Datenanalyse

Voraussagen in Echtzeit

Besprochen von Vera Linß |
Was sich alles aus "Big Data" herauslesen lässt, erklären Software-Spezialist Viktor Mayer-Schönberger und Journalist Kenneth Cukier in ihrem Buch. Sie benennen Gefahren, beantworten allerdings nicht, wie sich der Einzelne dagegen wehren kann.
Die fünf Sinne des Menschen – sehen, hören, riechen, schmecken, tasten – helfen dabei, das Leben zu meistern. Doch inzwischen gibt es ernsthafte Konkurrenz zu diesen direkten, unvermittelten Sinneseindrücken – und zwar durch die ungeheure digitale Datenflut. "Big Data zeigt uns, wie die Welt wirklich ist“, lautet das Versprechen von Viktor Mayer-Schönberger. Der Software-Spezialist und sein Co-Autor, der britische Journalist Kenneth Cukier, sind überzeugt davon, dass Daten wie nie zuvor darüber bestimmen werden, wie Menschen zukünftig ihre Entscheidungen treffen.
Die vielen Informationen, die unaufhörlich gesammelt werden, bekommen allein aufgrund der schieren Masse eine Art Eigenleben – eine neue Qualität, die durchaus etwas Magisches hat. Drei Dinge sind neu in der Art und Weise, wie man Daten zum Sprechen bringen kann, sagen Mayer-Schönberger und Cukier: Stichproben werden überflüssig, denn Milliarden an Informationen lassen sich auf einmal verarbeiten. Auch auf absolute Genauigkeit komme es nicht mehr an. Eine gewisse Unschärfe liefert durchaus valide Erkenntnisse. Und: Statt der Suche nach ursächlichen Zusammenhängen seien heute Muster und Korrelationen gefragt. Die Autoren klären über diese Prozesse gründlich auf, das liest sich abgesehen von etlichen Praxisbeispielen oft so trocken wie eine Mathematikabhandlung, birgt aber einen hohen Erkenntnisgewinn.
Jede Erkenntnis scheint errechenbar
Unglaublich, was sich aus Daten herauslesen lässt: So kann Google nahezu in Echtzeit die Ausbreitung einer Grippewelle voraussagen, allein durch die Auswertung von Suchanfragen. Die Software "Farecast“ verarbeitet fast 200 Milliarden Ticketpreise um abzuschätzen, zu welchem Zeitpunkt sich am günstigsten ein Flug buchen lässt. Und in erfolgreichen Sportteams wie dem Baseballteam Oakland A´s wachen längst Statistiker über die Effektivität jeder einzelnen Bewegung der Spieler.
Diese schöne neue Welt, in der jede Erkenntnis errechenbar scheint, hat natürlich ihren Preis. Mayer-Schönfelder und Cukier warnen vor dem Missbrauch der Datenkonzentration durch Regierungen und Unternehmen. Sie fordern Transparenz darüber, wie Daten verwendet werden und warnen davor, Menschen aufgrund datengestützter Vorhersagen vorzuverurteilen. Das sind wichtige Einwände, die sich wohltuend von der teils naiv wirkenden Euphorie abheben, die die beiden Autoren ansonsten verbreiten.
Dem normalen Verbraucher etwa stellen sie eine ungeahnte Macht gegenüber milliardenschweren Datensammlern wie Google und Facebook in Aussicht, wenn er erst selbst entscheiden könne, wem er "eine Lizenz für seine Daten erteilt und wie viel er dafür verlangt.“ Wie das funktionieren soll, lassen die beiden ebenso unbeantwortet wie die Frage, wo die menschliche Wahrnehmung ihren Platz hat in einer Gesellschaft, die sich zunehmend auf Daten verlässt. Und so geht dieses Buch über eine technisch solide Erklärung von Big Data und den damit verbundenen Gefahren leider kaum hinaus.
Viktor Mayer-Schönberger, Kenneth Cukier: Big Data. Die Revolution, die unser Leben verändern wird
Aus dem Englischen von Dagmar Mallett
Redline Verlag, München 2013
304 Seiten, 24,99 Euro
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