Das Wunder von St. Maurice
Die Schätze des ältesten Klosters der westlichen Welt waren bislang gut gehütet. Zu seinem 1500-jährigen Bestehen werden Stücke wie der Schrein des Heiligen Sigismund, der die Abtei im Jahre 515 gründete, der Öffentlichkeit preisgegeben.
Der Abt von St. Maurice ist ein kleiner, quicklebendiger Mann mit Brille und einem silbernen Kreuz vor der Brust. Er strahlt Würde aus. Doch wenn er, Monsignore Joseph Roduit, Besucher durch seine Abtei führt, dann bewegt er sich oft so katzengleich und flink, dass die Besucher nur staunen können.
"Ich bin 70 Jahre alt. Ich bin 1960 hergekommen. 49 Jahre bin ich schon hier. Wir sind hier von 515 ohne Unterbrechung. Eine sehr lange und schöne Geschichte. Die längste Zeit für eine Abtei hier in Europa."
Dann springt Monsignore über einen zwei Meter breiten Graben - und erklärt anhand der Ruinen die Geschichte der Abtei. Die hat im Laufe ihrer 1500 Jahre eine ganze Serie von Katastrophen überstanden: Plünderungen durch die Langobarden und Sarazenen, Überschwemmungen, Feuersbrünste - und immer wieder Steinschlag.
"Um das Jahr 1611 ist ein großer Felsen über die Kirche gefallen, um das Jahr 1942 auf den Glockenturm gefallen. Und wir singen jeden Tag: der Herr ist mein Felsen."
Mit ihrem romanischen Glockenturm schmiegt sich die Abtei direkt an eine steile Felswand. Sieben Kirchen sind seit der Gründung auf dem Boden des Klosters entstanden – alle wurden, bis auf die letzte, durch verschiedene Naturkatastrophen zerstört. Doch das Herzstück von St. Maurice, die Schatzkammer, wurde nie beschädigt.
"Sie haben hier eine der schönsten Sammlungen in Europa. Vom ersten Jahrhundert vor Christus bis zum 20. Jahrhundert. Fast jedes Jahrhundert ist dargestellt. Zum Beispiel diese Vase ist vom ersten Jahrhundert vor Christus. Eine griechische Vase aus Sardonyx."
Diese unfassbar schöne, dunkelblau schimmernde Vase mit Motiven aus der Odyssee soll der Heilige Martin als Gastgeschenk mitgebracht haben, zur Weihe der ersten Kapelle im Jahre 380. Die Vase dreht sich auf Knopfdruck in ihrer Vitrine, sodass sie von allen Seiten bestaunt werden kann.
Doch nicht nur Sankt Martin war da, so die Überlieferung. Auch Karl der Große und Karl der Kahle besuchten die Abtei, als sie den Pass am nahe gelegenen Großen St. Bernhard überquerten, und steuerten prachtvolle Geschenke bei.
"Um das Jahr 800 Karl der Große hat diese Goldkanne geschenkt. Aus einer goldenen Kanne mit Email, an dieser Seite hier ein Lebensbaum mit zwei Löwen."
Anlass für die Errichtung des Klosters war der Märtyrertod von Saint Maurice, dem heiligen Mauritius. Der stammte aus dem südlichen Ägypten, war Anführer einer römischen Reiterbrigade und wurde im dritten Jahrhundert in das Gebiet der heutigen Schweiz geschickt, um dort Christen zu verfolgen. Stattdessen bekehrte er sich selbst zum Christentum. Die Römer schickten eine Strafexpedition. 286 wurden er und seine Begleiter geköpft. So begann der Märtyrerkult um den heiligen Mauritius.
"Am 22. September jedes Jahr machen wir eine Prozession in der Stadt herum, mit den Schreinen auf den Schultern. Da drin sind die Reste des Heiligen Mauritius selbst. Diese Schreine sind aus Holz geschnitzt, mit Silber und Gold bedeckt. Hier sind die Apostel Peter und Paulus und Erzengel Cherubim und Seraphim, typisch vom Mittelalter. Sie lächeln nicht, sie haben die Augen offen, weil sie im Himmel sind, sie können Gott und die Heiligen und die Engel sehen."
