Das Wunderkind der Berliner Philharmoniker
Als Edicson Ruiz bei den Berliner Philharmonikern 2003 aufgenommen wurde, erzielte er gleich zwei Rekorde: Der Venezolaner war der erste Musiker aus Lateinamerika im Orchester – vor allem aber: Er war erst 17 Jahre alt und wurde so das jüngste Mitglied, das je im Orchester gespielt hat.
"Man zupft einzelne Töne, und die erzählen Ihnen eine Geschichte. Das hat mich sofort berührt und beeindruckt - im Gegensatz zu einer Bratsche. Da muss man einen Schmerz bekommen im Hals, um es überhaupt richtig zu halten!"
"Ich fand den Bass so ernsthaft und so natürlich auch. Ich könnte genauso so gut und locker stehen wie an einer Bushaltestelle."
Das karierte Hemd hängt lässig über der Jeans, an den Füßen orangefarbene Clocks - Edicson Ruiz probt mitten in seinem Wohnzimmer in einem Berliner Plattenbau, unweit der Philharmonie. Hochhäuser – damit ist der Venezolaner vertraut: Sie prägen seine Heimatstadt Caracas. Doch anders als dort sperrt sich der Musiker in Berlin gewöhnlich in der fensterlosen Küche ein - samt Kontrabass und Ventilator ... die Nachbarn beschweren sich sonst.
Der Komponist Heinz Holliger hat extra für den 25-jährigen Virtuosen dieses Stück geschrieben.
"9 Minuten, Solo ohne Pause. Ich sage Ihnen, das ist eine Leistung. Man muss fit und trainiert sein, um dieses Stück zu überleben (Lachen)."
Der Musiker - jungenhaftes Gesicht, Metallbrille, dunkle, lockige Haare - strahlt eine bemerkenswerte Freude aus: Er lächelt breit, seine Augen funkeln - als könnte er es immer noch nicht ganz glauben. Dabei ist er bereits seit sieben Jahren bei den Berliner Philharmonikern. Im Orchester gilt er als Wunderkind. Zurecht: Als Jüngster aller Zeiten wurde er aufgenommen: Er war 17.
"Ich war halt das Kind, unerfahren, ohne Erfahrung, noch nicht im Orchester ausgebildet ... Sie fanden bestimmt etwas in mir, was man wahrscheinlich nicht jeden Tag trifft, dieses Talent, das Wollen, Jugend. Das ist ein Potenzial."
Musik wurde Ruiz, der auch als Solist Karriere macht, alles andere als in die Wiege gelegt. 1985 in Caracas geboren, wächst er in einem Armenviertel auf. Die Mutter zieht ihn allein groß. Als sie ihren Job verliert, schlägt sie sich zeitweilig als Taxifahrerin in den gefährlichen Nächten der Hauptstadt durch. Edicson muss als Einpacker an einer Ladenkasse etwas dazu verdienen.
"Ich war ziemlich wild, nicht unbedingt respektvoll. Caracas ist schon gewaltig. In unserer Straße haben Drogendealer gewohnt. Man musste mit den umgehen, sonst wären wir Feinde geworden. Diese Schießereien überall, Banden, die Schulden haben - das hatten wir alles auf der Straße."
Die Musik hat ihn verändert, sagt Edicson Ruiz. Das hat er auch seiner Mutter zu verdanken: Sie brachte ihn zu einer Musikschule des einzigartigen "Sistema" – einer inzwischen berühmten Nachwuchsförderung Venezuelas, die jedem, der lernen will, kostenlosen Unterricht anbietet.
"Als ich zum ersten Mal bei dem Nationalkinderorchester mitspielen durfte, da haben sie die 4. Symphonie Tschaikowskis auf das Pult gelegt. Sie können sich vorstellen: als Elfjähriger, der nichts konnte, wie ich da stand! Man wird erstmal geschockt und dann kommt der Weg, wo man sich an diesem Niveau steigern lässt."
Und das geschieht rasant: Mit 14 Jahren wird Edicson im renommierten Nationaljugendorchester Simón Bolívar aufgenommen. Ein Jahr später gewinnt er den ersten Preis des internationalen Wettbewerbes für Kontrabass in Indianapolis. Von einem Bassisten der Berliner Philharmoniker entdeckt, kommt der Venezolaner erst zur Orchesterakademie des Ensembles, einer Spitzenausbildung für den begabten Nachwuchs, nach Berlin. Kurz darauf darf er schon vorspielen – und setzt sich durch. Doch dann muss Edicson Ruiz alles neu lernen - oder fast alles, sagt er.
"Die südamerikanischen Musiker sind vor allem wild. Und das zu verfeinern nach dem Geschmack von Europa - das ist Arbeit ... Das ist eine Zähmung des Blutes!"
Immer wieder kehrt der Venezolaner zurück - und, wenn er Zeit hat, tritt er als Solist mit dem Bolívar-Orchester auf: Er will ja etwas zurückgeben. Es sei noch am Anfang. Aber was kommt denn danach, wenn man es so jung an eines der besten Orchester geschafft hat?
"Man muss jeden Abend zeigen, warum man damals aufgenommen worden ist."
