Auf dem Weg zu einer europäischen Cloud
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Wer online Daten speichert, nutzt meist US-amerikanische Dienste wie Dropbox, Google oder Amazon. Die Bundesregierung will nun eine deutsche Alternative entwickeln: Gaia-X – ein Netzwerk, das auf ganz Europa erweitert werden soll. Doch vieles ist noch vage.
Wenn private Nutzer Daten wie Fotos oder Videos in der Cloud speichern, denken sie an Anbieter wie Dropbox, iCloud oder Google Drive. Wenn deutsche Firmen die Cloud nutzen, denken sie an sensible Produktionsdaten, Geschäftsgeheimnisse und angemietete Rechenkraft.
Dass sie dabei ebenfalls oft auf amerikanische Unternehmen zurückgreifen, ob sie nun Amazon Web Services, Microsoft oder Google heißen, könnte mittelfristig zum Standortnachteil werden.
Das fürchtet zumindest die Bundesregierung und will dieser Sorge mit einer europäischen Cloud-Initiative entgegentreten. Das Projekt "Gaia-X", abgeleitet von der griechischen Urgöttin der Erde, wurde diese Woche beim Digitalgipfel in Dortmund vorgestellt.
Konkurrenz für Amazon, Google und Microsoft
Vielleicht ist Google indirekt für Gaia-X mitverantwortlich. Denn 2018, als Wirtschaftsminister Peter Altmaier auf dem Digitalgipfel erstmals eine europäische Cloud-Initiative ins Spiel brachte, berichtete er auch von einem Gespräch, das er mit einem Konzernvertreter geführt hatte.
"Und dann habe ich gesagt: ‚Naja, wissen Sie, im Internet der Dinge ist es so, mein lieber Herr von Google: Ihr habt vielleicht das Internet, aber wir haben immer noch die Dinge. Die Maschinen.‘ Und dann hat er gelächelt und sagte: ‚Maybe we are going to buy these things as well.‘ Und das war nicht nur ein Versprechen, es war auch eine Ansage."
"Europa-Cloud" für Firmen
Einen Airbus für künstliche Intelligenz hatte Altmaier damals gefordert, auch von einer "Europa-Cloud" für Firmen war die Rede. Doch was das sein sollte, blieb lange rätselhaft. Staatlich betriebene Serverfarmen als Konkurrenz zu Amazon Web Services und der Google-Cloud etwa?
Beim diesjährigen Digitalgipfel verletzte sich Altmaier beim Sturz von der Bühne, des Rätsels Lösung verkündete deshalb sein Digitalbeauftragter Thomas Jarzombek:
"Unsere Idee besteht nicht darin, einen direkten Konkurrenten zu amerikanischen Angeboten zu schaffen. Das, was wir erreichen wollen, ist, dass wir ein Set von Schnittstellen definieren, und von Standards definieren, von Abrechnungssystemen. Alles, was man braucht, um diese Angebote, diese alle so miteinander zu verbinden, dass daraus eine Innovationsplattform wird."
Gemeinsame Netzwerke bilden
In der Praxis ist Gaia-X also der Versuch, einen Rahmen zu setzen: Einmal für die heimischen Cloud-Anbieter. Die sollen künftig gemeinsame Netzwerke bilden und so zusammen ähnlich flexibel Rechenkraft verlagern, wie es jetzt schon die Großanbieter tun.
Der zweite Rahmen ist für Unternehmen gedacht, die Cloud-Dienste nutzen: Sie sollen ihre Daten miteinander vernetzen können, ob dauerhaft oder nur einmalig. Damit lassen sich theoretisch Anwendungen für das maschinelle Lernen programmieren und trainieren. Die Idee ist auch hier: Wer viele kleine Silos öffnet, bekommt am Ende einen Datenberg.
Andrea Stich vom Halbleiter-Hersteller Infineon beschrieb auf dem Digitalgipfel ein Anwendungsszenario: Predictive Maintainance – vorausschauende Wartung.
"Wir Unternehmen haben natürlich viele Daten über unsere Maschinen. Aber es genügt immer noch nicht, um in jedem Fall Predictive Maintainance perfekt auszuführen. Jetzt gibt es tausend andere Unternehmen, die die gleichen Maschinen nutzen. Würden wir umdenken, alle unsere Daten in einen Pott schmeißen und daraus ableiten, wenn die Maschine hustet, dass der Servicetechniker schon bevor die ausgehustet hat, nämlich vor der Maschine steht und weiß, was ihr fehlt, dann würden wir uns das Geschäft erleichtern."
Ein dezentrales Netzwerk für ganz Europa
Die Bundesregierung hat für das Projekt Partner wie Bosch, SAP, Telekom, Deutsche Bank und Siemens ins Boot geholt. Auch die französische Regierung will mitmachen.
Erst soll die Idee weiteren deutschen Unternehmen, dann 2020 auch anderen europäischen Ländern schmackhaft gemacht werden. Wer genau Gaia-X betreiben soll, steht noch nicht fest.
Die Ideen seien vage und noch nicht kundenorientiert genug, kritisiert deshalb zum Beispiel der KI-Bundesverband. Die praktische Umsetzung eines dezentralen Netzwerks sei durchaus komplex, gibt Boris Otto vom Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik zu. Er war an der Entwicklung von Gaia-X beteiligt und verteidigt das Konzept.
"Es ist eine grundsätzlich komplexere Architektur, aber sie entspricht einerseits mehr dem Designgedanken des Internets der Dinge, des Internet generell. Und entspricht letzten Endes auch der Realität, denn die deutschen Unternehmen haben ja eigentlich alle ihre eigenen Cloud. Aber es geht eben darum, dass man die geschickt miteinander verbindet."