Das zerfledderte Hoheitssymbol

Von Barbara Wiegand |
Seit Jahrtausenden dient Kunst als Repräsentation von Macht. Könige und Kaiser schmückten sich früher mit ihr – heute haben Unternehmen umfangreiche Kunstsammlungen. Eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin untersucht die Verbindung von Macht und Malerei, Skulptur und Statussymbol.
Ludwig der I. hat es getan, indem er sich von Künstlern und Gelehrten umgeben malen ließ. Guido Westerwelle tut es, wenn er Fotografen einlädt, ihn vor neorealistischen Gemälden von Norbert Bisky zu porträtieren. Kunst als Instrument der eigenen Inszenierung zu nutzen, als Mittel, Macht zu zeigen - das galt gestern - und gilt heute noch.

Wobei sich die Strategien dieser kulturbetonten Selbstdarstellung über die Brüche der Geschichte hinweg bisweilen ähneln - und genauso krass auseinanderklaffen können. Das wird an einer Stellwand der Ausstellung besonders deutlich. Auf der einen Seite sieht man Adolf Hitler vor einer großen, pathetischen Statue posieren, auf deren Hand ein abflugbereiter Adler sitzt. Auf der anderen Seite der Wand begegnet man Gerhard Schröder, der, an seinem Schreibtisch im Kanzleramt sitzend, auf eine von Baselitz gemalte Variante des Raubvogels blickt. Typisch Baselitz befindet sich dieser kopfüber im Sturzflug und wirkt obendrein wie ein gerupftes Huhn. Kurator Wolfgang Ullrich:

"Das zerfledderte Hoheitssymbol. Was man auf zwei Arten deuten kann: Einmal Schröder als 68er will zeigen, so, ich bin oben angekommen, hab den Marsch durch die Institutionen hinter mir, aber ich hab mich nicht korrumpieren lassen. Ich bin immer noch kritisch distanziert ironisch gegenüber dem Staat und das zeige ich so. Aber es ist auch eine starke Machtgeste - er sagt, ich habe die Macht, ich kann gegen die Konvention verstoßen, ich muss hier kein schönes Bild eines Adlers zeigen. Er probt seine Macht auch mit dieser Provokation."

Darüber hinaus aber macht diese Inszenierung auch klar, wie sehr sich das Verständnis von Kunst und Macht gerade in Deutschland geändert hat. Nach dem Krieg galt es, sich loszulösen von nationalsozialistisch belasteten klassischen Symbolen - eine Zukunft sah man da vor allem in der modernen Avantgarde, erläutert Hans Ottomeyer, Direktor des Deutschen Historischen Museums

"In anderen Ländern, beispielsweise in Frankreich lässt der Staatspräsident sich vor Bücherwänden fotografieren. Der amerikanische Präsident hinter seinem Schreibtisch vor offenen drei Fenstern mit der amerikanischen Fahne. Das Auftreten mit moderner Kunst hat sich wohl zuerst in Frankfurt in den Türmen der Banken entwickelt und ist dann nach Kohl unter Schröder nach Berlin geraten und hier dann zur großen und ausschließlichen Form geworden."

In der Tat läutete Schröders Einzug ins Kanzleramt eine Wende ein. Gab man sich in der Bonner Republik noch recht bescheiden, was die Kunst anbelangt, so gerierte sich der Kunst-affine Schröder als Mann der unübersehbaren Geste. Er hängte nicht nur Baselitzs Kopfüber-Adler auf, sondern postierte auch die knubbelige "Philosophin"-Skulptur von Markus Lüpertz im Foyer seines einstigen Amtssitzes, von der in der Schau eine kleine Bronze-Kopie zu sehen ist. Dabei suchte Schröder immer auch die Nähe zu den Künstlern und besuchte zum Beispiel den "Künstlerfürsten" Lüpertz in dessen Atelier.

Eine Art sich mit den Künsten und Künstlern zu inszenieren, die übrigens nicht neu ist - schon Karl V. war zu Gast bei Alt-Meister Tizian, wie eine Abbildung in einem eingangs der Schau ausgelegten Buch belegt. Und neben Königen und Politikern taten beziehungsweise tun sich auch Kaufleute und Unternehmer als Freunde der Künste hervor. Dabei entwickelte sich die repräsentative Gemäldesammlung von einst zum zeitgenössischen Imagestifter. Dumm nur, wenn zwei Unternehmen auf denselben Künstler setzen, meint Wolfgang Ullrich.

"Wir haben drüben ein schönes Beispiel. Es geht um Ruprecht Geiger und wie zwei Unternehmen gleichermaßen versuchen, ihn für sich in Anspruch zu nehmen. Einmal E.ON, also Energiebranche, andermal Viessmann Heizungstechnik. Beide berufen sich drauf, dass Geiger mit seinen farbkräftigen Bildern so einen Begriff von Energie eigentlich visualisiert und nehmen das für sich damit in Anspruch. Ich bin für die Wärme im Leben der Menschen verantwortlich. Oder der Energieversorger, der das entsprechend überhöhen kann."

Dass einige große Unternehmen vielleicht aus Angst vor solchen Image-Doppeldeutigkeiten Leihgaben an die Schau verweigerten zeigt, wie ernst man die Kunst nimmt - als Teil der Unternehmensphilosophie. Und auch als so ausdrucksstarke wie vieldeutige Hintergrunddekoration, vor der sich Spitzenmanager gern fotografieren lassen. Was die Frage aufwirft, ob die Kunstwerke hier nicht zum Werkzeug der Mächtigen werden. Nochmals Hans Ottomeyer:

"Sie wird nicht instrumentalisiert, sie wird gebraucht. Es sind nicht Auftragswerke. Überwiegend sind es Stücke, die aus dem Kunstmarkt heraus genommen werden. Aber einige unserer Künstler haben sich stark einbeziehen lassen, so dass sie anfangen, sich selbst zu ironisieren oder sich darauf einzulassen, sich als Künstlerfürsten gerieren."

Manche Künstler aber gehen auch ganz subtil mit der Gefahr des Missbrauchs durch die Macht um. Das Fotografenduo Clegg und Guttmann etwa hat die Vorstandsriege der Deutschen Bank derart stilisiert portraitiert, dass man diese Arbeit so ernst wie ironisch deuten mag.

So wird in der Ausstellung klar, dass das Verhältnis zwischen Kunst und Macht durchaus ambivalent ist und Kunst die Macht hat, Zweifel zu zeigen. Es wird aber auch klar, dass der Grad zwischen Freiheit und Instrumentalisierung sehr schmal ist. Was diesem reich bebilderten Einblick in ein komplexes Thema allerdings fehlt, ist eine Antwort nicht nur auf das "Was" und "Wie" Macht Kunst zeigt zu geben, sondern auch auf das "Warum". Vielleicht ist das ja so, weil persönliche Vorlieben und professioneller Nutzen hier schwer voneinander zu trennen wären.

Service:
Die Ausstellung im Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums Berlin ist bis zum 13. Juni 2010 täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.