Datenschutz

    EuGH kippt Vorratsdatenspeicherung

    Ein automatisches Lager für Magnet-Datenbänder (Tape-Bibliothek) arbeitet in einem Nebenraum des Supercomputers "Blizzard" im Deutschen Klimarechenzentrum in Hamburg.
    Auch Daten von diesem Supercomputer dürfen künftig nicht mehr verdachtlos von Behörden gespeichert werden. © dpa / picture alliance / Christian Charisius
    Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen europäisches Recht. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Demnach dürfen Verbindungsdaten von Telefon, Internet und E-Mail ohne Verdacht auf Straftaten künftig nicht mehr gespeichert werden.
    Der EuGH erklärte, die Richtlinie "beinhaltet einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige beschränkt". Auf mehreren Seiten begründete das Gericht die Entscheidung, berichtet Malte Pieper im Deutschlandradio Kultur.Der EuGH hatte bereits im vergangenen Dezember Zweifel an der Vorratsdatenspeicherung geäußert.
    Der EuGH gab damit einer irischen Bürgerrechtsorganisation, der Kärntner Landesregierung und mehreren Tausend Österreichern Recht, die gegen die Datenspeicherung geklagt hatten (Rolf Clement analysiert das Urteil im Deutschlandradio Kultur).
    Die Koalitionspartner CDU/CSU und SPD reagierten unterschiedlich auf das Urteil. Der sozialdemokratische Bundesjustizminister Heiko Maas meinte, mit der Entscheidung sei auch die Grundlage für die im Koalitionsvertrag vereinbarte Neuregelung der Datenspeicherung in Deutschland entfallen. "Es besteht jetzt kein Grund mehr, schnell einen Gesetzentwurf vorzulegen", erklärte Maas.
    "Ein Befreiungsschlag für die Bürgerrechte"
    Dagegen machte Bundesinnenminister Thomas de Maizière deutlich, dass er weiterhin Handlungsbedarf sieht. "Ich dränge auf eine rasche, kluge, verfassungsmäßige und mehrheitsfähige Neuregelung", sagte der CDU-Politiker. Alle Fachleute seien sich einig, dass eine Vorratsdatenspeicherung "zum Zwecke der Aufklärung schwerer Straftaten" geboten sei.
    Grüne und FDP lobten das Urteil. Die Entscheidung sei "ein Befreiungsschlag für die Bürgerrechte", erklärte Jan Philipp Albrecht, der Datenschutzbeauftragte der Grünen. Die anlasslose Speicherung sei ineffektiv, sagte Albrecht zuvor im Deutschlandradio Kultur.
    Alexander Graf Lambsdorff, Vorsitzender der FDP im Europaparlament, erklärte, die Richtlinie habe "in all ihren Punkten versagt, sie hebelt unsere Grundrechte aus und verhindert keine Straftaten". Sowohl EU-Kommission als auch Bundesregierung sollten sich nun davor hüten, ein neues Überwachungsmonster nach dem amerikanischen Vorbild der NSA zu kreieren.
    Vorratsdatenspeicherung auch in Deutschland gekippt
    In Deutschland existiert zurzeit keine gesetzliche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung. Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutschen Vorgaben 2010 ebenfalls gekippt. Die damalige Regierung aus Union und FDP konnte sich anschließend nicht auf eine Neufassung einigen.
    Die beiden Türme des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg
    Der Europäische Gerichtshof entschied: Die Richtlinie verstößt gegen europäisches Recht.© picture alliance / dpa / Thomas Frey
    Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die EU-Vorgaben umzusetzen. Das Innen- und das Justizministerium wollten einen Gesetzentwurf allerdings erst nach der Entscheidung aus Luxemburg vorlegen.
    Richtlinie als Reaktion auf Terroranschläge
    Die aktuelle EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung stammt aus dem Jahr 2006 und ist eine Reaktion auf die Terroranschläge in Madrid 2004 und in London 2005. Sie sieht vor, dass Telekommunikationsanbieter Daten aller Bürger bis zu zwei Jahre lang aufbewahren sollen.
    Gespeichert werden aber nicht die Inhalte von Telefonaten, E-Mails oder Internetseiten, sondern lediglich Verbindungsdaten wie Zeit, Ort, Sender und Empfänger. Ermittler sollen darauf zugreifen dürfen, um schwere Straftaten schneller aufzuklären.
    mhn

    Programmtipp: Auch in der "Ortszeit" ab 17.07 Uhr geht es um das EuGH-Urteil.

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