Dauerbrenner
Mit Sonne ist Mexiko reich gesegnet, aber bisher wird das riesige Energiepotenzial kaum genutzt. Bis 2012 sollen im Land eine Million Öko-Häuser entstehen - mit Solaranlagen oder Wasser sparenden Einrichtungen. Am Rande von Mexiko-Stadt stehen bereits 50.000 ökologische Wohneinheiten.
Das winzige Haus mit Flachdach leuchtet in gelb, orange und weiß. In der prallen Sonne steht ein kleiner, alter Mann auf dem Autostellplatz vor dem Eingang, aufrecht und stolz. José Francisco Mondir Cruz, heute Rentner, früher Hilfsarbeiter, hat kein Auto. Aber seit fünf Monaten hat er ein eigenes Haus, es liegt in der Siedlung Heroes de Tecámac, ungefähr eineinhalb Stunden entfernt vom Zentrum der Megacity Mexiko-Stadt. Der Rentner bittet hinein. Mit seiner Frau Isabella nimmt er Platz auf einem ausgeblichenen Sofa. Ein Tisch, ein Sessel, ein Fernseher. Über der Kommode hängt ein blutiger Jesus am Kreuz, eine Kerze brennt, im Wasserglas steht eine weiße Nelke. Es ist eng im Wohnzimmer, genauso wie in der Küche, im Schlafzimmer und im Bad. Gerade einmal 35 qm misst das neue Eigenheim des Ehepaares. Und doch hat sich für die beiden ein Traum erfüllt:
"Wir haben 4000 Pesos Miete bezahlt, als wir noch in der Stadt gewohnt haben. Das konnten wir nicht mehr bezahlen. Ich habe 30 Jahre in einer staatlichen Einrichtung gearbeitet, aber ich habe nie einen Kredit gekriegt. Ich hatte alle Hoffnung aufgegeben. Dann sagte meine Frau, wir müssen jetzt was tun. Und jetzt bekam ich plötzlich von der Bausparkasse einen Kredit über 320.000 Pesos. Wir haben uns wahnsinnig gefreut. Und jetzt sind wir hier."
Der Kredit über rund 18.000 Euro, den das Ehepaar in Anspruch genommen hat, kommt aus einem Förderprogramm für ökologisches Bauen. Die nationale mexikanische Wohnungsbaukommission hat es im letzten Jahr aufgelegt. José Fernandez Mondir Cruz ist Begünstigter der "hipoteca verde", des grünen Kredits. Deshalb liegt auf dem Flachdach seines winzigen Hauses eine Solaranlage mit einem 150-Liter-Tank. Mit dem solarerhitzten Wasser duschen sich die beiden Rentner und sogar die jüngste Tochter, die noch bei ihnen wohnt. Außerdem reicht das heiße Wasser für die Wäsche und das Geschirr. Früher hat das Ehepaar wie fast alle Mexikaner das Wasser mit einem Gasboiler erhitzt. Ehefrau Isabella kann es immer noch kaum glauben:
"Für mich ist es ein Wunder. Alles hat geklappt, es ist wie ein Traum für uns. Der Kredit meines Mannes war ja nicht hoch und jetzt haben wir so ein tolles Haus. Es ist zwar klein und hat nur ein Schlafzimmer, aber es hat einen Solarboiler. Das ist doch wunderbar!"
Akribisch rechnet der Rentner vor, dass er früher 1000 Pesos, rund 45Euro alle zwei Monate für Gas ausgeben musste. Heute sind es nur noch etwa 200 oder 300 Pesos, denn Gas brauchen die Rentner nur noch zum Kochen.
Eine wackelige Leiter führt zum Solarboiler auf das Dach. Der Rentner ist schon einmal hochgeklettert und hat sie sich angeschaut:
"Hübsch" findet er seine Solaranlage, bleibt aber heute lieber unten und hält für die Besucher die Leiter fest.
