"Datensparsamkeit ist eigentlich das Beste"
Dass Facebook mit Timeline ein neues Konzept lanciert, wurde Ilse Aigner bei ihren Gesprächen in den USA verschwiegen, was sie "nicht in Ordnung" findet. Überhaupt ist die CSU-Ministerin sehr in Sorge um den Datenschutz der Facebook nutzenden Verbraucher.
Gabi Wuttke: Nackt zu sein, ist ein absoluter Begriff und deshalb eigentlich nicht steigerbar. Facebook gelingt es trotzdem. Die 750 Millionen Nutzer weltweit der Internetplattform dürfen jetzt noch mehr von sich preisgeben. Bevor wir Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner dazu befragen,
Beitrag in Ortszeit, Deutschlandradio Kultur (MP3-Audio)
erläutert Jan Tussing das neue Facebook-Konzept Timeline.
Ilse Aigner von der CSU, alles andere als gefallen dürften ihr diese neuen Konzepte, denn die Bundesverbraucherschutzministerin hat an Facebook einiges auszusetzen. Guten Morgen, Frau Aigner!
Ilse Aigner: Schönen guten Morgen!
Wuttke: Sie sind vor wenigen Tagen aus den USA zurückgekehrt, wo Sie auch mit Facebook-Vertretern über mehr Datenschutz für die Nutzer in Deutschland gesprochen haben – angesichts von Timeline nun: Hätten Sie sich das schenken können?
Aigner: Nein, ich würde sagen, es war auf alle Fälle gut, miteinander zu sprechen und nicht mehr übereinander. Es hat sich aber unterm Strich natürlich wieder gezeigt, dass die Grundphilosophie ist, möglichst viele Daten sozusagen auch zu bekommen, und vor allem auch die Voreinstellungen nach wie vor so sind, dass eben die Türen eher offen sind als geschlossen. Und wir werden diese Gespräche aber fortsetzen müssen.
Wuttke: Das heißt, bei Facebook ist man nicht wirklich auf Sie zugegangen und von Timeline hat man Ihnen nichts erzählt?
Aigner: Nein, das wurde mir nicht gesagt, sondern es war eigentlich das Angebot, dass man eher über die Frage spricht, wie man die Medienkompetenz von Jugendlichen weiter stärkt. Aber über dieses wichtige Projekt wurde mir nichts gesagt - was nicht in Ordnung ist.
Wuttke: Im Prinzip gibt es ja in Deutschland schon die Möglichkeit, Dinge, die nicht rechtens sind, zu sanktionieren, vielleicht irgendwann auch mal wirklich schmerzhaft. Andererseits, Facebook ist ungeheuer beliebt, Millionen junger Menschen würden Sie für Ihre Sorgen verdammen, es sei denn, Sie würden selbst mal darauf kommen, wie nackt sie sich machen. Hoffen Sie darauf?
Aigner: Also ich meine schon, dass dieser Schritt jetzt mit dem Timeline ein weiterer Sprung ist, der vielleicht auch wachrüttelt. Nun muss sich jeder mal vergegenwärtigen, das ganze Leben so im Internet zu präsentieren, und jeder soll sich überlegen, ob er diese Daten jedem auch geben will. Es wird auf Ewigkeiten im Netz stehen, und ich bin mir nicht sicher, ob hier die Einstellungen so sind, dass jeder den Überblick behält, wie im Beitrag auch angeführt, was wo wer jetzt im Moment einsehen kann und ob er das auch dementsprechend zurücknehmen kann.
Die Automatismen sind relativ einfach und relativ gut eingestellt, und deshalb, glaube ich, gibt es hier jetzt schon starke Vorbehalte auf die Kommentare – auf den einschlägigen Websites sind sie ja auch schon deutlich zu erkennen. Das ist das, was ich immer gesagt habe: Die Menschen müssen Acht geben, es sollte nicht das Ende der Privatheit sein, ganz im Gegenteil, man soll seine Daten schützen, Datensparsamkeit ist eigentlich das Beste, und die Bequemlichkeit, sich im Netz zu bewegen, heißt immer auch Daten preiszugeben möglichst vielen Menschen. Und das kann nicht im Interesse des Einzelnen sein. Dem Staat würde man diese Daten mit Sicherheit nicht geben.
Wuttke: In diesem Zusammenhang sind Selbstverpflichtung von Unternehmen dann also gar nichts wert?
Aigner: Also Selbstverpflichtungen in Amerika zum Beispiel sind andere Qualität als in Deutschland, das werden wir aber auch noch intensiv diskutieren müssen. Hier sind die Verbraucherschutzverbände, aber auch die Datenschutzverbände mit am Tisch bei Selbstverpflichtungen, nicht nur die Wirtschaft. Aber das ist das Problem jetzt von Deutschland in Anführungsstrichen. Ich glaube, wichtig ist, dass wir die Diskussion weiterführen, auch in Amerika. Ich habe hier auch die Diskussionen mit Verbraucherschutzverbänden geführt, mit der Federal Trade Commission, um hier das amerikanische Datenrecht auch etwas mehr an das europäische anzudocken und auch die Umsetzung des Safe-Harbor-Abkommens mehr noch zu forcieren, und das werde ich auch weiter im Auge behalten, da können Sie sicher sein.
