"Joan of Arc: Into the Fire" läuft noch bis zum 30. April 2017 am Public Theater New York.
Johanna von Orleans in Lederkluft
Der ehemalige "Talking-Heads"-Kopf David Byrne hat auch sein zweites Musical einer starken Frau gewidmet: "Joan of Arc: Into the Fire" ist eine Parabel über die Macht des Einzelnen, die große Politik zu beeinflussen. Das Musical ist wie ein Rockkonzert konzipiert, doch bleibt die Musik zu schwach.
"Have faith. Be strong."
Immer wieder singt die junge Joan of Arc diese Worte, um sich selbst, ihre Soldaten und den französischen Thronanwärter davon zu überzeugen, dass Gott sie persönlich beauftragt hat, das von England entrechtete Frankreich zu einen und zum Sieg zu führen.
In Zeiten politischer Niederlage und wütender Ohnmacht gegenüber übermächtigen Feinden sind diese vier Worte "glaube und sei stark!" oft das Einzige, was Hoffnung von Verzweiflung trennt. Das stimmt nach der verheerenden Niederlage der Demokraten in den USA genauso wie im Frankreich des 15. Jahrhunderts.
Und für David Byrne, der Musik und Text des Musicals "Joan of Arc: Into the Fire" geschrieben hat, ist jetzt genau die richtige Zeitpunkt, die Geschichte der Jeanne D’Arc neu zu erzählen. Dabei sieht er die Rolle der Musik als Element des Widerstandes ganz realistisch:
"Ich weiß nicht ob Musik die Kraft hat, die Ansichten von Menschen zu ändern, politische Auffassungen, Meinungen, all das. Aber ich glaube, dass sie die Kraft hat, Menschen zu verbinden, die ein wenig unentschieden sind, oder die nicht artikulieren können, was sie fühlen. Musik kann das sehr gut: artikulieren, wie sich etwas anfühlt."
Mit einem Ensemble von zehn Schauspielern und der New Yorker Performerin Jo Lampert erzählt Regisseur Alex Timbers die Geschichte der Joan of Arc, dem Mädchen vom Lande, das eine Armee anführt, einen König krönt, Männerklamotten trägt und direkt mit Gott reden kann.
Parabel über politischen Widerstand
Und er erzählt sie als eine Parabel über die Macht eines Einzelnen, die große Politik zu beeinflussen, wenn er oder in diesem Falle sie nur überzeugt genug von ihren Idealen ist. Und Joan of Arc hatte die Gabe, die Menschen ihrer Zeit zusammenzubringen und ihnen das Gefühl zu geben, für eine größere Sache zu kämpfen. Genauso entsteht auch heute politischer Widerstand.
"Und die Leute erleben die Musik und realisieren, dass es andere gibt, die genau so fühlen. Das kreiert eine Art von Gruppe von Gleichgesinnten. Das ändert nicht wirklich jemandes Auffassung, aber es bringt Menschen gleicher Auffassung zusammen."
Die Bühne besteht aus einer großen schwarzen Treppe, die sich um sich selbst drehen und so zu einer Kirchentreppe, einem Thronsaal oder einem Foltergewölbe werden kann.
Nach David Byrnes Idee ist das Musical als Rockkonzert konzipiert. Sechs Livemusiker - zwei Gitarristen, Bassist, Schlagzeuger, Synthesizer und Trompeter - sind auf der Bühne und alle zwölf Songs sind extra für das Musical komponiert.
Eine fette Lichtregie mit viel Gegenlicht und Bühnennebel taucht die Bühne immer wieder in monochrome Farben: rot für die Engländer, blau für die Franzosen und violett für die Kirche. Videoprojektionen verwandeln den Bühnenraum in eine Kathedrale oder die Festungsmauern von Orléans.
Und wenn die hagere Jo Lampert mit halbrasiertem Schädel und Lederkluft inmitten des Ensembles aus kräftigen Männern ihre kleine Fahne schwingt und eine Stadt nach der anderen erobert, dann wird deutlich, wie inspirierend diese Figur eigentlich ist.
Zu wenig Rock, zu schwache Stimme
Doch all die zum Teil sehr eindrucksvoll inszenierten Elemente können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Musik das Publikum nicht wirklich erreicht. Das mag daran liegen, dass weder die Musik richtig rockig oder funkig ist, noch Jo Lampert die Stimme hat, die dieses Genre bedienen kann.
In den zarten und einfühlsamen Momenten, wenn sie zweifelt oder mit ihren Visionen ringt, klingt das gut, doch bei der Aushebung ihrer Truppen und den Schlachtszenen wirkt sie zu schwach. Der Funke springt nicht über. Ihr punkiges Outfit verspricht eine Aggression, die sie nicht einlöst.
Genau diese Aggression hätte aber der Musik, der Hauptdarstellerin und letztlich der ganzen Geschichte gut getan.
Musikalisch interessanter wird es im zweiten Teil, wenn Joan in Gefangenschaft gerät und ihre Visionen widerrufen soll. Der Chor der Priester mit Soul- und Gospel-Elementen ist voller musikalischer Ironie und Dynamik. Zum Beispiel, wenn Joan gefoltert werden soll und der Bischof wie ein Fernsehprediger von der Einheit des christlichen Körpers singt und dabei grinsend hin- und hertanzt. Spätestens jetzt hat die Musik das Publikum dann doch erreicht.
Ermutigung für die progressiven Kräfte
Mit "Joan of Arc: Into the Fire" hat David Byrne sicher den richtigen Riecher zur richtigen Zeit gehabt. Die Geschichte birgt viel modernen Stoff: von Frauenpower, der Pflicht zum politischen Widerstand bis hin zur Kritik von Genderrollen und den Kampf gegen das Interesse von Machtpolitikern. Der Abend ist im besten Sinne ermutigend.
Und David Byrne lässt in seinen Äußerungen keinen Zweifel daran, dass die progressiven Kräfte in den USA dringend Ermutigung brauchen. Für ihn steht nichts weniger als die Demokratie selbst auf dem Spiel:
"Ich denke, dass wir in den Vereinigten Staaten nicht mehr in einer Demokratie leben. Es ist offensichtlich, dass Geld Gesetze durchsetzt. Und der Rest von uns, die keine persönlichen Lobbyisten haben, muss mit Gesetzen leben, auf die wir keinen Einfluss hatten. Was ist mit der Idee von Demokratie passiert? Das ist vorbei."
Für "Joan of Arc: Into the Fire" gibt es am Ende nur verhaltenen Applaus, dabei hätte die Inszenierung mehr Begeisterung verdient. Als musikalisches Erlebnis scheitert sie an einer falschen Besetzung und einer Musik mit zu wenig Saft.