Oben auf dem Dach liegt ein einziges Solarmodul in der Größe eines Fensters, daneben der 150-Liter-Tank. Es verwandelt das Licht der Sonne in Energie und heizt damit das Wasser. Mehr braucht es nicht, denn die Sonne scheint in Mexiko fast immer, sogar in der Regenzeit zwischen den Wolkenbrüchen. Das kleine Häuschen der Rentner ist eines von sehr, sehr vielen. Soweit das Auge reicht stehen gelb-orange-farbene Häuser in einer trockenen Landschaft. Die Siedlung Heroes de Tecámac im Norden von Mexiko-Stadt besteht aus 50.000 Reihenhäusern, gleiche Bauweise, gleiche Ausstattung. Nur die neueren haben eine Solaranlage auf dem Dach – sie sind finanziert mit dem grünen Kredit.
Eine gute Stunde von der Siedlung entfernt mitten im Zentrum der 20 Millionen-Metropole Mexiko-Stadt ragt ein gigantischer Büroturm in den Himmel, "Infonavit" steht in Leuchtschrift an der Fassade. Infonavit ist der größten Immobilienfinanzierer Mexikos, eine Art Bausparkasse für Arbeiter. Ein großer Teil des sozialen Wohnungsbaus liegt in seiner Hand. Infonavit ist der wichtigste Partner für die nationale Wohnungsbaukommission, um das ehrgeizige Programm des Präsidenten Felipe Calderón umzusetzen: Bis 2012, so seine Vorgabe, sollen in Mexiko eine Million Öko-Häuser entstehen. Infonavit vergibt die grünen Kredite dafür, die Regierung subventioniert die Anschaffung energiesparender Technologie. 2009 konnte Infonavit bereits grüne Kredite für 120.000 Häuser vergeben. Nicht alle sind mit Solaranlagen ausgestattet, manche Bauherren entscheiden sich lieber für eine optimale Dämmung oder für Wasser sparende Maßnahmen.
Estela García Heredia, eine engagierte Mittvierzigerin, verwaltet das grüne Kreditprogramm und ist Koordinatorin des nachhaltigen Wohnungsbauprogramms bei Infonavit. Für sie ist das Wichtigste, dass endlich Kleinverdiener Zugang zu den neuen Technologien haben. Denn bisher konnten sich das nur reiche Mexikaner leisten. Sie heizen ihre Swimmingpools mit Solaranlagen.
"Das Programm "Grüner Kredit" von Infonavit richtet sich an Haushalte mit geringem Einkommen, damit genau diese Wasser, Strom und Gas sparen können. Ein sehr großer Teil der Bevölkerung gehört bei uns zu den Geringverdienern und der Erfolg dieses Programms ist, dass wir die Ökotechnologie zu diesen Menschen bringen können. Das führt zu einem Kulturwandel. Ich weiß natürlich, dass andere Länder in Europa schon vor vielen, vielen Jahren damit begonnen haben, aber bei uns in Lateinamerika ist das anders. Wir glauben, dass Mexiko hier Vorreiter sein kann und andere Länder Lateinamerikas hoffentlich nachziehen werden."
In Mexiko existiert bereits das Know-how zur Produktion von Solarmodulen, es gibt verschiedene mexikanische Hersteller. Die Module sind technisch wesentlich einfacher als in Mitteleuropa, wo im Winter Frost herrscht und sich die Sonne nur gelegentlich blicken lässt. Der Markt ist gigantisch: 110 Millionen Einwohner hat das Land, die klimatischen Bedingungen für Sonnenenergie sind optimal. Dennoch spielt die Sonne als Energielieferant bisher kaum eine Rolle. Das Öl sprudelt im Golf von Mexiko - das machte die Suche nach alternativen Energien nicht besonders dringlich. Die Folge: Im grauen Deutschland gibt es zehnmal so viele Solaranlagen wie im sonnigen Mexiko. Durch den Klimawandel hat sich die Einstellung der Mexikaner allerdings verändert. Jetzt ist Aufklärungsarbeit notwendig, meint Estela García Heredia, um möglichst viele Mexikaner von der Kraft der Sonnenenergie zu überzeugen:
"Wir haben uns mit Bauträgern und mit Entwicklungsbeauftragten zusammengetan, um Workshops und Fortbildungen für Multiplikatoren zu machen. Auch die GTZ aus Deutschland hilft uns dabei. Wir müssen einerseits die Produkte überhaupt einmal bekannt machen, andererseits geht es um Bewusstseinsbildung. Die Menschen sollen verstehen, wie wichtig es ist, verantwortlich mit unseren Ressourcen umzugehen, wo man genau sparen kann und was es langfristig für Folgen hat, wenn wir das nicht tun."