Wuttke: Der europäische Stützpunkt von Facebook ist ja Irland, und die EU-Datenschutzrichtlinien sollen bis kommenden Monat überarbeitet werden. Setzt eine mögliche weitere Liberalisierung Ihre Ansprüche für Deutschland dann womöglich endgültig ins Abseits?
Aigner: Also ich gehe davon aus, dass wir uns auf der europäischen Ebene eben über genau diese Fragen unterhalten müssen: Wie ist es mit dem Datenschutz in der europäischen Union, wie ist es mit dem Austausch von Daten zu Firmen, die in Amerika ihren Sitz haben? Und genau diese Fragen müssen wir bei der europäischen Datenschutzrichtlinie klären. Ich halte das auch für die richtige Größenordnung, weil hier auch dann ein Markt dahintersteht, der auch Firmen in Amerika eine Größenordnung darstellt, die durchaus interessant für sie ist, wenn hier eine Gegenbewegung stattfindet.
Wuttke: Aber apropos Markt: Mindestens Irland wird sich Ihnen doch nicht anschließen?
Aigner: Wir werden drüber diskutieren, und in einem Rat gibt es immer heiße Diskussionen.
Wuttke: Da Facebook ja ganz offensichtlich bereits jetzt schon gegen deutsches Recht verstößt, Frau Aigner, sind Sie denn gewillt, die Datenschutzbeauftragten besser auszustatten oder ausstatten zu lassen, damit die Ihnen justiziables Futter liefern können?
Aigner: Also jetzt würde ich erst mal sagen, dass die schon vorhandenen Daten noch mal gesammelt werden, ich will auch mit den Datenschutzbeauftragten noch mal sprechen, die damit beschäftigt sind, und genau diese Unterlagen will ich der Federal Trade Commission dann auch zuleiten, die dann ein Verfahren einleiten können gegebenenfalls. Und das werden wir jetzt im Nachgang nach der Amerikareise vorantreiben.
Wuttke: Das heißt, es gibt erst mal für die Datenschutzbeauftragten Überstunden oder dann doch ein bisschen mehr Personal?
Aigner: Ich würde sagen, das, was sie schon haben und schon gesammelt haben, würde ich jetzt erst mal gebündelt sozusagen an die amerikanische Behörde weitergeben, und das ist, glaube ich, das Wichtigste.
Wuttke: Facebook und der gläserne Nutzer – dazu in der Ortszeit von Deutschlandradio Kultur Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner. Besten Dank, Frau Aigner, und schönes Wochenende!
Aigner: Schönen Dank, schönen Tag und ein schönes Wochenende!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Ilse Aigner von der CSU, alles andere als gefallen dürften ihr diese neuen Konzepte, denn die Bundesverbraucherschutzministerin hat an Facebook einiges auszusetzen. Guten Morgen, Frau Aigner!
Ilse Aigner: Schönen guten Morgen!
Wuttke: Sie sind vor wenigen Tagen aus den USA zurückgekehrt, wo Sie auch mit Facebook-Vertretern über mehr Datenschutz für die Nutzer in Deutschland gesprochen haben – angesichts von Timeline nun: Hätten Sie sich das schenken können?
Aigner: Nein, ich würde sagen, es war auf alle Fälle gut, miteinander zu sprechen und nicht mehr übereinander. Es hat sich aber unterm Strich natürlich wieder gezeigt, dass die Grundphilosophie ist, möglichst viele Daten sozusagen auch zu bekommen, und vor allem auch die Voreinstellungen nach wie vor so sind, dass eben die Türen eher offen sind als geschlossen. Und wir werden diese Gespräche aber fortsetzen müssen.
Wuttke: Das heißt, bei Facebook ist man nicht wirklich auf Sie zugegangen und von Timeline hat man Ihnen nichts erzählt?
Aigner: Nein, das wurde mir nicht gesagt, sondern es war eigentlich das Angebot, dass man eher über die Frage spricht, wie man die Medienkompetenz von Jugendlichen weiter stärkt. Aber über dieses wichtige Projekt wurde mir nichts gesagt - was nicht in Ordnung ist.
Wuttke: Im Prinzip gibt es ja in Deutschland schon die Möglichkeit, Dinge, die nicht rechtens sind, zu sanktionieren, vielleicht irgendwann auch mal wirklich schmerzhaft. Andererseits, Facebook ist ungeheuer beliebt, Millionen junger Menschen würden Sie für Ihre Sorgen verdammen, es sei denn, Sie würden selbst mal darauf kommen, wie nackt sie sich machen. Hoffen Sie darauf?
