"Das wird an diesem Angeklagten hängen bleiben"
Der Prozess gegen Jörg Kachelmann wird in Erinnerung bleiben als ein Verfahren, in dem die Wahrheit nicht herausgefunden werden konnte, sagt Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen. Das mache keinen der Beteiligten richtig glücklich.
Alexandra Mangel: Heute Morgen hat der Vorsitzende Richter Michael Seidling im Landgericht Mannheim nach 43 Verhandlungstagen das Urteil im Fall des Wettermoderators Jörg Kachelmann verkündet, und das lautet auf Freispruch. Die Urteilsverkündung wie den gesamten Prozess hat Gisela Friedrichsen beobachtet. Sie ist Gerichtsreporterin des "Spiegel" und jetzt für uns in Mannheim am Telefon, und zwar direkt im Gerichtsgebäude – daher auch die Nebengeräusche. Ich grüße Sie, Frau Friedrichsen!
Gisela Friedrichsen: Ja, guten Tag!
Mangel: Wie hat das Gericht diesen Freispruch heute begründet?
Friedrichsen: Das Gericht begann mit einer ziemlich massiven Schelte des zweiten Verteidigers, also Herrn Schwenn, die in seinen Ohren sehr schmerzlich geklungen haben muss. Das Gericht hat deutlich gemacht, dass es den Respekt des Verteidigers vor dem Gericht vermisst hat. Es hat sich mit den Medien beschäftigt, die dieses Verfahren zu einer Art Event verkommen ließen, und hat sich dann mit der Beweislage auseinandergesetzt.
Unter dem Strich muss man sagen, niemand hat dieses Gericht, wenn man so will, zufrieden verlassen. Das war dem Gericht aber auch bewusst, da haben sie drauf hingewiesen. Es ist weder der Tatverdacht gegen Kachelmann ausgeräumt, noch konnte man feststellen, dass die Nebenklägerin, also die Frau, die ihn angezeigt hat, definitiv gelogen hat. Sie hat teilweise gelogen, aber auch Kachelmanns Einlassung vor dem Haftrichter war nicht ganz der Wahrheit entsprechend. Und insofern hat das Gericht dann gesagt, angesichts mangelnder materieller Beweise stößt man dann als Richter an die Grenzen der menschlichen Erkenntnismöglichkeiten, und dann setzt das rechtsstaatliche Prinzip des "im Zweifel für den Angeklagten" ein.
Mangel: Diese Unzufriedenheit, die Sie jetzt beschrieben haben, die wird jetzt vielerorts mit dem Begriff "Freispruch zweiter Klasse", also Freispruch aus Mangel an Beweisen bezeichnet. Gibt es das im juristischen Sinne denn überhaupt, ist Freispruch nicht Freispruch?
Friedrichsen: Doch, Freispruch ist Freispruch, und es gibt weder einen Freispruch erster noch zweiter Klasse, aber es ist natürlich ein Unterschied, ob jemand freigesprochen wird wegen erwiesener Unschuld – weil zum Beispiel ein anderer Täter aufgetaucht ist, der die Tat begangen hat – oder ob ein Angeklagter entlassen wird mit den Worten: Wir müssen dich zwar freisprechen, aber der Tatverdacht gegen dich ist nicht ausgeräumt. Das wird an diesem Angeklagten hängen bleiben, und deshalb wird man sich in Zukunft an den Kachelmann-Prozess immer erinnern als an einen Prozess, in dem eben die Wahrheit nicht herausgefunden wurde, sondern man sich mit einer gerichtlichen, einer forensischen Wahrheit hat begnügen müssen, die eben keinen so richtig glücklich macht.
Mangel: Denken Sie, dass die Staatsanwaltschaft jetzt in Revision gehen wird?