Aus Deutschland kommt nicht nur die Expertise der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, es fließt auch Geld. Für 25.000 Häuser aus dem Programm der grünen Kredite stellt das Bundesministerium für Umwelt jeweils 100 Euro pro Solaranlage zur Verfügung für besonders bedürftige Bauherren. Das Geld kommt keineswegs aus dem Budget für Entwicklungshilfe, sondern aus dem Verkauf von Emissionsrechten. Dieses Geld darf nur in Klimaschutzprogramme investiert werden – das ist im Protokoll von Kyoto so festgeschrieben. Deutschland kauft sich damit quasi frei: Jeder in Mexiko ausgegebene Euro wird in CO2 umgerechnet. Die damit erkaufte CO2-Menge dürfen deutsche Firmen in die Luft schicken. Bauherrn wie dem Rentner José Franciso Mondir Cruz soll das Recht sein. Er hat zwar keine Ahnung von den internationalen Verpflichtungen zum Klimaschutz, aber er weiß: Eine Solaranlage hätte er sich vor wenigen Jahren auf keinen Fall leisten können.
"Wir kommen ja aus der Stadt und wissen, dass diese Solarzellen nur etwas für die Reichen waren. Die haben ihre Schwimmbäder damit beheizt. Aber wir Armen, wovon sollten wir denn Solarzellen kaufen? Wir haben hier gefragt, wie teuer die Anlage auf unserem Dach ist, das Solarmodul mit dem Wassertank, und das kostet 10.000 Pesos! Und das war im Preis des Hauses inbegriffen!"
In der Siedlung Heroes de Tecámac, wo das Häuschen des Rentners neben 50.000 anderen Reihenhäusern steht, macht der Bauträger Sadasi mächtig Werbung für das Öko-Programm – auch die Bauwirtschaft will mitverdienen am grünen Kredit. An der stark befahrenen Ausfallstraße der Millionenstadt, kurz vor der Siedlung, stehen schmucke Musterhäuser. Es ist laut hier, sehr laut. Aber das hindert einen nervösen, spindeldürren Mann mit pechschwarzem Schnauzer nicht, eifrig potenzielle Kunden zu akquirieren. Santiago Espinosa Gamboa steht mit einem jungen Paar vor einem Waschbecken, mitten auf der Zufahrtsstraße zu den Musterhäusern. Ein Ausstellungsraum unter freiem Himmel.
Er dreht den Hahn auf, heißes Wasser kommt heraus. Hinter dem Waschbecken ist ein Solarmodul und ein Wassertank installiert. "Vorsicht, du verbrennst dir die Finger" warnt er den Kunden und grinst. "Die Leute glauben nicht, dass die Sonne eine ganze Familie mit Warmwasser versorgen kann," sagt Espinosa. Dann führt er die Wasser sparende Dusche vor, schaltet die Energiesparlampe an. So ein Gespräch muss überzeugen, weiß der Verkaufsprofi:
"Alle Leute reagieren positiv, wenn man ihnen erst mal klar macht, dass sie damit einen wirtschaftlichen Vorteil haben. Natürlich spielt auch die Ökologie eine Rolle. Ich erkläre ihnen das und sage: Du wirst viel weniger Geld für Gas ausgeben! Das bedeutet, du sparst und hast am Ende mehr Geld für andere Bedürfnisse zur Verfügung. Das ist für uns Mexikaner sehr wichtig. Wenn sich die Möglichkeit bietet zu sparen, machen eigentlich alle mit. Und das Paket, das wir anbieten, ist attraktiv. Fast 90 Prozent der Interessenten kaufen am Ende."
