Datenmissbrauch

Dobrindts Überwachungs-Maut

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) stellt am 07.07.2014 in seinem Ministerium in Berlin seine Pläne für eine PKW-Maut vor.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) stellt am 07.07.2014 in seinem Ministerium in Berlin seine Pläne für eine PKW-Maut vor. © picture alliance / dpa / Foto: Stephanie Pilick
Von Stephan Hebel |
Wenn eine Technologie erst einmal eingeführt ist, wird sie auch benutzt. Und oft anders, als zunächst behauptet. Der Publizist Stephan Hebel sieht eine große Gefahr in der geplanten PKW-Maut und dem damit verbundenem Scannen von Kennzeichen. Er hofft auf den Protest der Autofahrer.
Wer Bahn oder Bus fahren will, muss einen Fahrschein kaufen. Das ist allseits bekannt. Bisher hat man nichts darüber gehört, dass bei jedem potenziellen Passagier der Ausweis gescannt würde, bevor er einsteigen darf.
Wer Auto fahren will, muss demnächst eine Maut bezahlen. Allerdings: Hier schlägt der Schnüffelstaat zu. Zwar nicht die Ausweise, aber alle Nummernschilder sollen gescannt werden, um zu prüfen, ob die unsinnige Straßengebühr entrichtet worden ist.
Zeiten des Überwachungswahn
Es ließe sich kaum deutlicher illustrieren, welche Gefahr der Missbrauch der digitalen Technologien für einen demokratischen Rechtsstaat bedeutet. Er besteht in der Idee, jeden Bürger und jede Bürgerin wie Verdächtige zu behandeln und deshalb vorsorglich zu kontrollieren, ohne jeden Anlass. Nicht nur, aber auch bei der Maut. Dass sich die Betreiber von Bussen und Bahnen im Auftrag des Gesetzgebers mit stichprobenartigen Kontrollen begnügen, das wirkt in Zeiten des Überwachungswahns wie ein Relikt aus analogen Zeiten.
Vielleicht lässt sich mit dem Maut-Murks des Verkehrsministers Alexander Dobrindt wenigstens eine Hoffnung verbinden: Diesmal geht es um eine Lieblingsbeschäftigung der Deutschen, das Autofahren. Wo, wenn nicht hier, sollte auch denjenigen ein Licht aufgehen, die ihre Daten sonst großzügig an Konzerne wie Facebook verschenken, damit diese damit echtes Geld verdienen? Liegt da nicht die Frage nahe, warum der Verkehrsminister außer unseren Daten auch noch unser Geld verlangt? Und wann, wenn nicht jetzt wachen diejenigen auf, die an die Harmlosigkeit staatlicher Überwachung glauben, solange sie sich nichts zuschulden kommen lassen?
Dobrindt hat die Kritik mit dem Hinweis beantwortet, die Daten würden nur zur Mautprüfung verwendet und dann gelöscht. Da kann man nur sagen: So wenig der Staat berechtigt ist, seine Bürger mit einem Generalverdacht zu überziehen, so sehr ist es die Pflicht dieser Bürger, den Staat unter Generalverdacht zu stellen. Das Misstrauen, dass Daten, sind sie erst einmal erhoben, die Begehrlichkeit der Sicherheitsbehörden wecken könnten, ist der beste Schutz vor Missbrauch durch den Staat.
Der Preis der Datensammelwut
Schon wenn es um den Kampf gegen Terror und andere Verbrechen geht, ist der Preis der Datensammelwut zu hoch. Das Recht, das da verteidigt werden soll, wird beschädigt durch die Art, in der man es zu schützen vorgibt. Dass sich hier so wenig Widerstand regt, ist bedauerlich, aber angesichts der angeblichen Bedrohungen, die uns in düstersten Farben geschildert werden, noch eher verständlich.
Aber die Dobrindt-Gebühr schützt nichts und niemanden außer einer deutschen Regionalpartei, die im Wahlkampf ein Spielfeld für ausländerfeindliche Ressentiments zu benötigen glaubte. Der reale Gegenwert, den die Regierung damit erzielt, liegt nicht einmal in der Illusion von mehr Sicherheit oder einem anderen, konkreten Nutzen. Der Gegenwert liegt in dem vergleichsweise lächerlichen Betrag von 500 Millionen Euro – optimistisch geschätzt. Für diese halbe Milliarde wird die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger vor der Ausforschung ihrer Reisewege verkauft.
Es sei denn, das motorisierte Volk wacht doch noch auf und lässt sich nicht beruhigen durch den Hinweis, die "Ausländer-Maut" gehe für Deutsche immerhin vorerst nicht ans Geld. Sollte Verkehrsminister Dobrindt es mit seinem Unsinn schaffen, einen Massenboykott des datenfressenden Erfassungssystems zu provozieren, dann hätte er Deutschland einen Dienst erwiesen. Gegen seinen Willen.

Stephan Hebel
, Journalist, geboren 1956 in Frankfurt am Main, studierte Germanistik und Romanistik, bevor er 1986 Redakteur der "Frankfurter Rundschau" wurde. Er arbeitete im Nachrichtenressort, als Korrespondent in Berlin, im Ressort Politik und als Mitglied der Chefredaktion. Seit 2011 ist er als politischer Autor tätig. Bucherscheinungen: "Mutter Blamage. Warum die Nation Angela Merkel und ihre Politik nicht braucht" (Westend Verlag 2013) sowie "Deutschland im Tiefschlaf. Wie wir unsere Zukunft verspielen" (Westend Verlag 2014).
Stephan Hebel, freier Autor
Stephan Hebel, freier Autor© Frankfurter Rundschau
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