Tiefer Einblick in den Berliner Wohnungsmarkt
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In Berlin eine bezahlbare Wohnung zu finden, wird immer schwieriger. Das Projekt "Mietenwatch" legt nun eine detaillierte Analyse des Wohnungsmarkts vor – und fordert die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne.
Berlin ist unbezahlbar geworden. Das ist keine große Neuigkeit. Doch kaum wurde sie bisher so genau bewiesen wie durch die Recherchen des Portals "Mietenwatch". 18 Monate lang hat das Projekt Daten zu Mietwohnungsangeboten auf Immobilienportalen gesammelt und ausgewertet. So habe man ein umfassendes Bild von der aktuellen Lage auf dem Berliner Mietmarkt gewonnen, sagt Olivia Blanke von Mietenwatch.
"Ob man noch eine bezahlbare Wohnung findet, hängt davon ab, wie viel Geld man hat. Aus unseren Untersuchungen geht hervor, dass sowohl Menschen mit niedrigen, als auch mit durchschnittlichen Einkommen sehr große Schwierigkeiten haben, bezahlbaren Wohnraum zu finden – insbesondere innerhalb des S-Bahn-Rings."
Nur ein Prozent bezahlbare Wohnungen
Unter bezahlbar verstehet Mietenwatch eine Bruttowarmmiete, die nicht über 30 Prozent des gesamten Nettoeinkommens eines Haushalts liegt. Blanke: "Berlinweit kann sich eine Person, die alleine wohnt und ein durchschnittliches Einkommen bezieht, nur 4,4 Prozent der Angebote leisten. Innerhalb des Rings sind es nur ein Prozent. Das gilt mehr oder weniger für alle Bezirke, nicht nur für die besonders schönen Gegenden, wo alle hinwollen."
Der Anstieg der Mieten ließe sich natürlich einerseits darauf zurückführen, dass es mehr Nachfrage als Angebote gebe. Aber was ebenfalls fehle, sei eine Regulierung der Preise. Diese würden in exorbitante Höhen schießen. "Wir werden morgen unter anderem ein Ranking veröffentlichen mit den zehn teuersten Anbietern. Da sieht man teilweise Preise von 55 Euro pro Quadratmeter. Der Markt allein regelt das Problem nicht", warnt Blanke.
Mietendeckel würde teilweise helfen
Aber was ist mit der von der Politik so viel gelobten Mietpreisbremse? Laut Blanke wirke diese aus verschiedenen Gründen nicht. Einerseits gäbe es viele Ausnahmen. Anderseits halte sich de facto kaum ein Vermieter an die Bremse. Der viel diskutierte Mietendeckel hingegen würde wenigstens teilweise helfen, die Situation zu lindern, glaubt Blanke.
"Wir haben errechnet, dass wir Ersparnisse zwischen vier und neun Euro pro Quadratmeter, je nach Bauweise, erhalten würden. Das wäre auf jeden Fall eine Entspannung der Lage. Gegenden, die momentan unbezahlbar sind für viele Menschen, würden wieder erschwinglich werden. Aber natürlich ist der Mietendeckel nur eine Maßnahme auf Zeit und keine langfristige Lösung. Es wäre ein Anfang, aber es bedarf auch weiterer Maßnahmen."
"Eine lebendige Stadt braucht soziale Mischung"
Auch bauen alleine reiche nicht, meint Blanke. Vielmehr könnte die Vergesellschaftung privater Immobilienkonzerne eine langfristige Maßnahme sein, mit der man die Preisentwicklung auf längere Zeit regulieren könne. Und vielleicht wäre so auch eine demokratischere Verwaltung des Wohnraums möglich: Menschen mit niedrigen Einkommen könnten so Zugang zum Wohnungsmarkt erhalten. Im Moment würden reichere Leute in einer Konkurrenzsituation immer bevorzugt.
Doch nicht nur für Durchschnittsverdiener sei die Wohnungsnot eine Katastrophe – auch das Stadtbild leide darunter. "Eine lebendige Stadt braucht soziale Mischung. Das hat Berlin lange Jahre ausgemacht. Jetzt sehen wir, dass die Mieter unter enormem Druck stehen und dass nur Leute mit sehr viel Geld sich das Leben in den Innenbezirken leisten können. Dadurch geht die Vielfalt in der Stadt kaputt", so Blanke.