Datenspeicherung

Blackbox im Auto

Von Stephanie Kowalewski |
Wer vorsichtig fährt, zahlt weniger - nach diesem Motto funktionieren Telematik-Tarife. Eine Blackbox zeichnet Daten zum Fahrverhalten auf. Erstmals lockt eine deutsche Versicherung mit einem solchen Angebot.
Thomas Strauch fährt jeden Tag von seinem Wohnort Goch am Niederrhein zu seiner Arbeitsstelle mitten in Düsseldorf und zurück. Das sind rund 200 Kilometer Landstraße, Autobahn und Stadtverkehr.
"Jetzt haben wir hier Zone 30. Also auch dann hier schön gemütlich und vorausschauend fahren."
So ziemlich alles was der 52jährige mit seinem Auto macht, wird datentechnisch erfasst. Er ist einer von bis zu 1000 Autofahrern, die an einem Pilotprojekt der Sparkassen-Direkt-Versicherung teilnehmen. Thomas Strauch hat hier eine in Deutschland noch einzigartige KFZ-Versicherung abgeschlossen, die vorsichtiges Fahren mit einem Rabatt bei der Versicherungsprämie belohnt.
"Ich kann ja mal zeigen, was man nicht machen sollte. Man darf also nicht so wie jetzt abrupt bremsen. Schon haben sie 20 Punkte weniger."
Für diese eine Fahrt. Damit die Versicherung weiß, wie Thomas Strauch tatsächlich fährt, hat sie von einer Werkstatt eine etwa zigarettenschachtelgroße "Blackbox" in sein Auto einbauen lassen.
"Das ist hier unten drunter, unter dem Amarturenbrett. Man sieht es nicht. Die läuft über die Autobatterie und sendet alle 30 Sekunden ein GPS-Signal, was dann aufgefangen wird."
Die Blackbox oder auch "Telematikbox" genannt sorgt dafür, dass keine seiner Fahrten mehr geheim bleibt und jede Menge Details zu seinem Fahrverhalten gesammelt werden, sagt Jürgen Cramer, Vorstandsmitglied der Sparkassen-Direktversicherung in Düsseldorf.
"Wie stark hab ich beschleunigt und abgebremst, wo bin ich hergefahren - Stadt, Land, Autobahn - wann bin ich gefahren - nachts oder tagsüber und wir messen auch Geschwindigkeitsüberschreitungen, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitungen 20 Prozent der vorgeschriebenen Geschwindigkeit übersteigt."
Wer zu schnell fährt, oft in der Stadt und nachts unterwegs ist, gehört laut Satistik zur Risikogruppe und kann für die Versicherung teuer werden. Die Blackbox im Auto soll jetzt helfen, den Fahrstil eines Versicherten in dem Tarif zu berücksichtigen.
"Die Box sammelt keine Daten, weil die Box schickt die Daten direkt weiter. Das war ausdrücklicher Wunsch des Landesschutzbeauftragten NRW. Also die Daten werden direkt weitergeschickt und werden in einem Hostingcenter gespeichert für maximal 1,5 Jahre."
Die gesammelten Daten landen beim Kooperationspartner Telefonica in London. Hier kennt man nur die zur Blackbox gehörende Kunden-Identifikationsnummer, mehr nicht. Während der Fahrer über eine App auf seinem Smartphone oder ein Internetportal auf all seine Daten zugreifen kann, erfährt die Versicherung keine Details der aufgezeichneten Fahrten, betont Jürgen Cramer.
"Und wir bekommen nur einmal im Monat die aggregierten Scorewerte."
Also eine zusammengefasste Punktwertung des Fahrstils für den aktuellen Monat.
"Die also keinerlei Rückschluss auf konkrete Fahrten erlauben."
Eine weitere Spielart von Big Brother?
Es gibt also zwei getrennte Datenwege, die schon ein hohes Maß an Sicherheit bieten, urteilt Nils Schröder, Sprecher des Landesbeauftragten für Datenschutz in NRW.
"Das ist der Vorteil. Insofern haben wir da, was die rechtliche Seite angeht, keine Bedenken. Aber trotzdem muss man sehen, die Daten sind ja irgendwo. Es gibt einen Pool mit Daten über mein persönliches Fahrverhalten. Und das kann schon Begehrlichkeiten von anderen auslösen."
