Klatsche für Google
Google kann jetzt dazu verpflichtet werden, Verweise mit persönlichen Daten aus seinen Ergebnissen zu streichen. Das sei eine schwere Schlappe für den Suchmaschinenbetreiber, meint der Journalist Manfred Kloiber.
Spackeria aufgepasst! Eure Post-Privacy ist tot! Die Anhänger der totalen Transparenz als Gegenentwurf zu sinnlosem Datenschutz und global agierenden Datenkraken - sie haben einen gewaltigen Dämpfer bekommen. Dem Europäischen Gerichtshof sei Dank!
Was ist passiert? Damals, vor vielen Jahren, ging es einem Spanier nicht so gut. Er hatte Schulden bei der Sozialversicherung. Und deshalb sollte sein Grundstück zwangsversteigert werden. Eine spanische Zeitung berichtete darüber - und nannte seinen Namen. Das alles ist lange her, längst geregelt und eigentlich vergessen, ein Fall für das Archiv - eben Geschichte im doppelten Sinn. Doch hier genau wird es brenzlig. Denn die Zeitung hat ihr Archiv digitalisiert und im Internet zugänglich gemacht. Und Googles Suchmaschine verlinkt drauf - der Name des Spaniers wird mit einem Makel verlinkt, der eigentlich längst Geschichte ist. Dagegen hat der Spanier sich gewehrt: gegen die Zeitung und gegen Google.
Gegen die Zeitung konnte er sich nicht durchsetzen, gegen Google schon. Das Archiv darf bleiben, denn der Artikel war damals richtig und rechtens, seine Archivierung auch. Aber die Links darauf müssen entfernt werden, denn das penetrante Verlinken auf privaten Schnee von gestern ist für jeden normalen Bürger einfach unzumutbar. Ein weises Urteil!
Der digitale Deal
Denn damit hat der Europäische Gerichtshof - und nicht die Politik - wichtige Pfeiler in Sachen Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung gesetzt. Und er hat die Netz-Pessimisten, die Post-Privacy-Träumer, eines Besseren belehrt. Wer wie sie bislang an die These glaubte, Google und Co. sei in Sachen Datenschutz kein Einhalt mehr zu bieten, weil das der digitalen Deal sei - Datenstriptease gegen coole Suchmaschine -, der kann nun entspannter in die Zukunft blicken. Das Gericht hat die Ohnmacht gegenüber den Datenkraken im Netz, dieses beklemmende Gefühl der Resignation überwunden. Und es macht Suchmaschinen-Anbieter endlich dafür verantwortlich, wie sie verlinken.
Das sah der Generalanwalt am Gerichtshof ganz anders. Er hatte nämlich zu Gunsten Googles plädiert. Das Unternehmen sei nicht verantwortlich für die Inhalte auf den Seiten, auf die es verlinke. Diese Argumentation ist eine rein funktionale. Sie reduziert Googles Suchmaschine auf eine Art technischer Informationsbeschaffer oder digitaler Pressespiegel - ohne jeden inhaltlichen Anspruch. Tatsächlich aber besteht Googles Dienstleistung doch darin, inhaltliche Verbindungen herzustellen, Relationen und Profile von Menschen oder Unternehmen sichtbar zu machen - gegen Geld aus der Werbebranche. Das hat wirklich eine eigene Qualität und verlangt nach modernen Datenschutz-Standards.
Dummdreiste Ausflucht
Google selbst hat sich mit noch ganz anderen Argumenten gewehrt: Die Europäische Datenschutzverordnung gelte für seine Suchmaschine gar nicht. Denn schließlich stünden die Rechner nicht in Europa. Diese gewagte, ja fast schon dummdreiste Ausflucht, auch sie ließen die Europäischen Richter nicht gelten. Stattdessen stellten sie fest: Wenn Google mit seiner Suchmaschine in Europa Werbeumsätze tätigt und damit Geld verdient, dann muss das Unternehmen sich europäischen Datenschutzgesetzen unterwerfen.
Für einen international agierenden Konzern wie Google ist das eine schwere Schlappe. Denn ähnlich der Steuerflucht großer Multis gab es bislang auch eine Datenflucht - die Daten wurden und werden dort verarbeitet, wo der Widerstand der Datenschützer am geringsten ist. Für die Suchmaschinen hat das Urteil das nun gut geregelt - bei den Steuern hingegen werden selbst von EU-Staaten ständig neue Schlupflöcher geöffnet. Da kann man nur hoffen, dass die neue EU-Datenschutzverordnung der Spackeria am Ende nicht doch noch Recht gibt.