Unda Hörner: "Der Zauberberg ruft!"

Zwischen Lungenkrankheit, Lust und Literatur

05:47 Minuten
Von einem Aufenhalt im schweizerischen Davos erhofften sich einst viele Erkrankte Heilung.
Davos im Schweizer Kanton Graubünden: eine historische Aufnahme der Stadtansicht mit Drahtseilbahn © picture alliance / arkivi
Von Gerd Brendel |
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Davos gilt heute als Treffpunkt der Mächtigen und Reichen. Doch einst war es Sehnsuchtsort und Ziel für Heilung Suchende aus ganz Europa, darunter auch viele Schriftsteller und Dichterinnen. Von ihnen handelt Unda Hörners Buch.
Unda Hörner wohnt am Berliner Schlachtensee. Umgeben von alten Gründerzeit-Villen, in denen sich vermögende Berliner von der schlechten Großstadtluft erholen. Die ideale Umgebung für ein Buch über die "Bohème in Davos", so der Untertitel von Hörners Buch "Der Zauberberg ruft!"

Kur fernab vom Weltgeschehen

Thomas Manns "Zauberberg" über das Leben in einem Davoser Lungensanatorium ist der erste Teil gewidmet. Auf die Idee zum Buch brachte die promovierte Autorin ein Freund während Hörners erster Reise nach Davos, wo heute nur noch wenig an den Schauplatz von Thomas Manns Roman erinnert.
"Mit der Entdeckung des Penizillins hatte Davos als Tuberkulose-Station, als Kurort ausgedient", sagt Hörner. An ein Zauberberg-Gefühl erinnert sich Hörner aber doch, auf den letzten Kilometern vor Davos im Zug – wie Hans Castorp, der Held aus Thomas Manns Zauberberg.
"Die Schmalspurbahn schnauft da so den Berg hoch, und ich erinnere mich an eine wahnsinnige Schneelandschaft, die Äste brachen ab unter der Schneelast. Man ist da wirklich fernab der Zivilisation, so kommt es einem vor. Und das war genau die Intention von Thomas Mann im Zauberberg-Roman. Sein Hans Castorp begibt sich jenseits des Weltgeschehens in diese Abgeschiedenheit der Berge."

Wie in einem Lustschlösschen

Der Schriftsteller reiste 1912 zum ersten Mal nach Davos, um seiner Frau Katia einen Monat Gesellschaft zu leisten, die hier einen Lungenkatarrh auskurierte. Die hatte ihrem Mann schon in Briefen vom heiteren Treiben der Patienten erzählt:
"Der Hofrat spricht vom Sanatorium doch manchmal wie von einem Lustschlösschen. Die ungeheure Laxheit, die bestand, dass man über die Balkone von einem Zimmer ins andere kommt – es war schon in sittlicher Hinsicht nicht ganz einwandfrei."
"Es war ja eben auch so eine Art Wellness-Tourismus für viele", sagt Hörner. "Es waren ja nicht alle todgeweiht. Natürlich wurde da angebandelt, es gab Kurschatten und Affären – und das beschreibt Thomas Mann ja auch in seinem Roman. Diese Claudia Chouchat, die immer die Türen schmeißt und in die sich sein Hans Castorp dann verliebt – solche Geschichten wird das Leben geschrieben haben."

Flucht aus der Enge großbürgerlicher Familien

Wie die Liebesgeschichte von Paul Eluard und Jelena Djakonowa, genannt Gala. Beide gingen nach Davos, um der bedrückenden Enge ihrer großbürgerlichen Familien in Paris und Moskau zu entkommen.

"Ein einziges Geschöpf
hat den reinen Schnee schmelzen lassen
Blumen erblühen lassen im Gras
Und die Sonne kommt hervor."

So dichtet Eluard in seinem Lungen-Sanatorium in den Schweizer Bergen. Gala schreibt das Vorwort zu seiner zweiten Gedichtsammlung "Dialoge der Nichtsnutze".
Nach dem Ersten Weltkrieg zählen beide in Paris zu den führenden Surrealisten. Und auch wenn später Gala Salvator Dali heiratete, blieben sich die Liebenden von Davos ein Leben lang verbunden.

Es wurde gehustet, geküsst und gelästert


Die 20er-Jahre brachten neue vermögende Patienten und Patientinnen nach Davos. Einer von ihnen, Rene Crevel, veröffentlichte 1929 nach Thomas Mann den zweiten Davos-Roman: "Etes-vous fous? Seid Ihr verrückt?" 
Einen entzauberten Zauberberg nennt Hörner das surrealistische Werk, "weil er doch ziemlich schroff und selber als Todgeweihter über diesen Ort schreibt, wo wirklich gestorben wird". Als "elende Internationale der Brustkörbe, Bazillen-Syndikat, Husten-Freimaurerei" erlebt Crevels Protagonist Vagualame, zu Deutsch Seelenweh, die Welt in seinem "Wolkenkratzer-Sanatorium".
Davos und seine berühmten Kranken: Es wurde getanzt, gehustet, geküsst und gelästert. Man erfährt bei Hörner nicht nur, welche Inspirationen der Luftkurort bereithielt, sondern auch, was hintenrum über jemanden wie Thomas Mann gesagt wurde.

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