Die Idee ist wirklich besonders und überhaupt nur Dank Internet umsetzbar.

Den Anfang von "Unendlicher Spaß" liest der Schauspieler Louis Friedemann Thiele. Den Rest Amateure. Sie sind im wahrsten Sinn des Wortes: Liebhaber. Seit März 2006 steht der Kultroman frei zugänglich und ungekürzt im Netz unter "unendlichesspiel.de". Dort konnte man sich eine Textseite reservieren, zu Hause einlesen, über das Mikrophon am Computer oder per Mobiltelefon und dann das Audio wieder auf die Internetseite hochladen.

Auszug: "Hat mein Hiersein damit zu tun? Dass ich ein kontinental gelisteter Tennisjunior bin, der ganze Wörterbuchpassagen auswendig kann, gelegentlich Dresche bezieht und eine Krawatte trägt? Sind Sie so was wie ein Spezialist für hochbegabte Kinder? Soll das heißen, die glauben, ich bin hochbegabt?"

Die musikalische Untermalung stammt von einer nur für dieses Hörspiel konstruierten "Goldenen Maschine", die unendlich Sounds kreiert, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, ein Jahr lang, ohne sich zu wiederholen. Ein fluides Flirren und Surren und Pluckern liegt so unter dem vielschichtig vor sich hin mäandernden Text:

Auszug: "Eine Herde Wildhamster, eine große Herde, donnert über die gelben Ebenen im Süden der Großen Konkavität, dem ehemaligen Vermont, und wirbelt Staub auf , eine harnfarbene Wolke mit somatischen Formen, die bis noch Boston oder Montreal interpretabel ist. Die Herde stammt von zwei zahmen Hamstern ab, die ein Junge aus Watertown, New York, zu Beginn der experialistischen Migration im gesponserten Jahr des Woppers ausgesetzt hatte."

David Foster Wallace Roman erschien 1996. Er spielt größtenteils im "Jahr der Inkontinenz-Unterwäsche", in einer damals nahen Zukunft, ungefähr im Jahr 2009. Mehr als 1200 Fans des Buches haben sich nun an die Vertonung gemacht, nach vier Monaten ist alles gelesen, Seite für Seite. Die Verschmelzung von Text und Sound sollte ursprünglich automatisch passieren, allerdings arrangieren Andreas Ammer und Andreas Gerth Wort und Musik nun doch eigenhändig am Computer. Andreas Ammer sagt, er brauche für eine Stunde Hörspiel ungefähr einen Tag – und klingt dabei immer noch entspannt. Seine Zwischenbilanz: Er freue sich über jede neue Stimme und über die große Ernsthaftigkeit aller Beteiligten. Eine Leserin aber sei überambitioniert gewesen und habe gleich 40 Seiten eingelesen – was nicht im Sinne der Erfinder war.

Auszug: "Unterschätzt mir nicht die Objekte! Lyle sagt, das kann er nicht oft genug betonen: Unterschätzt mir nicht die Objekte!"

Und: Man unterschätzte nicht die Fußnoten – die hat alle Ulrich Blumenbach eingesprochen, der vielgerühmte Übersetzer dieses vielgelobten, seltsam verschrobenen Werkes. Zehn Stunden insgesamt, wovon allein die Anmerkung 24 eine ganze Stunde einnimmt, die zur Filmografie von James O. Incandenza:

Auszug: "Käfig (...) Monologische Parodie eines Fernsehwerbespots für Shampoo unter Verwendung von vier Konvexspiegeln, zwei Plenarspiegeln und einer Schauspielerin. Unveröffentlicht."

Die gemischten Kapitel – momentan die Hälfte des Buches – können bereits jetzt angehört und kostenlos runtergeladen werden. Im Herbst soll es das längste Hörspiel aller Zeiten mit bis zu 90 Stunden Dauer dann fertig sein. Schon jetzt aber lässt sich erkennen, was für ein faszinierend vielstimmiges Juwel hier im Entstehen ist – ein Liebhaberprojekt, interessant nicht nur für bedingungslose Anhänger von David Foster Wallace. Wer bisher an dem Roman gescheitert ist, wird mit diesem Hörspiel neue Zugänge finden können. Ein unendliches Spiel, am Stück kaum zu meistern.