Aigner: Also ich meine schon, dass dieser Schritt jetzt mit dem Timeline ein weiterer Sprung ist, der vielleicht auch wachrüttelt. Nun muss sich jeder mal vergegenwärtigen, das ganze Leben so im Internet zu präsentieren, und jeder soll sich überlegen, ob er diese Daten jedem auch geben will. Es wird auf Ewigkeiten im Netz stehen, und ich bin mir nicht sicher, ob hier die Einstellungen so sind, dass jeder den Überblick behält, wie im Beitrag auch angeführt, was wo wer jetzt im Moment einsehen kann und ob er das auch dementsprechend zurücknehmen kann.
Die Automatismen sind relativ einfach und relativ gut eingestellt, und deshalb, glaube ich, gibt es hier jetzt schon starke Vorbehalte auf die Kommentare – auf den einschlägigen Websites sind sie ja auch schon deutlich zu erkennen. Das ist das, was ich immer gesagt habe: Die Menschen müssen Acht geben, es sollte nicht das Ende der Privatheit sein, ganz im Gegenteil, man soll seine Daten schützen, Datensparsamkeit ist eigentlich das Beste, und die Bequemlichkeit, sich im Netz zu bewegen, heißt immer auch Daten preiszugeben möglichst vielen Menschen. Und das kann nicht im Interesse des Einzelnen sein. Dem Staat würde man diese Daten mit Sicherheit nicht geben.
Wuttke: In diesem Zusammenhang sind Selbstverpflichtung von Unternehmen dann also gar nichts wert?
Aigner: Also Selbstverpflichtungen in Amerika zum Beispiel sind andere Qualität als in Deutschland, das werden wir aber auch noch intensiv diskutieren müssen. Hier sind die Verbraucherschutzverbände, aber auch die Datenschutzverbände mit am Tisch bei Selbstverpflichtungen, nicht nur die Wirtschaft. Aber das ist das Problem jetzt von Deutschland in Anführungsstrichen. Ich glaube, wichtig ist, dass wir die Diskussion weiterführen, auch in Amerika. Ich habe hier auch die Diskussionen mit Verbraucherschutzverbänden geführt, mit der Federal Trade Commission, um hier das amerikanische Datenrecht auch etwas mehr an das europäische anzudocken und auch die Umsetzung des Safe-Harbor-Abkommens mehr noch zu forcieren, und das werde ich auch weiter im Auge behalten, da können Sie sicher sein.
Wuttke: Der europäische Stützpunkt von Facebook ist ja Irland, und die EU-Datenschutzrichtlinien sollen bis kommenden Monat überarbeitet werden. Setzt eine mögliche weitere Liberalisierung Ihre Ansprüche für Deutschland dann womöglich endgültig ins Abseits?
Aigner: Also ich gehe davon aus, dass wir uns auf der europäischen Ebene eben über genau diese Fragen unterhalten müssen: Wie ist es mit dem Datenschutz in der europäischen Union, wie ist es mit dem Austausch von Daten zu Firmen, die in Amerika ihren Sitz haben? Und genau diese Fragen müssen wir bei der europäischen Datenschutzrichtlinie klären. Ich halte das auch für die richtige Größenordnung, weil hier auch dann ein Markt dahintersteht, der auch Firmen in Amerika eine Größenordnung darstellt, die durchaus interessant für sie ist, wenn hier eine Gegenbewegung stattfindet.
Wuttke: Aber apropos Markt: Mindestens Irland wird sich Ihnen doch nicht anschließen?
Aigner: Wir werden drüber diskutieren, und in einem Rat gibt es immer heiße Diskussionen.
Wuttke: Da Facebook ja ganz offensichtlich bereits jetzt schon gegen deutsches Recht verstößt, Frau Aigner, sind Sie denn gewillt, die Datenschutzbeauftragten besser auszustatten oder ausstatten zu lassen, damit die Ihnen justiziables Futter liefern können?
Aigner: Also jetzt würde ich erst mal sagen, dass die schon vorhandenen Daten noch mal gesammelt werden, ich will auch mit den Datenschutzbeauftragten noch mal sprechen, die damit beschäftigt sind, und genau diese Unterlagen will ich der Federal Trade Commission dann auch zuleiten, die dann ein Verfahren einleiten können gegebenenfalls. Und das werden wir jetzt im Nachgang nach der Amerikareise vorantreiben.
Wuttke: Das heißt, es gibt erst mal für die Datenschutzbeauftragten Überstunden oder dann doch ein bisschen mehr Personal?
Aigner: Ich würde sagen, das, was sie schon haben und schon gesammelt haben, würde ich jetzt erst mal gebündelt sozusagen an die amerikanische Behörde weitergeben, und das ist, glaube ich, das Wichtigste.
Wuttke: Facebook und der gläserne Nutzer – dazu in der Ortszeit von Deutschlandradio Kultur Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner. Besten Dank, Frau Aigner, und schönes Wochenende!
Aigner: Schönen Dank, schönen Tag und ein schönes Wochenende!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.