Das junge Paar sieht sich inzwischen ein Musterhaus an. Auf die 35qm kleine Grundfläche lässt sich ein erstes, ein zweites und sogar ein drittes Stockwerk aufbauen – alles nach und nach, je nach den finanziellen Möglichkeiten. Das Paar geht staunend über Treppen, ausgelegt mit blauen Teppichböden. Im Arm der jungen Frau schläft ein Säugling.
"Sie: "Das ist neu hier, meine Mutter wohnt hier schon seit 6 Jahren, da gab es noch keine Solaranlage und auch nicht diese Apparate zum Wasser sparen. Das ist wichtig, ich finde das gut.""
"ER: "Ich glaube an die Sonnenenergie, das scheint mir sicherer als alles andere. Jedenfalls können wir die Sonne nicht aufbrauchen.""
Seit einem Jahr gibt es Solarboiler im Baumarkt zu kaufen. Sie kosten umgerechnet 500.- Euro, ein Gasboiler nur 100.-Euro. Das hält viele Mexikaner vom Kauf ab. Aber allein die Tatsache, dass die Solartechnik für jeden sichtbar und greifbar ist, ist ein großer Fortschritt. Nun müssen die Menschen davon überzeugt werden, dass sich die Investition schnell amortisiert und die Sonne auf lange Sicht der beste Energieträger ist.
Dieser Überzeugungsarbeit hat sich Jorge Wolpert verschrieben. Er koordiniert PROCALSOL, das Verbreitungsprogramm für Solarkollektoren, das die nationale mexikanische Energieeffizienzagentur ins Leben gerufen hat.
"Mexiko hat weltweit den höchsten Gasverbrauch pro Kopf und es ist natürlich schwer die Leute davon zu überzeugen, dass es jetzt eine neue Technologie gibt, eine andere als die, die sie traditionell seit etwa 150 Jahren nutzen. Natürlich ist das ein Hindernis. Aber wenn die Leute merken, dass sie langfristig damit sparen und wenn der Prozess sich schleichend vollzieht und nicht von einem Tag auf den anderen verordnet wird, dann wird uns das helfen zu überzeugen. Vor allem, weil die meisten Gasboiler in Mexiko sehr uneffizient sind. Die Leute geben sehr viel Geld für Gas aus, um sich zu duschen und die Wäsche zu waschen."
Wolpert ist optimistisch, obwohl sein Werbeetat gleich null ist: PROCALSOL hat eine Website, das war’s dann auch schon mit der Öffentlichkeitsarbeit. An teure Werbespots im Fernsehen oder Anzeigenkampagnen ist nicht zu denken. Die Verbraucher sollen zum Beispiel über die Vergabe von grünen Krediten erreicht werden. Außerdem hat Wolpert bereits eine neue Zielgruppe im Auge: nicht Otto Normalverbraucher, sondern Klein- und Mikrounternehmen. Die sind in Berufsverbänden organisiert und damit leicht zu erreichen – auch ohne schicke Spots. Und – so Jorge Wolpert – sie haben ein gigantisches Einsparpotenzial:
"Da wären zuerst einmal die Tortillahersteller. Tortilla ist das Hauptnahrungsmittel der Mexikaner und für den Teig und das Backen braucht man viel warmes Wasser. Dann gibt es die Textilindustrie, ich spreche nicht von den großen Unternehmen, sondern von regionalen, kleinen Anbietern. Ein weiterer Sektor mit großem Potenzial ist natürlich die Landwirtschaft und die Fischzucht. Und dann – und davon versprechen wir uns wirklich viel – sind die kleinen Hotels, die sich dem Ökotourismus verschrieben haben, unsere Zielgruppe. Der Ökotourismus boomt in Mexiko in den letzten Jahren, wir sind sicher, dass unser Programm zur Förderung der Sonnenenergie hier auf fruchtbaren Boden fällt."
