"Nicht mit der Zukunft unserer Kinder spielen"
In drei Wochen stimmen die Briten ab - Ja oder Nein zur EU. In den Umfragen liegen beide Lager mittlerweile wieder Kopf-an-Kopf – ein Rückschlag für die EU-Befürworter, die schon deutlich in Führung lagen. Jetzt hat sich vor diesem Hintergrund Premierminister David Cameron im Fernsehen den Fragen von Journalisten und Publikum gestellt.
60 Minuten Primetime, 60 Minuten, um die nach wie vor schwankenden Briten zu überzeugen. David Cameron am Abend auf SkyNews, der erste große Fernsehauftritt in der Brexit-Debatte – der Premierminister zieht am Ende noch einmal alle Register:
"Wenn wir nach Hause gehen und morgen früh unseren Kindern und Enkeln in die Augen schauen, dann sage ich: lasst uns nicht mit ihrer Zukunft spielen."
"Nicht spielen" heißt für Cameron – in der EU bleiben. Ein fast schon emotionaler Appell, in einer Debatte, die der Premierminister selbst ziemlich sachlich führt. It’s the econmy, stupid. Cameron warnt vor allem vor den wirtschaftlichen Folgen eines Brexit:
"Wenn wir aus dem Binnenmarkt aussteigen, beschädigen wir unsere Wirtschaft massiv, sie wird schrumpfen, wir werden als Land ärmer sein – und das hat ganz konkrete Auswirkungen auf alle, die jetzt zuschauen. Weniger Jobs, steigende Preise, weil das Pfund an Wert verlieren würde."
"Das macht mich manchmal verrückt"
Die EU, ein nützlicher Partner. Den Verdacht, dass Cameron darüber hinaus eine wahre Leidenschaft für Europa entwickelt haben könnte, versucht er mehr als deutlich auszuräumen:
"Wenn Sie mich fragen: Gibt es Regulierungen, die sie stören. Ja! Gibt es Dinge in Europa, die sie frustrieren. Ja! Ich sitze regelmäßig mit 27 anderen Regierungschefs an einem Tisch und das macht mich manchmal verrückt."
Und bei der Frage aus dem Publikum, ob er sich jemals vorstellen könne, den Euro einzuführen, entgleiten Cameron fast die Gesichtszüge:
"No – I’d never want us to join the Euro"
Wir haben den besten aller Deals, sagt Cameron. Im Binnenmarkt, aber ohne Euro und Schengen. Ein Status quo, für den Cameron ein Ja will bei diesem Referendum, das er selbst initiiert hatte – und vor dessen Ausgang er sich angesichts jüngster knapper Umfragen ernsthaft Sorgen machen muss.
Einwanderung - kein Gewinnerthema für die EU-Befürworter
Gegenwind bringt vor allem die hohe Zahl der Zuwanderer. Cameron selbst hatte zu Beginn seiner Amtszeit vor sechs Jahren eine Reduzierung auf wenige Zehntausend pro Jahr versprochen. Im letzten Jahr kamen 300.000. Weil Großbritannien angesichts der EU-Mitliedschaft seine Grenzen nicht kontrollieren kann, sagen die Brexit-Befürworter. Cameron entgegnet:
Der richtige Weg seien die Sonderkonditionen, die Großbritannien mit Brüssel bereits ausgehandelt habe – Einschränkungen der Freizügigkeit, die – so Cameron, aber erst nach einem gewonnen Referendum in Kraft träten.
Einwanderung - es ist kein Gewinnerthema für die EU-Befürworter, die sich in einer breiten Allianz gefunden haben. Cameron zählt sie auf. Die Gewerkschaften, die großen Unternehmer, die Grünen Labour-Chef Corbyn und mit ihm fast die ganze Partei … "Das Establishment" ruft ein Zuschauer rein. Cameron kontert:
Das könne man den Grünen und auch dem Labour-Chef wirklich nicht nachsagen. Politiker, mit denen er im Moment weniger Sorgen hat als mit manchem Parteifreund, allen voran Boris Johnson, dem ehemaligen Bürgermeister von London und inoffiziellen Anführer der Brexit-Kampagne. Ob Cameron nach wie vor zu seiner Aussage stehe, Johnson würde einen guten Premierminister machen?
"Ich erkenne es, wenn einer nur schwafelt"
Ein talentierter Mann, der ein großartiger Bürgermeister war, sagt Cameron. Wer der nächste Premierminister wird, seine Entscheidung sei das nicht. Kein weiterer Kommentar über den Mann, der Camerons Nachfolger sein dürfte, wenn die Briten mit Nein stimmen.
Den Lacher des Abends hat übrigens eine Studentin, die sichtlich unzufrieden ist mit der Antwort, die sie von Cameron zum Verhältnis der EU zur Türkei erhält:
"Ich studiere Anglisitik, ich erkenne es, wenn einer nur schwafelt" - für einen Moment verschlägt es da sogar dem Premier die Sprache.