Friedrichsen: Also, ich rechne damit, dass die Staatsanwaltschaft auf jeden Fall mal aus formalen Gründen schon mal Revision einlegen wird. Dann wird sie abwarten, wie das schriftliche Urteil aussehen wird, ob darin Rechtsfehler enthalten sind. Ich könnte mir vorstellen, wenn das Urteil gut begründet ist, dass die Staatsanwaltschaft dann von einer Revision absieht, aber das kann man jetzt noch schwer einschätzen, weil es wie gesagt auf das schriftliche Urteil ankommt.
Mangel: Sie haben das ja schon angedeutet, aber wie ist das Urteil denn heute im Gerichtssaal aufgenommen worden?
Friedrichsen: Das Publikum hat erst mal gejubelt, es war ein Aufschrei. Ich glaube, so manchen ist der Jubel dann im Hals stecken geblieben, als die Kammer dann angefangen hat, seine Beweggründe oder seine Überlegungen, wie es zu diesem Urteil gekommen ist, darzulegen. Da war dann kein Anlass eigentlich mehr für Jubel, sondern eher eine große Nachdenklichkeit, wohin ein solcher Prozess führen kann, in dem im Grunde keiner der Beteiligten so recht die Wahrheit sagt, in dem keiner dabei war und in dem es keine Beweise wirklich gibt, aber irgendwo dann doch den Verdacht, dass irgendetwas …
Mangel: Sie sind gerade ganz schwer zu verstehen.
Friedrichsen: Es tut mir leid, hören Sie mich jetzt besser?
Mangel: Ja, jetzt geht es wieder besser. Wie würden Sie denn diese Fragen beantworten, welches Fazit ziehen Sie angesichts dieses Urteils?
Friedrichsen: Mein Fazit ist eigentlich … Gericht nicht getan hat, als sei es allwissend, sondern es hat zugegeben, dass es an Wahrheiten nur sehr schwer und auch nur sehr fragmentarisch herangekommen ist, aber gleichwohl zugunsten des Angeklagten dann eben den Freispruch ausgesprochen hat. Und ich finde, ein Gericht, das …, dass es Grenzen gibt der Erkenntnis, dass der Mensch eben nicht hinter alles kommt, wenn er sich auch noch so sehr bemüht, was zwischen freien Menschen im Privatleben da passiert ist, … und gesagt, es nötigt mir doch …
Mangel: Frau Friedrichsen, wir müssen das Gespräch aufgrund der schlechten Leitungsqualität an dieser Stelle abbrechen. Sie sind ganz schwer zu verstehen. Wir versuchen, das an anderer Stelle weiterzuführen. Vielen Dank erst mal fürs Gespräch!
Gisela Friedrichsen: Ja, guten Tag!
Mangel: Wie hat das Gericht diesen Freispruch heute begründet?
Friedrichsen: Das Gericht begann mit einer ziemlich massiven Schelte des zweiten Verteidigers, also Herrn Schwenn, die in seinen Ohren sehr schmerzlich geklungen haben muss. Das Gericht hat deutlich gemacht, dass es den Respekt des Verteidigers vor dem Gericht vermisst hat. Es hat sich mit den Medien beschäftigt, die dieses Verfahren zu einer Art Event verkommen ließen, und hat sich dann mit der Beweislage auseinandergesetzt.
Unter dem Strich muss man sagen, niemand hat dieses Gericht, wenn man so will, zufrieden verlassen. Das war dem Gericht aber auch bewusst, da haben sie drauf hingewiesen. Es ist weder der Tatverdacht gegen Kachelmann ausgeräumt, noch konnte man feststellen, dass die Nebenklägerin, also die Frau, die ihn angezeigt hat, definitiv gelogen hat. Sie hat teilweise gelogen, aber auch Kachelmanns Einlassung vor dem Haftrichter war nicht ganz der Wahrheit entsprechend. Und insofern hat das Gericht dann gesagt, angesichts mangelnder materieller Beweise stößt man dann als Richter an die Grenzen der menschlichen Erkenntnismöglichkeiten, und dann setzt das rechtsstaatliche Prinzip des "im Zweifel für den Angeklagten" ein.
