig tätig war. Das sind Metropolregionen, da ist im Durchschnitt die Versorgung teurer, weil wir dort viel mehr Fachärzte haben. Das macht einfach Versorgung teurer, nicht unbedingt besser. Und es ist auch ein Stück weit die Frage, dass manche Kassen auch zu klein sind, um im Wettbewerb zu bestehen und dann keinen Fusionspartner finden, um sich zu vergrößern.
Allweiss: Dann funktioniert das neue System der Krankenkassen also doch! Oder gibt es ihrer Meinung nach auch Schwierigkeiten?
Etgeton: Also, es ist ja gewollt gewesen, dass wir weniger Krankenkassen haben. Ulla Schmidt hat seinerzeit von 50 Kassen gesprochen, und man hat den Wettbewerb angetrieben, auch mit dem Zusatzbeitrag, der verstärkt im Grunde ja dann auch diesen Mechanismus – wenn eine Kasse einen Zusatzbeitrag erhebt, der überdurchschnittlich ist, werden mehr Leute die Kasse verlassen, das heißt, die Kasse kriegt höhere Probleme, das heißt, das ist ein sich verstärkender Prozess, der zu einer Marktbereinigung führt. Das war politisch so gewollt, und das hat dann jetzt diese Konsequenzen.
Allweiss: Informationen von Stefan Etgeton vom Verbraucherzentrale-Bundesverband, danke schön!
Etgeton: Bitte sehr!