Album „Toy“
Der Mann mit dem Blitz im Gesicht: Das 2020 in Hartlepool entstandene Graffiti-Kunstwerk zeigt David Bowie in seiner Verkleidung als Aladdin Sane. © picture alliance / PA Wire / Owen Humphreys
Ein Zwischenschritt zum reifen David Bowie
10:24 Minuten
In diesen Tagen wäre David Bowie 75 Jahre alt geworden. Passend dazu erscheint sein Album "Toy". Das könne weniger künstlerisch überzeugen, findet Dirk Schneider. Doch habe es wohl dem Popmusiker bei einer Erkenntnis geholfen.
Pünktlich zum 75. Geburtstag von David Bowie erscheint mit „Toy“ nun postum ein neues Album des 2016 gestorbenen Popkünstlers. Aufgenommen wurde das Album 2000. Damals war Bowie „nicht gerade auf der Höhe der Zeit“, er habe seit Mitte der 80er-Jahre nichts Wegweisendes mehr veröffentlicht, erläutert Musikjournalist Dirk Schneider. Zudem hatte der Musiker seine „große Spätphase“ noch nicht erreicht. Bowies Label ließ somit das Album in der Schublade.
Unnötige Abmischungen
Der ganze Rummel um „Toy“ sei „total übertrieben“, findet Schneider. Denn es könne bereits seit November gehört werden. Dass es nun in den Verkauf geht, habe wohl eher mit dem 75. Geburtstag Bowies zu tun, um nun etwas zum Verkaufen zu haben. Dafür spricht auch, dass das Album wieder zu einer Box gemacht worden sei. Als Bonus seien Abmischungen enthalten, „die kein Mensch braucht“.
Deswegen, so Schneider, „kann man sich das Album getrost im Stream anhören“. Zumal die meisten der zwölf Titel im Vergleich zu den Originalversionen „musikalisch uninteressant“ seien. Eine Ausnahme sei „Karma Man“, sagt Schneider. „Das gefällt mir sehr gut und gehört zu den Höhepunkten auf dem Album.“
Nach dem Konzert ins Studio
Ausgangspunkt für „Toy“ war Bowies legendärer Auftritt beim Glastonbury Festival 2000, bei dem er fast nur alte Hits spielte. Danach sei er so euphorisiert gewesen, dass er seine Liveband ins Studio holte, um „Toy“ einzuspielen. Die Lieder dafür waren nicht neu, „sondern Neueinspielungen rarer alter Stücke, die zum Teil als Single-B-Seiten veröffentlicht waren“.
Eines der Lieder ist „London Boy“ von 1966. Bowie habe das Stück mit 19 Jahren geschrieben, erzählt Schneider. Es handelt von einem jungen Mann, der in die große aufregende, aber auch unheimliche Stadt geht. „Ich finde es ganz rührend, wenn der 53-Jährige über sein jugendliches Ich singt.“
„Ziemlich langweilig“
Daneben gebe es auch noch andere schöne Stücke auf „Toy“. So sei „Conversation Piece“ ein Rückblick auf die Anfänge Bowies. „Shadow Man“, das auch in den 60ern geschrieben wurde, sei aus heutiger Sicht interessant, weil der Musiker über einen Mann singt, der in immer neuen Gestalten auftritt und nicht zu fassen ist. „Das wirkt wie eine Reflexion auf den späteren Bowie.“
Die meisten Neuinterpretationen seien aber „ziemlich abgeschmackt ausgefallen“, urteilt der Journalist. Den Grund dafür sieht er darin, dass die Lieder mit Bowies Liveband eingespielt worden seien. Dies seien alles gute, indes auch routinierte Musiker, „die das machen, was man ihnen sagt“. Und weil es nicht wie bei anderen Bowie-Alben ein Konzept gebe, „sondern Spontaneität angesagt ist, klingt das Ergebnis ziemlich langweilig“.
Schritt zur Spätphase
Doch Bowie konnte sich nach „Toy“ noch einmal weiterentwickeln, findet Schneider. 2002 folgte das Album „Heathen“, das durch „sehr durchdachten Pop“ gekennzeichnet sei. „Das klingt so ein bisschen wie ein Querschnitt durch Bowies Werk, dabei aber so gut und originell, dass es viel mehr ist als ein Neuaufguss alter Sachen.“
Man kann laut Schneider die These aufstellen, dass Bowie im Jahr 2000 einfach nicht mehr wusste, was er machen sollte, nachdem er sich oft neu erfunden und viele Musikstile ausprobiert habe. Vielleicht habe der Rückblick durch „Toy“ ihm bei der Erkenntnis geholfen, dass er zu seiner künstlerischen Reife gekommen sei. „Er muss nicht mehr in Rollen schlüpfen wie Ziggy Stardust oder den Thin White Duke, er ist zu David Bowie geworden.“