Mauritius ist einzigartig unter den christlichen Heiligen. Er ist im Mittelalter der einzige bedeutende Heilige mit schwarzer Haut. Er wird in der Tradition dunkel dargestellt – so wie die Skulptur des "schwarzen Mauritius" im Magdeburger Dom, dem vermutlich ersten individuell kenntlichen Schwarzafrikaner in einer mitteleuropäischen Kirche.
"Mauritius war ein Schwarzer, und jedes Jahr am ersten Sonntag im Juni kommen die Afrikaner der Schweiz hierher für eine Wallfahrt. In diesem Jahr waren sie 800 Afrikaner. Den ganzen Tag über haben sie gesungen und gefeiert, das war sehr, sehr schön."
Eigentlich wollten die Chorherren ungestört in ihrer Abtei weiter beten. Aber jetzt kommen Anfragen vom Louvre in Paris oder vom Metropolitan Museum in New York. Die Museen betteln geradezu um Leihgaben, zum Beispiel den Schrein des Heiligen Sigismund, der die Abtei im Jahre 515 gründete. Oder das erstaunlich modern wirkende Kopfreliquiar des heiligen Candidus, das Reliquiarkreuz des Heiligen Ludwig und den unglaublich fein ziselierten Bischofsstab, der wegen seiner schwungvollen Ornamentik den Namen "die Kathedrale" trägt. All das ist niemals in größerem Stil gezeigt worden – vor allem, weil die Chorherren von St. Maurice es nicht wollten.
Jetzt ist eine neue Situation entstanden. Schließlich steht ein großes Jubiläum bevor: Im September 2015 wird St. Maurice genau 1500 Jahre alt.
"Ich habe mit dem Papst gesprochen. Ich habe ihn für 2015 eingeladen. Wir haben ein Komitee gegründet, und die wollen ihn unbedingt haben."
Auf Grund einer alten Vereinbarung aus dem Mittelalter hat der Papst immer ein offenes Ohr für den Abt von St. Maurice. Und Monsignore Roduit wird es ganz ohne jeden Zweifel schaffen, die ganze Welt für diesen stillen, einmaligen und ungehobenen Schatz zu interessieren.
"Ich bin 70 Jahre alt. Ich bin 1960 hergekommen. 49 Jahre bin ich schon hier. Wir sind hier von 515 ohne Unterbrechung. Eine sehr lange und schöne Geschichte. Die längste Zeit für eine Abtei hier in Europa."
Dann springt Monsignore über einen zwei Meter breiten Graben - und erklärt anhand der Ruinen die Geschichte der Abtei. Die hat im Laufe ihrer 1500 Jahre eine ganze Serie von Katastrophen überstanden: Plünderungen durch die Langobarden und Sarazenen, Überschwemmungen, Feuersbrünste - und immer wieder Steinschlag.
"Um das Jahr 1611 ist ein großer Felsen über die Kirche gefallen, um das Jahr 1942 auf den Glockenturm gefallen. Und wir singen jeden Tag: der Herr ist mein Felsen."
Mit ihrem romanischen Glockenturm schmiegt sich die Abtei direkt an eine steile Felswand. Sieben Kirchen sind seit der Gründung auf dem Boden des Klosters entstanden – alle wurden, bis auf die letzte, durch verschiedene Naturkatastrophen zerstört. Doch das Herzstück von St. Maurice, die Schatzkammer, wurde nie beschädigt.
"Sie haben hier eine der schönsten Sammlungen in Europa. Vom ersten Jahrhundert vor Christus bis zum 20. Jahrhundert. Fast jedes Jahrhundert ist dargestellt. Zum Beispiel diese Vase ist vom ersten Jahrhundert vor Christus. Eine griechische Vase aus Sardonyx."