Mangel: Diese Unzufriedenheit, die Sie jetzt beschrieben haben, die wird jetzt vielerorts mit dem Begriff "Freispruch zweiter Klasse", also Freispruch aus Mangel an Beweisen bezeichnet. Gibt es das im juristischen Sinne denn überhaupt, ist Freispruch nicht Freispruch?
Friedrichsen: Doch, Freispruch ist Freispruch, und es gibt weder einen Freispruch erster noch zweiter Klasse, aber es ist natürlich ein Unterschied, ob jemand freigesprochen wird wegen erwiesener Unschuld – weil zum Beispiel ein anderer Täter aufgetaucht ist, der die Tat begangen hat – oder ob ein Angeklagter entlassen wird mit den Worten: Wir müssen dich zwar freisprechen, aber der Tatverdacht gegen dich ist nicht ausgeräumt. Das wird an diesem Angeklagten hängen bleiben, und deshalb wird man sich in Zukunft an den Kachelmann-Prozess immer erinnern als an einen Prozess, in dem eben die Wahrheit nicht herausgefunden wurde, sondern man sich mit einer gerichtlichen, einer forensischen Wahrheit hat begnügen müssen, die eben keinen so richtig glücklich macht.
Mangel: Denken Sie, dass die Staatsanwaltschaft jetzt in Revision gehen wird?
Friedrichsen: Also, ich rechne damit, dass die Staatsanwaltschaft auf jeden Fall mal aus formalen Gründen schon mal Revision einlegen wird. Dann wird sie abwarten, wie das schriftliche Urteil aussehen wird, ob darin Rechtsfehler enthalten sind. Ich könnte mir vorstellen, wenn das Urteil gut begründet ist, dass die Staatsanwaltschaft dann von einer Revision absieht, aber das kann man jetzt noch schwer einschätzen, weil es wie gesagt auf das schriftliche Urteil ankommt.
Mangel: Sie haben das ja schon angedeutet, aber wie ist das Urteil denn heute im Gerichtssaal aufgenommen worden?
Friedrichsen: Das Publikum hat erst mal gejubelt, es war ein Aufschrei. Ich glaube, so manchen ist der Jubel dann im Hals stecken geblieben, als die Kammer dann angefangen hat, seine Beweggründe oder seine Überlegungen, wie es zu diesem Urteil gekommen ist, darzulegen. Da war dann kein Anlass eigentlich mehr für Jubel, sondern eher eine große Nachdenklichkeit, wohin ein solcher Prozess führen kann, in dem im Grunde keiner der Beteiligten so recht die Wahrheit sagt, in dem keiner dabei war und in dem es keine Beweise wirklich gibt, aber irgendwo dann doch den Verdacht, dass irgendetwas …
Mangel: Sie sind gerade ganz schwer zu verstehen.
Friedrichsen: Es tut mir leid, hören Sie mich jetzt besser?
Mangel: Ja, jetzt geht es wieder besser. Wie würden Sie denn diese Fragen beantworten, welches Fazit ziehen Sie angesichts dieses Urteils?
Friedrichsen: Mein Fazit ist eigentlich … Gericht nicht getan hat, als sei es allwissend, sondern es hat zugegeben, dass es an Wahrheiten nur sehr schwer und auch nur sehr fragmentarisch herangekommen ist, aber gleichwohl zugunsten des Angeklagten dann eben den Freispruch ausgesprochen hat. Und ich finde, ein Gericht, das …, dass es Grenzen gibt der Erkenntnis, dass der Mensch eben nicht hinter alles kommt, wenn er sich auch noch so sehr bemüht, was zwischen freien Menschen im Privatleben da passiert ist, … und gesagt, es nötigt mir doch …
Mangel: Frau Friedrichsen, wir müssen das Gespräch aufgrund der schlechten Leitungsqualität an dieser Stelle abbrechen. Sie sind ganz schwer zu verstehen. Wir versuchen, das an anderer Stelle weiterzuführen. Vielen Dank erst mal fürs Gespräch!