Service:
Webseite von Edicson Ruiz
Konzerte:
-9. April 2011, Institut Français, Berlin Auftritt mit Klaus Stoll
-25./26.Juni 2011, Schloß Glienicke, Berlin
-23.-25. September 2011, Kammermusikfestival in Hohenstaufen
-18. Oktober 2011, Lunchkonzert, Foyer Philharmonie Berlin
-17. Dezember 2011, Institut Français, Berlin
"Ich fand den Bass so ernsthaft und so natürlich auch. Ich könnte genauso so gut und locker stehen wie an einer Bushaltestelle."
Das karierte Hemd hängt lässig über der Jeans, an den Füßen orangefarbene Clocks - Edicson Ruiz probt mitten in seinem Wohnzimmer in einem Berliner Plattenbau, unweit der Philharmonie. Hochhäuser – damit ist der Venezolaner vertraut: Sie prägen seine Heimatstadt Caracas. Doch anders als dort sperrt sich der Musiker in Berlin gewöhnlich in der fensterlosen Küche ein - samt Kontrabass und Ventilator ... die Nachbarn beschweren sich sonst.
Der Komponist Heinz Holliger hat extra für den 25-jährigen Virtuosen dieses Stück geschrieben.
"9 Minuten, Solo ohne Pause. Ich sage Ihnen, das ist eine Leistung. Man muss fit und trainiert sein, um dieses Stück zu überleben (Lachen)."
Der Musiker - jungenhaftes Gesicht, Metallbrille, dunkle, lockige Haare - strahlt eine bemerkenswerte Freude aus: Er lächelt breit, seine Augen funkeln - als könnte er es immer noch nicht ganz glauben. Dabei ist er bereits seit sieben Jahren bei den Berliner Philharmonikern. Im Orchester gilt er als Wunderkind. Zurecht: Als Jüngster aller Zeiten wurde er aufgenommen: Er war 17.
"Ich war halt das Kind, unerfahren, ohne Erfahrung, noch nicht im Orchester ausgebildet ... Sie fanden bestimmt etwas in mir, was man wahrscheinlich nicht jeden Tag trifft, dieses Talent, das Wollen, Jugend. Das ist ein Potenzial."
Musik wurde Ruiz, der auch als Solist Karriere macht, alles andere als in die Wiege gelegt. 1985 in Caracas geboren, wächst er in einem Armenviertel auf. Die Mutter zieht ihn allein groß. Als sie ihren Job verliert, schlägt sie sich zeitweilig als Taxifahrerin in den gefährlichen Nächten der Hauptstadt durch. Edicson muss als Einpacker an einer Ladenkasse etwas dazu verdienen.
"Ich war ziemlich wild, nicht unbedingt respektvoll. Caracas ist schon gewaltig. In unserer Straße haben Drogendealer gewohnt. Man musste mit den umgehen, sonst wären wir Feinde geworden. Diese Schießereien überall, Banden, die Schulden haben - das hatten wir alles auf der Straße."
Die Musik hat ihn verändert, sagt Edicson Ruiz. Das hat er auch seiner Mutter zu verdanken: Sie brachte ihn zu einer Musikschule des einzigartigen "Sistema" – einer inzwischen berühmten Nachwuchsförderung Venezuelas, die jedem, der lernen will, kostenlosen Unterricht anbietet.
"Als ich zum ersten Mal bei dem Nationalkinderorchester mitspielen durfte, da haben sie die 4. Symphonie Tschaikowskis auf das Pult gelegt. Sie können sich vorstellen: als Elfjähriger, der nichts konnte, wie ich da stand! Man wird erstmal geschockt und dann kommt der Weg, wo man sich an diesem Niveau steigern lässt."
Und das geschieht rasant: Mit 14 Jahren wird Edicson im renommierten Nationaljugendorchester Simón Bolívar aufgenommen. Ein Jahr später gewinnt er den ersten Preis des internationalen Wettbewerbes für Kontrabass in Indianapolis. Von einem Bassisten der Berliner Philharmoniker entdeckt, kommt der Venezolaner erst zur Orchesterakademie des Ensembles, einer Spitzenausbildung für den begabten Nachwuchs, nach Berlin. Kurz darauf darf er schon vorspielen – und setzt sich durch. Doch dann muss Edicson Ruiz alles neu lernen - oder fast alles, sagt er.
"Die südamerikanischen Musiker sind vor allem wild. Und das zu verfeinern nach dem Geschmack von Europa - das ist Arbeit ... Das ist eine Zähmung des Blutes!"
Immer wieder kehrt der Venezolaner zurück - und, wenn er Zeit hat, tritt er als Solist mit dem Bolívar-Orchester auf: Er will ja etwas zurückgeben. Es sei noch am Anfang. Aber was kommt denn danach, wenn man es so jung an eines der besten Orchester geschafft hat?
"Man muss jeden Abend zeigen, warum man damals aufgenommen worden ist."
Service:
Webseite von Edicson Ruiz
Konzerte:
-9. April 2011, Institut Français, Berlin Auftritt mit Klaus Stoll
-25./26.Juni 2011, Schloß Glienicke, Berlin
-23.-25. September 2011, Kammermusikfestival in Hohenstaufen
-18. Oktober 2011, Lunchkonzert, Foyer Philharmonie Berlin
-17. Dezember 2011, Institut Français, Berlin