Diese unfassbar schöne, dunkelblau schimmernde Vase mit Motiven aus der Odyssee soll der Heilige Martin als Gastgeschenk mitgebracht haben, zur Weihe der ersten Kapelle im Jahre 380. Die Vase dreht sich auf Knopfdruck in ihrer Vitrine, sodass sie von allen Seiten bestaunt werden kann.
Doch nicht nur Sankt Martin war da, so die Überlieferung. Auch Karl der Große und Karl der Kahle besuchten die Abtei, als sie den Pass am nahe gelegenen Großen St. Bernhard überquerten, und steuerten prachtvolle Geschenke bei.
"Um das Jahr 800 Karl der Große hat diese Goldkanne geschenkt. Aus einer goldenen Kanne mit Email, an dieser Seite hier ein Lebensbaum mit zwei Löwen."
Anlass für die Errichtung des Klosters war der Märtyrertod von Saint Maurice, dem heiligen Mauritius. Der stammte aus dem südlichen Ägypten, war Anführer einer römischen Reiterbrigade und wurde im dritten Jahrhundert in das Gebiet der heutigen Schweiz geschickt, um dort Christen zu verfolgen. Stattdessen bekehrte er sich selbst zum Christentum. Die Römer schickten eine Strafexpedition. 286 wurden er und seine Begleiter geköpft. So begann der Märtyrerkult um den heiligen Mauritius.
"Am 22. September jedes Jahr machen wir eine Prozession in der Stadt herum, mit den Schreinen auf den Schultern. Da drin sind die Reste des Heiligen Mauritius selbst. Diese Schreine sind aus Holz geschnitzt, mit Silber und Gold bedeckt. Hier sind die Apostel Peter und Paulus und Erzengel Cherubim und Seraphim, typisch vom Mittelalter. Sie lächeln nicht, sie haben die Augen offen, weil sie im Himmel sind, sie können Gott und die Heiligen und die Engel sehen."
Mauritius ist einzigartig unter den christlichen Heiligen. Er ist im Mittelalter der einzige bedeutende Heilige mit schwarzer Haut. Er wird in der Tradition dunkel dargestellt – so wie die Skulptur des "schwarzen Mauritius" im Magdeburger Dom, dem vermutlich ersten individuell kenntlichen Schwarzafrikaner in einer mitteleuropäischen Kirche.
"Mauritius war ein Schwarzer, und jedes Jahr am ersten Sonntag im Juni kommen die Afrikaner der Schweiz hierher für eine Wallfahrt. In diesem Jahr waren sie 800 Afrikaner. Den ganzen Tag über haben sie gesungen und gefeiert, das war sehr, sehr schön."
Eigentlich wollten die Chorherren ungestört in ihrer Abtei weiter beten. Aber jetzt kommen Anfragen vom Louvre in Paris oder vom Metropolitan Museum in New York. Die Museen betteln geradezu um Leihgaben, zum Beispiel den Schrein des Heiligen Sigismund, der die Abtei im Jahre 515 gründete. Oder das erstaunlich modern wirkende Kopfreliquiar des heiligen Candidus, das Reliquiarkreuz des Heiligen Ludwig und den unglaublich fein ziselierten Bischofsstab, der wegen seiner schwungvollen Ornamentik den Namen "die Kathedrale" trägt. All das ist niemals in größerem Stil gezeigt worden – vor allem, weil die Chorherren von St. Maurice es nicht wollten.
Jetzt ist eine neue Situation entstanden. Schließlich steht ein großes Jubiläum bevor: Im September 2015 wird St. Maurice genau 1500 Jahre alt.
"Ich habe mit dem Papst gesprochen. Ich habe ihn für 2015 eingeladen. Wir haben ein Komitee gegründet, und die wollen ihn unbedingt haben."
Auf Grund einer alten Vereinbarung aus dem Mittelalter hat der Papst immer ein offenes Ohr für den Abt von St. Maurice. Und Monsignore Roduit wird es ganz ohne jeden Zweifel schaffen, die ganze Welt für diesen stillen, einmaligen und ungehobenen Schatz zu interessieren.