Der grüne Kredit, so Wolpert, ist nur ein Anfang. Wenn seine Pläne Erfolg haben und auch Kleinunternehmen auf Solarenergie umsteigen, dann entwickelt sich auch die die mexikanische Solarindustrie weiter. Der potenzielle Markt ist gigantisch: Ganz Lateinamerika nutzt fast ausschließlich fossile Brennstoffe zur Energiegewinnung. Dabei ist die Sonne auf dem Kontinent ein Dauerbrenner.
"Wir haben 4000 Pesos Miete bezahlt, als wir noch in der Stadt gewohnt haben. Das konnten wir nicht mehr bezahlen. Ich habe 30 Jahre in einer staatlichen Einrichtung gearbeitet, aber ich habe nie einen Kredit gekriegt. Ich hatte alle Hoffnung aufgegeben. Dann sagte meine Frau, wir müssen jetzt was tun. Und jetzt bekam ich plötzlich von der Bausparkasse einen Kredit über 320.000 Pesos. Wir haben uns wahnsinnig gefreut. Und jetzt sind wir hier."
Der Kredit über rund 18.000 Euro, den das Ehepaar in Anspruch genommen hat, kommt aus einem Förderprogramm für ökologisches Bauen. Die nationale mexikanische Wohnungsbaukommission hat es im letzten Jahr aufgelegt. José Fernandez Mondir Cruz ist Begünstigter der "hipoteca verde", des grünen Kredits. Deshalb liegt auf dem Flachdach seines winzigen Hauses eine Solaranlage mit einem 150-Liter-Tank. Mit dem solarerhitzten Wasser duschen sich die beiden Rentner und sogar die jüngste Tochter, die noch bei ihnen wohnt. Außerdem reicht das heiße Wasser für die Wäsche und das Geschirr. Früher hat das Ehepaar wie fast alle Mexikaner das Wasser mit einem Gasboiler erhitzt. Ehefrau Isabella kann es immer noch kaum glauben:
"Für mich ist es ein Wunder. Alles hat geklappt, es ist wie ein Traum für uns. Der Kredit meines Mannes war ja nicht hoch und jetzt haben wir so ein tolles Haus. Es ist zwar klein und hat nur ein Schlafzimmer, aber es hat einen Solarboiler. Das ist doch wunderbar!"
Akribisch rechnet der Rentner vor, dass er früher 1000 Pesos, rund 45Euro alle zwei Monate für Gas ausgeben musste. Heute sind es nur noch etwa 200 oder 300 Pesos, denn Gas brauchen die Rentner nur noch zum Kochen.
Eine wackelige Leiter führt zum Solarboiler auf das Dach. Der Rentner ist schon einmal hochgeklettert und hat sie sich angeschaut:
"Hübsch" findet er seine Solaranlage, bleibt aber heute lieber unten und hält für die Besucher die Leiter fest.
Oben auf dem Dach liegt ein einziges Solarmodul in der Größe eines Fensters, daneben der 150-Liter-Tank. Es verwandelt das Licht der Sonne in Energie und heizt damit das Wasser. Mehr braucht es nicht, denn die Sonne scheint in Mexiko fast immer, sogar in der Regenzeit zwischen den Wolkenbrüchen. Das kleine Häuschen der Rentner ist eines von sehr, sehr vielen. Soweit das Auge reicht stehen gelb-orange-farbene Häuser in einer trockenen Landschaft. Die Siedlung Heroes de Tecámac im Norden von Mexiko-Stadt besteht aus 50.000 Reihenhäusern, gleiche Bauweise, gleiche Ausstattung. Nur die neueren haben eine Solaranlage auf dem Dach – sie sind finanziert mit dem grünen Kredit.
