"Die Reise ins kulturelle Absurdistan"
Geht es nach der AfD in Sachsen-Anhalt, sollten die öffentlich-rechtlichen Sender privatisiert werden und der Kulturbegriff ganz auf ein positives Heimatgefühl ausgerichtet sein. Rechtsextremismus-Forscher David Begrich warnt vor "Volkstümelei" und "Kadavergehorsam".
24 Prozent der Stimmen hat die AfD in Sachsen-Anhalt für sich gewinnen können. Sie sitzt damit als zweistärkste Kraft im Landtag und wird in der kommenden Legislatur Mitverantwortung für die Kultur- und Medienpolitik des Landes tragen.
Im Entwurf für ein Grundsatzprogramm hat die Partei angekündigt, die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender privatisieren zu wollen. Von 2018 an sollen sie sich selbst finanzieren. In den Schulen sollten wieder "preußische Tugenden" herrschen, fordert die AfD in Sachsen-Anhalt.
Schulpolitik ist auf "Kadavergehorsam" aus
Der Rechtsextremismusforscher David Begrich vom Magdeburger Verein "Miteinander" hat sich schon vor dem Wahlerfolg der AfD mit den Rechtspopulisten auseinandergesetzt. Er kritisiert den "Kadavergehorsam", den die Partei in der Bildungspolitik fordert, und die drohende "Volkstümelei" in der Kulturpolitik. Im Wahlprogramm hatte der Landesverband "identitätsstiftende Kulturpflege statt nichtssagender Unterhaltung" gefordert. Museen, Orchester und Theater sind - laut AfD - verpflichtet, "einen postiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern".
David Begrich erkennt in den kulturpolitischen Zielen der AfD Parallelen zur SED. Er fühlt erinnert an die Zeit vorm Mauerfall, als in der DDR Musikbands und Theaterstücke vor den Konzerten und Aufführungen erst offiziell eingestuft und abgenommen werden mussten. "Das ist zu Ende gedacht die Reise ins kulturelle Absurdistan", kritisiert Begrich.
Der Rechtsextremismus-Experte zeigt sich enttäuscht davon, dass Verbände und Institutionen so spät vor den kultur- und medienpolitischen Plänen der AfD gewarnt hätten. Zwar sei es richtig, dass zum Beispiel der deutsche Kulturrat zum Widerstand aufruft, aber er habe das bereits vor den Wahlen tun müssen.
"Jetzt wird man der AfD unter Umständen auch in dem einen oder anderen Beirat oder Kulturausschuss wiederbegegnen und wird sich dann auch mit ihnen auseinandersetzen müssen und das heisst, die Frage der inhaltlichen Auseinandersetzung, die muss jetzt auch erst wirklich beginnen."
AfD nicht als Neonazis einsortieren
Vor den Wahlen sei genug Zeit gewesen, um "auf eine kreative und satirische Weise" darzustellen, was passieren könnte, wenn der Kulturbegriff der AfD sich erfüllen würde.
"Wie sieht denn eine Hamlet-Inszenierung aus, die den Bezug zu Identität, Volk und Nation tatsächlich herstellt? Da wäre ich mal sehr gespannt."
David Begrich empfiehlt, in der Auseinandersetzung die AfD nicht moralisch abzuwerten und als Neonazis einzusortieren - sie sei schlicht "Ausdruck eines sich formierenden rechtspopulistischen Blocks in Deutschland".