Während die einen diese neue Art der KFZ-Versicherung für eine weitere Spielart von Big Brother halten und sich deutlich gegen die allerorts wachsende Datensammelleidenschaft aussprechen, bleibt Thomas Strauch ganz gelassen - auch wenn das manche seiner Freunde nicht verstehen können, sagt er.
"Manche haben gesagt, bu bist bescheuert. Ich hab gesagt, ja wieso denn eigentlich? Ich bin so gläsern. Wenn ich mein Handy benutze, weiß jeder wo ich bin, wenn ich mein Navigerät anmache, weiß jeder wo ich bin. Macht mir rein gar nichts. Ich hab nichts zu verbergen. Wenn sogar schon die Kanzlerin ausspioniert wird, dann bin ich so ein kleines Licht, da interessiert sich dann keiner für."
Das sieht Nils Schröder vom Landesdatenschutz NRW ganz anders. Er kann sich gut vorstellen, dass sich sogar recht Viele für die Daten von Thomas Strauch interessieren könnten.
"Von einer Versicherung selbst angefangen bis hin vielleicht auch zur Werbewirtschaft, die sowas bestimmt auch ganz spannend findet, bis hin zu staatlichen Stellen, die vielleicht zur Strafvervolgung da ein Interesse dran haben könnten."
Für Thomas Strauch überwogen aber nicht die Bedenken, sondern die Aussicht auf finanzielle Vorteile. Denn wer beim Fahren alles richtig macht, bekommt 100 Punkte. Wer im monatlichen Durchschnitt auf mindestens 80 Punkte kommt, erhält fünf Prozent Ermäßigung bei der Versicherungsprämie für das kommende Jahr. Bei Thomas Strauch macht das nur 40 Euro aus. Dennoch kann sich der Niederrheiner freuen, denn er ist gerade zum besten Fahrer des Monats gekürt worden. Und wer so sicher fährt, der hat sich einen Sonderrabatt verdient.
"Ich habe ich drei Monatsbeiträge gewonnen sozusagen, die ich jetzt überwiesen kriege."
Rund 71 Euro Miete im Jahr
Ohne diese Sondersauszeichnung ist der finanzielle Anreiz aber relativ gering, zumal der Kunde - je nach Tarif – für die Blackbox rund 71 Euro Miete im Jahr zahlen muss. Deshalb wirbt die Versicherung auch mit den Zusatzleistungen des Telematiksystems, sagt Jürgen Cramer:
"Nach Einbau der Box wird bei einem schweren Unfall automatisch der Rettungswagen gerufen, der zweite Vorteil ist, ich bekomme als Fahrer Feedback zu meinem Fahrverhalten und wenn der Wagen geklaut wird, können wir über die Telematikbox direkt rausfinden wo der Wagen steht."
Alles Argumente die für die neue KFZ-Versicherung samt Blackbox sprechen, meint Thomas Strauch.
"Ich bin damit hundertprozentig zufrieden, ich kann sie jedem weiter empfehlen, der nicht gerade Angst hat vor Überwachung."
Der Datenschützer Nils Schröder hat da erwartungsgemäß eine andere Meinung.
"Ich selber würde solch ein Angebot nicht nutzen, weil mir meine Privatsphäre da wichtiger ist."
Das müsse aber jeder nach sorgfältiger Überlegung selber entscheiden. Und er mahnt eindringlich, dass die Preisgabe privater Daten für den Kunden freiwillig bleiben muss - auch dann, wenn sich das Telematiksystem durchsetzten sollte.
"Gesellschaftspolitisch würde ich schon sagen, das ist eine gewisse Gefahr, denn je nachdem, wie sich das Geschäftsmodell entwickelt, kann es irgendwann ja auch mal dazu kommen, dass man vielleicht nur dann eine Versicherung bekommt, wenn man sich so eine Analysebox ins Auto bauen lässt. Das wichtige ist aus der Perspektive der Grundrechte, des Datenschutzes dass man sich frei entscheiden kann. Da muss am Ende auch der Gesetzgeber ein Auge drauf halten."
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