David gegen Goliath
"Terra X" heißt eine aufwendig produzierte Sendereihe des ZDF - eine neue Staffel befasst sich mit dem Leben von Erfindern und Entdeckern. Begleitend dazu ist das Buch "Auf den Spuren genialer Forscher und Erfinder" erschienen, in dem es vor allem um den Kampf der "kleinen" Entdecker gegen die großen Mogule der Industrie geht.
Bevor die Weißen ihnen das Land wegnahmen, tunkten die Indianervölker im heutigen Pennsylvania Tücher in Flüsse und Bäche, um das Erdöl abzuschöpfen, das darauf trieb: So reichlich sickerte das schwarze Gold aus der Erde. Nach der Eroberung Amerikas witterten die neuen Herren einen viel versprechenden Wirtschaftszweig, als der Petroleumhandel zu blühen begann.
Am Anfang jedoch regierte das Chaos, vor allem im Transportwesen. Drastisch beschreibt Autor Christian Heynen in dem neuen Buch "Auf den Spuren genialer Forscher und Erfinder", wie es im 19. Jahrhundert im Osten der Vereinigten Staaten zugeht: In Fässern wird das Öl auf Flöße verladen und gondelt den "Oil Creek" - den Ölbach - hinunter. Oft stranden die Flöße am Ufer. Deshalb erzeugt man durch das Schließen und Öffnen von Wehren künstliche Flutwellen, die die Flöße mit sich reißen sollen.
Regelmäßig ereignen sich folgenschwere Kollisionen: Schiffe, Flöße, aufgeschlitzte Fässer und jede Menge Öl versinken in den Fluten. Byron Benson heißt der Mann, der hier Abhilfe schaffen möchte: mit dem Bau der ersten, langen Öl-Pipeline, die auch gebirgige Strecken überwinden kann.
"Stahlhart zum Atlantik" heißt das Kapitel - und stahlhart muss auch Byron Benson werden. Denn es gibt einen großen Widersacher aller Neuerungen im Öl-Geschäft: John D. Rockefeller, der sich vom Bauernsohn zum Öl-Mogul hochgearbeitet hat, kontrolliert die Raffinierung und das gesamte Transportwesen und schreckt vor Drohungen, Bestechungen, Sabotage und Spionage nicht zurück, um sich Konkurrenten vom Leib zu halten. Ein Kampf zwischen David und Goliath beginnt, in dem es um Pumpen, Dampfmaschinen und optimale Rohrdurchmesser ebenso geht wie um korrupte Medien, mafiöse Richter, Erfinderhartnäckigkeit und das sprudelnde Öl am Ende.
Das Buch, welches die neue Staffel der ZDF-Dokumentarfilmreihe "Terra X" flankiert und von verschiedenen Fernsehautoren geschrieben wurde, konzentriert sich auf nur vier Erfinder-Biografien. Entsprechend viel Platz bleibt für Seitenaspekte und lange biografische Sequenzen, die mit der eigentlich Erfindung gar nicht so viel zu tun haben.
Da alle vier Lebensgeschichten den Topos "David kämpft gegen Goliath" bedienen, wird es bisweilen - obwohl die äußerst simpel geschriebenen Texte ihre Fernseh-Herkunft nicht verleugnen können - so spannend, dass man sich versucht fühlt, auf die letzten Seiten einer Geschichte vorzublättern, um zu erfahren, wie das Drama wohl ausgegangen ist. Besonders ergreifend liest sich die Geschichte des Mannes, der die Schiffsschraube erfunden hat und den heute kaum noch jemand kennt: Der Österreicher Josef Ressel befasst sich schon 1812 als junger Ingenieurstudent mit der Idee einer Schraube zur Fortbewegung von Schiffen.
Doch die meisten Reeder halten an den gängigen Schaufelrädern zum Antrieb ihrer Schiffe fest und stempeln den Mann zum Querulanten ab. Mit einer zu Herzen gehenden Hoffnung versucht Josef Ressel, Prototypen seiner Schiffsschraube zu bauen, Geldgeber zu finden, die Mächtigen seiner Zeit für die Idee zu begeistern - bis hin zum ägyptischen Herrscher. Gutgläubig liefert er sich Geschäftsleuten aus, zeigt ihnen seine Zeichnungen, wird belogen und betrogen. Noch auf dem Sterbebett kritzelt er eine Nachricht an seine Familie: Sie soll darauf achtgeben, dass man ihm die Erfindung nicht streitig macht. Da hat die britische Regierung höchstselbst seine Idee mit einem Trick bereits an sich gerissen und heimischen Erfindern zugesprochen. Bis heute gibt es einen Streit um die Urheberschaft an der revolutionären Schraube.
Etwa auf jeder vierten Doppelseite steigt ein farbig unterlegter Textkasten tiefer in spezielle Themen ein. So lernen wir das Prinzip der archimedischen Schraube kennen, werden mit der größten Schiffsschraube der Welt bekannt gemacht und erfahren, welche Zukunftsvisionen es für einen Schiffsantrieb ohne Schraube gibt. Die Geschichte des Pipeline-Erfinders wird angereichert mit Informationen über die frühste Nutzung des "Erdpechs" durch die Babylonier, die Raffinessen heutigen Pipelinebaus oder die Frage, wie solche Rohre eigentlich gereinigt werden können.
Die Autoren des Buches erwähnen den aktuellen Bezug ihrer Erzählungen nicht - leider: Denn der Kampf der Kleinen gegen die großen Mogule ist im Erfinderwesen ja längst nicht vorbei. Man denke nur an Softwarepatente, die ganzen Branchen die Luft abschnüren, und die Biopiraterie im Pharmazie- und Nahrungsmittelsektor, die indigene Völker um ihre kulturellen Errungenschaften bringen. Hier hätte ein deutlicher Bezug nicht geschadet - so oder so bleibt das Buch eine reiche und spannende Lektüre.
