David F. Ross: "Schottendisco"
Aus dem Englischen von Kristian Lutze
Heyne Hardcore, München 2016
336 Seiten, 14,99 Euro
Popkultureller Trip in die frühen 1980er-Jahre
In seiner Heimat wird David F. Ross bereits mit "Trainspotting"-Autor Irvine Welsh verglichen. Und auch unsere Rezensentin hat die Geschichte um zwei junge Taugenichtse aus dem Arbeitermilieu überzeugt: ein rasanter popkultureller Trip ins Schottland der 1980er.
Ob sich der Verlag einen Gefallen damit getan hat, der Romanübersetzung in Anspielung auf Wladimir Kaminers "Russendisko" den Titel "Schottendisko" zu verpassen?
In beiden Fällen spielen zwar Musik und Zeitkolorit tragende Rollen, weitere Ähnlichkeiten gibt es allerdings kaum. Dem Debütroman des schottischen Autors David F. Ross haftet durch die unglückliche Wahl der Beigeschmack einer Kopie an. Und der verfestigt sich sogar noch auf den ersten Seiten, die wie ein plattes Remake der Hollywood-Komödie "Hangover" wirken: Ein paar junge Taugenichtse erwachen nach durchzechtem Wochenende aus dem Koma und versuchen mühsam zu rekonstruieren, was gewesen sein könnte. Warum gucken die Nachbarn so pikiert? Und woher stammt nur das geschmacklose Tattoo auf dem Po?
Doch wer ein paar Seiten durchhält und die mitunter derben Schenkelklopfer, Fäkal- und Sexschoten wahlweise an sich abprallen lässt oder sogar lustig findet, den belohnt David F. Ross in der Folge mit einem warmherzigen, längst nicht nur komisch-rasanten Trip ins Schottland der frühen 80er-Jahre.
Monopol eines Partyveranstalters zerschlagen
Im Mittelpunkt stehen die beiden ungleichen Freunde Bobby und Joey, die im von Armut und Perspektivlosigkeit geprägten Workingclass-Milieu der schottischen Provinz mit der Schule fertig werden und von ihrem eigenen Business träumen.
Mit ihrer mobilen Disco wollen sie das Monopol des kriminellen Partyveranstalters Fat Franny Francis zerschlagen und die Verhältnisse zum Tanzen bringen. Und das schaffen die beiden Musikfans mit ihrer Mischung aus Postpunk, Motown und Northern Soul – allerdings nach etlichen Pannen und Blamagen.
Die slapstickartigen Episoden der jungen DJs schneidet Ross geschickt mit den berührenden Briefen von Bobbys Bruder Gary gegen, der als junger Rekrut auf die Falklandinseln verdonnert wird und als schwer traumatisierter junger Mann zurückkehrt.
Dazu zitiert Ross immer wieder Auszüge aus Interviews mit Margaret Thatcher, der "eisernen Lady", deren Parolen angesichts einer gänzliche abgehängten Arbeiterschicht und des umstrittenen Militäreinsatzes wie blanker Zynismus klingen.
Vergleich mit Trainspotting-Autor Irvine Welsh
David F. Ross' Roman reift wie die in ihm beschriebenen Helden – von einer pubertären Komödie hin zu einem ernsthaften Kommentar über die sozialen und politischen Verhältnisse im Schottland der frühen 80er.
Der vor typischen Redewendungen und lokaler Mundart nur so strotzende Originaltext muss für Schotten auch sprachlich ein Genuss sein. Ein weiterer Grund dafür, dass David F. Ross in seiner Heimat bereits mit dem Trainspotting-Autor Irvine Welsh verglichen wird.
"Schottendisco", das ist ein so vielschichtiger wie kurzweiliger Roman, der ganz nebenbei auch von der umstürzlerischen Kraft der Jugend und guter Musik erzählt.