Daniel Bouhs berichtet für die ARD und die Wellen des Deutschlandradios als Medienjournalist über die Schnittstelle von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Jahrelang hat er zudem Kollegen im Umgang mit neuen Medien geschult und dafür auch ein Handbuch verfasst: "Soziale Netzwerke für Nachrichtenjournalisten".
Letzter Versuch, den BER zu skandalisieren
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Er taugt nur noch für Witze: Kaum jemand kann sich noch wirklich darüber aufregen, dass der BER nicht fertig wird, meint Daniel Bouhs. Weil heute in Brandenburg der Flughafen-Sonderausschuss tagt, versucht der Medienjournalist es doch noch mal.
Manchmal fahre ich am neuen Berliner Flughafen vorbei. Am liebsten nachts. Die Landstraße im Osten knapp hinter Berlin liegt dicht dran und leicht erhöht. Der BER ist dann ein echter Lichtblick. Wie eine Spielstadt für Kinder: Der Tower, die Landebahnen, das Terminal: hell erleuchtet. So modern, so ordentlich, so unschuldig. Was fehlt sind: die Flugzeuge.
Die "Berliner Morgenpost" hat eine Webseite geschaltet, auf der sich jeder Gewissheit verschaffen kann, der sich in einem Traum wähnt: www.istderBERschonfertig.de, dort steht ganz groß: Nein. Der "Tagesspiegel" zählt wiederum jeden Tag, wie lange der allererste Eröffnungstermin schon verpasst wurde: 2621 Tage. Mehr als sieben Jahre.
Pannenflughafen, Milliardengrab, Desaster
Ja, das alles ist ein riesiger Skandal. Und darüber wurde auch schon fleißig berichtet. Sonderseiten in Zeitungen, ganze Fernsehdokumentationen zum "Pannenflughafen BER – vom Vorzeigeprojekt zum Milliardengrab" und natürlich auch "die Chronik eines Desasters": Kabel, die ins Leere verlegt wurden. Tunnel, in denen ein einsamer Fahrer Tag für Tag seine S-Bahn hin und her gondelt, damit nichts schimmelt und die Wasserhähne, die immer wieder laufen müssen, damit nichts verstopft.
Das Problem ist nur: Wo kommt nach 2621 Tagen noch die Aufregung her? Wurde der Skandal vielleicht kaputt skandalisiert? Ist der BER so etwas wie der Endgegner der Skandalisierung, an dem gar keine Empörung mehr haften bleibt? Der Betreibergesellschaft und vor allem den beteiligten Landesregierungen – Berlin und Brandenburg – könnte gar nichts Besseres passieren. Die Krisen-PR würde sich von allein erledigen.
Ein geistig abgeschriebenes Projekt
Gerade gab es erfolgreiche technische Tests. Das Signal: Aus der Spielstadt könnte doch noch ein echter Flughafen werden. Ein Kollege schrieb – in der Satirerubrik der "Welt" – lieber die Schlagzeile: "Unglaublich! Endlich Flugverkehr am BER – Wespennest gefunden". Man schimpft nicht, man macht sich auch lieber keine große Hoffnung, man lächelt das Projekt weg. Der BER ist geistig abgeschrieben.
Was also, wenn der nächste – vage – Termin im Oktober 2020 wieder nichts wird, trotz des positiven Technikchecks? Die Sache liegt so: Medien, Bürger, Steuerzahler: Wir alle sind abgestumpft. Nicht wir schaffen den BER. Der geplante Hauptstadtflughafen schafft uns.
Aber: Es gibt noch eine Chance auf Empörung. Ganz bequem am Arbeitsplatz. Auch hier hilft eine der vielen pfiffigen Seiten, die vor Jahren zum BER entstanden sind, als das Bauprojekt noch ein echter Aufreger war und die Leute umtrieb - www.flughafen-berlin-kosten.de.
Dort läuft sich seit Jahren ein Zähler heiß. "Wieviel der neue Berliner Flughafen den Steuerzahler bis jetzt kostet": Es sind längst knapp 5,5 Milliarden Euro. Oder seit Beginn dieser Ausgabe des "Politischen Feuilletons": 2185 Euro. Unser Geld – unser Skandal. Geht da vielleicht doch noch was? Empört Euch!