Rezensiert von Susanne Billig
Günter Myrell (Hrsg.): Auf den Spuren genialer Forscher und Erfinder. Das Buch zur ZDF-Reihe "Terra X"
dtv premium
192 Seiten, 14,90 Euro
Am Anfang jedoch regierte das Chaos, vor allem im Transportwesen. Drastisch beschreibt Autor Christian Heynen in dem neuen Buch "Auf den Spuren genialer Forscher und Erfinder", wie es im 19. Jahrhundert im Osten der Vereinigten Staaten zugeht: In Fässern wird das Öl auf Flöße verladen und gondelt den "Oil Creek" - den Ölbach - hinunter. Oft stranden die Flöße am Ufer. Deshalb erzeugt man durch das Schließen und Öffnen von Wehren künstliche Flutwellen, die die Flöße mit sich reißen sollen.
Regelmäßig ereignen sich folgenschwere Kollisionen: Schiffe, Flöße, aufgeschlitzte Fässer und jede Menge Öl versinken in den Fluten. Byron Benson heißt der Mann, der hier Abhilfe schaffen möchte: mit dem Bau der ersten, langen Öl-Pipeline, die auch gebirgige Strecken überwinden kann.
"Stahlhart zum Atlantik" heißt das Kapitel - und stahlhart muss auch Byron Benson werden. Denn es gibt einen großen Widersacher aller Neuerungen im Öl-Geschäft: John D. Rockefeller, der sich vom Bauernsohn zum Öl-Mogul hochgearbeitet hat, kontrolliert die Raffinierung und das gesamte Transportwesen und schreckt vor Drohungen, Bestechungen, Sabotage und Spionage nicht zurück, um sich Konkurrenten vom Leib zu halten. Ein Kampf zwischen David und Goliath beginnt, in dem es um Pumpen, Dampfmaschinen und optimale Rohrdurchmesser ebenso geht wie um korrupte Medien, mafiöse Richter, Erfinderhartnäckigkeit und das sprudelnde Öl am Ende.
Das Buch, welches die neue Staffel der ZDF-Dokumentarfilmreihe "Terra X" flankiert und von verschiedenen Fernsehautoren geschrieben wurde, konzentriert sich auf nur vier Erfinder-Biografien. Entsprechend viel Platz bleibt für Seitenaspekte und lange biografische Sequenzen, die mit der eigentlich Erfindung gar nicht so viel zu tun haben.
Da alle vier Lebensgeschichten den Topos "David kämpft gegen Goliath" bedienen, wird es bisweilen - obwohl die äußerst simpel geschriebenen Texte ihre Fernseh-Herkunft nicht verleugnen können - so spannend, dass man sich versucht fühlt, auf die letzten Seiten einer Geschichte vorzublättern, um zu erfahren, wie das Drama wohl ausgegangen ist. Besonders ergreifend liest sich die Geschichte des Mannes, der die Schiffsschraube erfunden hat und den heute kaum noch jemand kennt: Der Österreicher Josef Ressel befasst sich schon 1812 als junger Ingenieurstudent mit der Idee einer Schraube zur Fortbewegung von Schiffen.
Doch die meisten Reeder halten an den gängigen Schaufelrädern zum Antrieb ihrer Schiffe fest und stempeln den Mann zum Querulanten ab. Mit einer zu Herzen gehenden Hoffnung versucht Josef Ressel, Prototypen seiner Schiffsschraube zu bauen, Geldgeber zu finden, die Mächtigen seiner Zeit für die Idee zu begeistern - bis hin zum ägyptischen Herrscher. Gutgläubig liefert er sich Geschäftsleuten aus, zeigt ihnen seine Zeichnungen, wird belogen und betrogen. Noch auf dem Sterbebett kritzelt er eine Nachricht an seine Familie: Sie soll darauf achtgeben, dass man ihm die Erfindung nicht streitig macht. Da hat die britische Regierung höchstselbst seine Idee mit einem Trick bereits an sich gerissen und heimischen Erfindern zugesprochen. Bis heute gibt es einen Streit um die Urheberschaft an der revolutionären Schraube.
Etwa auf jeder vierten Doppelseite steigt ein farbig unterlegter Textkasten tiefer in spezielle Themen ein. So lernen wir das Prinzip der archimedischen Schraube kennen, werden mit der größten Schiffsschraube der Welt bekannt gemacht und erfahren, welche Zukunftsvisionen es für einen Schiffsantrieb ohne Schraube gibt. Die Geschichte des Pipeline-Erfinders wird angereichert mit Informationen über die frühste Nutzung des "Erdpechs" durch die Babylonier, die Raffinessen heutigen Pipelinebaus oder die Frage, wie solche Rohre eigentlich gereinigt werden können.
Die Autoren des Buches erwähnen den aktuellen Bezug ihrer Erzählungen nicht - leider: Denn der Kampf der Kleinen gegen die großen Mogule ist im Erfinderwesen ja längst nicht vorbei. Man denke nur an Softwarepatente, die ganzen Branchen die Luft abschnüren, und die Biopiraterie im Pharmazie- und Nahrungsmittelsektor, die indigene Völker um ihre kulturellen Errungenschaften bringen. Hier hätte ein deutlicher Bezug nicht geschadet - so oder so bleibt das Buch eine reiche und spannende Lektüre.
Rezensiert von Susanne Billig
Günter Myrell (Hrsg.): Auf den Spuren genialer Forscher und Erfinder. Das Buch zur ZDF-Reihe "Terra X"
dtv premium
192 Seiten, 14,90 Euro