Eine gute Stunde von der Siedlung entfernt mitten im Zentrum der 20 Millionen-Metropole Mexiko-Stadt ragt ein gigantischer Büroturm in den Himmel, "Infonavit" steht in Leuchtschrift an der Fassade. Infonavit ist der größten Immobilienfinanzierer Mexikos, eine Art Bausparkasse für Arbeiter. Ein großer Teil des sozialen Wohnungsbaus liegt in seiner Hand. Infonavit ist der wichtigste Partner für die nationale Wohnungsbaukommission, um das ehrgeizige Programm des Präsidenten Felipe Calderón umzusetzen: Bis 2012, so seine Vorgabe, sollen in Mexiko eine Million Öko-Häuser entstehen. Infonavit vergibt die grünen Kredite dafür, die Regierung subventioniert die Anschaffung energiesparender Technologie. 2009 konnte Infonavit bereits grüne Kredite für 120.000 Häuser vergeben. Nicht alle sind mit Solaranlagen ausgestattet, manche Bauherren entscheiden sich lieber für eine optimale Dämmung oder für Wasser sparende Maßnahmen.
Estela García Heredia, eine engagierte Mittvierzigerin, verwaltet das grüne Kreditprogramm und ist Koordinatorin des nachhaltigen Wohnungsbauprogramms bei Infonavit. Für sie ist das Wichtigste, dass endlich Kleinverdiener Zugang zu den neuen Technologien haben. Denn bisher konnten sich das nur reiche Mexikaner leisten. Sie heizen ihre Swimmingpools mit Solaranlagen.
"Das Programm "Grüner Kredit" von Infonavit richtet sich an Haushalte mit geringem Einkommen, damit genau diese Wasser, Strom und Gas sparen können. Ein sehr großer Teil der Bevölkerung gehört bei uns zu den Geringverdienern und der Erfolg dieses Programms ist, dass wir die Ökotechnologie zu diesen Menschen bringen können. Das führt zu einem Kulturwandel. Ich weiß natürlich, dass andere Länder in Europa schon vor vielen, vielen Jahren damit begonnen haben, aber bei uns in Lateinamerika ist das anders. Wir glauben, dass Mexiko hier Vorreiter sein kann und andere Länder Lateinamerikas hoffentlich nachziehen werden."
In Mexiko existiert bereits das Know-how zur Produktion von Solarmodulen, es gibt verschiedene mexikanische Hersteller. Die Module sind technisch wesentlich einfacher als in Mitteleuropa, wo im Winter Frost herrscht und sich die Sonne nur gelegentlich blicken lässt. Der Markt ist gigantisch: 110 Millionen Einwohner hat das Land, die klimatischen Bedingungen für Sonnenenergie sind optimal. Dennoch spielt die Sonne als Energielieferant bisher kaum eine Rolle. Das Öl sprudelt im Golf von Mexiko - das machte die Suche nach alternativen Energien nicht besonders dringlich. Die Folge: Im grauen Deutschland gibt es zehnmal so viele Solaranlagen wie im sonnigen Mexiko. Durch den Klimawandel hat sich die Einstellung der Mexikaner allerdings verändert. Jetzt ist Aufklärungsarbeit notwendig, meint Estela García Heredia, um möglichst viele Mexikaner von der Kraft der Sonnenenergie zu überzeugen:
"Wir haben uns mit Bauträgern und mit Entwicklungsbeauftragten zusammengetan, um Workshops und Fortbildungen für Multiplikatoren zu machen. Auch die GTZ aus Deutschland hilft uns dabei. Wir müssen einerseits die Produkte überhaupt einmal bekannt machen, andererseits geht es um Bewusstseinsbildung. Die Menschen sollen verstehen, wie wichtig es ist, verantwortlich mit unseren Ressourcen umzugehen, wo man genau sparen kann und was es langfristig für Folgen hat, wenn wir das nicht tun."
