"Das weiße Band"
Ein Dorf in Norddeutschland am Vorabend des Ersten Weltkrieges: Seltsame "Unfälle" passieren, die den Charakter ritueller Bestrafungen annehmen. Nur der Dorflehrer zieht seine Schlüsse. Hanekes Film ist ein in schwarz-weiß gehaltenes Psychogramm einer autoritätsfixierten Gesellschaft.
Bedächtig, um Sachlichkeit bemüht, führt uns ein Erzähler im Stile des in diesem Landstrich so verehrten Theodor Fontane in ein Drama, dem der Erzähler zwar entronnen ist, aber näherer Betrachtung zwecks Erhellung für wert hält, auch wenn sich selbst in der langen Zeit, die seither vergangen ist, nicht alle Geheimnisse enträtselt haben. Dieser Vorspruch des Erzählers ist das einzig ausgesprochen Programmatische an einem Film, der weit in deutsche Zustände zurück und noch weiter voraus weist.
Was wir sehen ist die Abfolge gewalttätiger Ereignisse, bei denen in einem kleinen norddeutschen Dorf am Vorabend des Ersten Weltkrieges nicht nur eine Tagelöhnerin zu Tode kommt, sondern auch drei Kinder und der Dorfarzt zu großem Schaden. Bei der bis zum Schluss spannenden Suche nach dem Täter entdeckt der Betrachter hinter den Holztüren der Bauernhäuser wie den Flügeltüren des Schlosses den Kosmos eines unseligen Geistes, in dem protestantisch-preußische Tugenden wie Gehorsam und Disziplin zum schockierend mitleidslosen Herrschaftsinstrument über soziale wie menschlichen Beziehungen geworden sind.
Abgrundtiefer Hass, religiöse Verstiegenheit und Rachegelüste sind die Folgen eines obszönen Patriarchats, unter dem besonders die Frauen und Kinder leiden. Und so findet der Zuschauer auf der Suche nach dem Täter die Verursacher der erschreckenden Gewalttaten, eine Erkenntnis, deren Tragweite hinausreicht über den ersten der großen Kriege, der auch dieser deutschen Kindergeschichte ein Ende setzt.
Die dörfliche Gemeinde erlebt den Kriegsausbruch in der Kirche. Das letzte Bild gehört dem Pastor (Burghart Klaußner), auch das Titel gebende "weiße Band" entstammt dem Erziehungsarsenal des Kirchenmannes, der damit Reinheit und Unschuld bei seiner Kinderschar zu markieren gedachte.
Der Film wirkt in seinem Tableau des dörflichen Lebens, in übervollen, schwarz-weiß-grau gemalten Szenerien absolut authentisch. Jede Geste der sorgsam ausgewählten, herausragend spielenden, namhaften Darsteller, jede Haltung, jeder Ausstattungsgegenstand ist bewusst gesetzt, ohne dass diese Stilisierung dem Geschehen die Sinnlichkeit rauben würde.
Für die Reflexion des Zuschauers ist es wichtig, jegliche nostalgische Stimmung zu unterbinden. Das gelingt mit einer ausgeklügelten Szenerie und einer Kamera, die selbst der Natur nichts Atmosphärisches gibt, sondern zur erbarmungslosen Mitspielerin macht. Um die Meisterschaft dieser Regieleistung zu erfassen, genügte es, die Liebesgeschichte zu betrachten, die der Lehrer (Christian Friedel) und das Kindermädchen des Barons (Leonie Benesch) erleben. Sie sind am Ende die einzig Davongekommenen.
BRD, Österreich, Frankreich 2009. Regie: Michael Hanecke. Darsteller: Josef Bierbichler (Verwalter), Gabriela Maria Schmeider (Frau des Verwalters), Ulrich Tukur (Baron), Ursina Lardi (Frau Baronin), Burghart Klaußner (Pastor), Steffi Kühnert (Frau des Pastors), Rainer Bock (Arzt), Susanne Lothar (Hebamme), Christian Friedel (Lehrer), Leonie Benesch (Kindermädchen). 144 Minuten, ab 12 Jahre
Filmhomepage "Das weiße Band"
Was wir sehen ist die Abfolge gewalttätiger Ereignisse, bei denen in einem kleinen norddeutschen Dorf am Vorabend des Ersten Weltkrieges nicht nur eine Tagelöhnerin zu Tode kommt, sondern auch drei Kinder und der Dorfarzt zu großem Schaden. Bei der bis zum Schluss spannenden Suche nach dem Täter entdeckt der Betrachter hinter den Holztüren der Bauernhäuser wie den Flügeltüren des Schlosses den Kosmos eines unseligen Geistes, in dem protestantisch-preußische Tugenden wie Gehorsam und Disziplin zum schockierend mitleidslosen Herrschaftsinstrument über soziale wie menschlichen Beziehungen geworden sind.
Abgrundtiefer Hass, religiöse Verstiegenheit und Rachegelüste sind die Folgen eines obszönen Patriarchats, unter dem besonders die Frauen und Kinder leiden. Und so findet der Zuschauer auf der Suche nach dem Täter die Verursacher der erschreckenden Gewalttaten, eine Erkenntnis, deren Tragweite hinausreicht über den ersten der großen Kriege, der auch dieser deutschen Kindergeschichte ein Ende setzt.
Die dörfliche Gemeinde erlebt den Kriegsausbruch in der Kirche. Das letzte Bild gehört dem Pastor (Burghart Klaußner), auch das Titel gebende "weiße Band" entstammt dem Erziehungsarsenal des Kirchenmannes, der damit Reinheit und Unschuld bei seiner Kinderschar zu markieren gedachte.
Der Film wirkt in seinem Tableau des dörflichen Lebens, in übervollen, schwarz-weiß-grau gemalten Szenerien absolut authentisch. Jede Geste der sorgsam ausgewählten, herausragend spielenden, namhaften Darsteller, jede Haltung, jeder Ausstattungsgegenstand ist bewusst gesetzt, ohne dass diese Stilisierung dem Geschehen die Sinnlichkeit rauben würde.
Für die Reflexion des Zuschauers ist es wichtig, jegliche nostalgische Stimmung zu unterbinden. Das gelingt mit einer ausgeklügelten Szenerie und einer Kamera, die selbst der Natur nichts Atmosphärisches gibt, sondern zur erbarmungslosen Mitspielerin macht. Um die Meisterschaft dieser Regieleistung zu erfassen, genügte es, die Liebesgeschichte zu betrachten, die der Lehrer (Christian Friedel) und das Kindermädchen des Barons (Leonie Benesch) erleben. Sie sind am Ende die einzig Davongekommenen.
BRD, Österreich, Frankreich 2009. Regie: Michael Hanecke. Darsteller: Josef Bierbichler (Verwalter), Gabriela Maria Schmeider (Frau des Verwalters), Ulrich Tukur (Baron), Ursina Lardi (Frau Baronin), Burghart Klaußner (Pastor), Steffi Kühnert (Frau des Pastors), Rainer Bock (Arzt), Susanne Lothar (Hebamme), Christian Friedel (Lehrer), Leonie Benesch (Kindermädchen). 144 Minuten, ab 12 Jahre
Filmhomepage "Das weiße Band"