Der Filmemacher als Pop-Star
Mit Filmen wie "Lost Highway" oder "Mulholland Drive" hat Regisseur David Lynch seinen surrealen Stil perfektioniert - mit seiner Kult-Serie "Twin Peaks" prägte er eine ganze Fernsehgeneration. Seinen 70. Geburtstag verbringt Lynch bei der Arbeit.
David Lynch wurde am 20. Januar 1946 in der kleinen Stadt Missoula im Bundesstaat Montana geboren - vielleicht kennt er sich deshalb so gut aus mit den Abgründen der amerikanischen Provinz.
Wie in "Blue Velvet" von 1986: Lynch braucht nur Sekunden, um das amerikanische Idyll mit weiß lackierten Lattenzäunen und bunten Blumenbeeten zu zerstören, einfach indem er die Kamera in einen Rasen eintauchen lässt, mit Würmern, Käfern und Ameisen in Großaufnahme, deren Geräusche Lynch wie Kriegsgetümmel klingen lässt.
Und so ist "Blue Velvet" ein Film über Sex, Gewalt und Drogen, den Unterboden der amerikanischen Gesellschaft. Die Idee dazu sei ihm ausgerechnet beim Hören des kitschigen Titelsongs gekommen, erzählte Lynch voriges Jahr bei einem Bühnengespräch mit dem Filmkritiker David Stratton: Er habe an grüne Wiesen und rote Lippen denken müssen - und später an ein abgeschnittenes Ohr, das auf einem Feld liegt.
Verweigert typische Geschichten
Dann seien ihm noch mehr Ideen gekommen. Ideen - das sind die Grundzutaten für Lynchs Filme. Es wäre meist müßig, ihre Geschichte zu erzählen, denn genau diesen Plot, sonst die Basis aller Hollywood-Filme, verweigert Lynch seinen Zuschauern oft und umfängt sie statt dessen in Bildern, Szenen, mit Musik und Geräusch. Das war schon bei seinem ersten Film "Eraserhead" von 1977 so - da zeigt er einen Vater, der mit einem grotesk geformten Baby in einem Appartment lebt, voller Angst und Aggression.
Er liebe Kafka, erzählt Lynch, ganz besonders dessen Erzählung "Die Verwandlung". Lynchs frühen Filme sind geprägt von der Tradition des "Body Horror", wie "Der Elefantenmensch" von 1980: Ein entstellter Mann wird im viktorianischen England als Jahrmarktsattraktion ausgestellt. - Der Film mit Anthony Hopkins und John Hurt wurde für acht Oscars nominiert.
Es braucht nur ein paar Töne der Musik von Angelo Badalamenti, dann hat eine ganze Generation Fernsehzuschauer die Bilder wieder im Kopf, von schneebedeckten Gipfeln, Wasserfällen, dunklen Wäldern und von FBI-Ermittler Dale Cooper alias Kyle MacLachlan, der versucht, den Mord an der schönen Laura Palmer aufzuklären, während er seiner Assistentin Diane Notizen auf Band spricht.
Kino ist wie Musik
Millionen sahen 1990 zu, wie Lynch über acht Episoden die Welt von "Twin Peaks" entfaltete - nicht so radikal wie seine Kinofilme, aber doch radikal anders als die typische Serienware damals. Heute, in Zeiten von "Game of Thrones", von Amazon und Netflix, würde man von horizontalem Erzählen sprechen.
Im Kino hat Lynch mit Filmen wie "Lost Highway" oder "Mulholland Drive" seinen surrealen Stil perfektioniert: Oft weiß der Zuschauer nicht, ob die Figuren träumen oder erleben, was gezeigt wird - man kann in diese Filme unendlich viel hineininterpretieren. Oder man hält es mit Lynch selbst:
"Cinema is a lot like music."
Das Kino sei der Musik sehr ähnlich, sagt er - und auch von Musik erwarten wir ja eher, dass sie uns berührt, als dass sie eine logische Geschichte erzählt. Lynch sieht sich selbst als einen Komponisten, der statt mit Noten mit Ideen arbeitet. Er verwendet die Technik der transzendentalen Meditation, um diese Ideen zu finden und zu ordnen.
Seinen 70. Geburtstag verbringt Lynch mitten bei der Arbeit: Er dreht gerade eine Fortsetzung von "Twin Peaks". Nächstes Jahr soll die neue Staffel ins Fernsehen kommen.