Aus Deutschland kommt nicht nur die Expertise der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, es fließt auch Geld. Für 25.000 Häuser aus dem Programm der grünen Kredite stellt das Bundesministerium für Umwelt jeweils 100 Euro pro Solaranlage zur Verfügung für besonders bedürftige Bauherren. Das Geld kommt keineswegs aus dem Budget für Entwicklungshilfe, sondern aus dem Verkauf von Emissionsrechten. Dieses Geld darf nur in Klimaschutzprogramme investiert werden – das ist im Protokoll von Kyoto so festgeschrieben. Deutschland kauft sich damit quasi frei: Jeder in Mexiko ausgegebene Euro wird in CO2 umgerechnet. Die damit erkaufte CO2-Menge dürfen deutsche Firmen in die Luft schicken. Bauherrn wie dem Rentner José Franciso Mondir Cruz soll das Recht sein. Er hat zwar keine Ahnung von den internationalen Verpflichtungen zum Klimaschutz, aber er weiß: Eine Solaranlage hätte er sich vor wenigen Jahren auf keinen Fall leisten können.
"Wir kommen ja aus der Stadt und wissen, dass diese Solarzellen nur etwas für die Reichen waren. Die haben ihre Schwimmbäder damit beheizt. Aber wir Armen, wovon sollten wir denn Solarzellen kaufen? Wir haben hier gefragt, wie teuer die Anlage auf unserem Dach ist, das Solarmodul mit dem Wassertank, und das kostet 10.000 Pesos! Und das war im Preis des Hauses inbegriffen!"
In der Siedlung Heroes de Tecámac, wo das Häuschen des Rentners neben 50.000 anderen Reihenhäusern steht, macht der Bauträger Sadasi mächtig Werbung für das Öko-Programm – auch die Bauwirtschaft will mitverdienen am grünen Kredit. An der stark befahrenen Ausfallstraße der Millionenstadt, kurz vor der Siedlung, stehen schmucke Musterhäuser. Es ist laut hier, sehr laut. Aber das hindert einen nervösen, spindeldürren Mann mit pechschwarzem Schnauzer nicht, eifrig potenzielle Kunden zu akquirieren. Santiago Espinosa Gamboa steht mit einem jungen Paar vor einem Waschbecken, mitten auf der Zufahrtsstraße zu den Musterhäusern. Ein Ausstellungsraum unter freiem Himmel.
Er dreht den Hahn auf, heißes Wasser kommt heraus. Hinter dem Waschbecken ist ein Solarmodul und ein Wassertank installiert. "Vorsicht, du verbrennst dir die Finger" warnt er den Kunden und grinst. "Die Leute glauben nicht, dass die Sonne eine ganze Familie mit Warmwasser versorgen kann," sagt Espinosa. Dann führt er die Wasser sparende Dusche vor, schaltet die Energiesparlampe an. So ein Gespräch muss überzeugen, weiß der Verkaufsprofi:
"Alle Leute reagieren positiv, wenn man ihnen erst mal klar macht, dass sie damit einen wirtschaftlichen Vorteil haben. Natürlich spielt auch die Ökologie eine Rolle. Ich erkläre ihnen das und sage: Du wirst viel weniger Geld für Gas ausgeben! Das bedeutet, du sparst und hast am Ende mehr Geld für andere Bedürfnisse zur Verfügung. Das ist für uns Mexikaner sehr wichtig. Wenn sich die Möglichkeit bietet zu sparen, machen eigentlich alle mit. Und das Paket, das wir anbieten, ist attraktiv. Fast 90 Prozent der Interessenten kaufen am Ende."
Das junge Paar sieht sich inzwischen ein Musterhaus an. Auf die 35qm kleine Grundfläche lässt sich ein erstes, ein zweites und sogar ein drittes Stockwerk aufbauen – alles nach und nach, je nach den finanziellen Möglichkeiten. Das Paar geht staunend über Treppen, ausgelegt mit blauen Teppichböden. Im Arm der jungen Frau schläft ein Säugling.
"Sie: "Das ist neu hier, meine Mutter wohnt hier schon seit 6 Jahren, da gab es noch keine Solaranlage und auch nicht diese Apparate zum Wasser sparen. Das ist wichtig, ich finde das gut.""
"ER: "Ich glaube an die Sonnenenergie, das scheint mir sicherer als alles andere. Jedenfalls können wir die Sonne nicht aufbrauchen.""
Seit einem Jahr gibt es Solarboiler im Baumarkt zu kaufen. Sie kosten umgerechnet 500.- Euro, ein Gasboiler nur 100.-Euro. Das hält viele Mexikaner vom Kauf ab. Aber allein die Tatsache, dass die Solartechnik für jeden sichtbar und greifbar ist, ist ein großer Fortschritt. Nun müssen die Menschen davon überzeugt werden, dass sich die Investition schnell amortisiert und die Sonne auf lange Sicht der beste Energieträger ist.
Dieser Überzeugungsarbeit hat sich Jorge Wolpert verschrieben. Er koordiniert PROCALSOL, das Verbreitungsprogramm für Solarkollektoren, das die nationale mexikanische Energieeffizienzagentur ins Leben gerufen hat.
"Mexiko hat weltweit den höchsten Gasverbrauch pro Kopf und es ist natürlich schwer die Leute davon zu überzeugen, dass es jetzt eine neue Technologie gibt, eine andere als die, die sie traditionell seit etwa 150 Jahren nutzen. Natürlich ist das ein Hindernis. Aber wenn die Leute merken, dass sie langfristig damit sparen und wenn der Prozess sich schleichend vollzieht und nicht von einem Tag auf den anderen verordnet wird, dann wird uns das helfen zu überzeugen. Vor allem, weil die meisten Gasboiler in Mexiko sehr uneffizient sind. Die Leute geben sehr viel Geld für Gas aus, um sich zu duschen und die Wäsche zu waschen."
Wolpert ist optimistisch, obwohl sein Werbeetat gleich null ist: PROCALSOL hat eine Website, das war’s dann auch schon mit der Öffentlichkeitsarbeit. An teure Werbespots im Fernsehen oder Anzeigenkampagnen ist nicht zu denken. Die Verbraucher sollen zum Beispiel über die Vergabe von grünen Krediten erreicht werden. Außerdem hat Wolpert bereits eine neue Zielgruppe im Auge: nicht Otto Normalverbraucher, sondern Klein- und Mikrounternehmen. Die sind in Berufsverbänden organisiert und damit leicht zu erreichen – auch ohne schicke Spots. Und – so Jorge Wolpert – sie haben ein gigantisches Einsparpotenzial:
"Da wären zuerst einmal die Tortillahersteller. Tortilla ist das Hauptnahrungsmittel der Mexikaner und für den Teig und das Backen braucht man viel warmes Wasser. Dann gibt es die Textilindustrie, ich spreche nicht von den großen Unternehmen, sondern von regionalen, kleinen Anbietern. Ein weiterer Sektor mit großem Potenzial ist natürlich die Landwirtschaft und die Fischzucht. Und dann – und davon versprechen wir uns wirklich viel – sind die kleinen Hotels, die sich dem Ökotourismus verschrieben haben, unsere Zielgruppe. Der Ökotourismus boomt in Mexiko in den letzten Jahren, wir sind sicher, dass unser Programm zur Förderung der Sonnenenergie hier auf fruchtbaren Boden fällt."
Der grüne Kredit, so Wolpert, ist nur ein Anfang. Wenn seine Pläne Erfolg haben und auch Kleinunternehmen auf Solarenergie umsteigen, dann entwickelt sich auch die die mexikanische Solarindustrie weiter. Der potenzielle Markt ist gigantisch: Ganz Lateinamerika nutzt fast ausschließlich fossile Brennstoffe zur Energiegewinnung. Dabei ist die Sonne auf dem Kontinent ein Dauerbrenner.