Ein Gotteshaus für Goldsucher
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Am Yukon-River im Nordosten Kanadas wurde 1896 das erste daumengroße Nugget gefunden, ein Jahr später setzte der legendäre Klondike-Goldrush ein. Vom Geld der Goldgräber wurde 1902 in Dawson City auch eine Kirche gebaut, die bis heute existiert.
"Du schüttelst die Pfanne etwas im Wasser, langsam, von Seite zu Seite", erklärt Goldgräber Danny. "Alles muss sich bewegen, und dann pickt man die kleinen Brocken heraus. Und du siehst, die Kiesel schwimmen aus der Pfanne, aber nicht das Gold."
Und dann heißt es: "Hey, Bonanza!"
Findet man am Yukon-River Gold, ruft man: "Bonanza". Das spanische Wort bedeutet "Glücksfall", und hier, am Bonanza Creek, dem "Glücksfall-Bach", dürfen sich auch Touristen in einem öffentlichen Claim im Goldwaschen versuchen – sofern sie den Weg hierher in den äußersten Nordwesten Kanadas gefunden haben. 1896 wurde am Klondike-River, in der Nähe des Zuflusses zum Yukon-River, das erste daumengroße Nugget gefunden. Daraufhin setzte der "Klondike-Goldrush" ein.
Mit dem Geld der Goldgräber erbaut
Noch heute waschen rund 500 Goldsucher am Yukon. Und beten, dass sie auch mal ein Nugget finden. Beten können sie auch in der anglikanischen Kirche St. Pauls in Dawson City. Das hölzerne, in verschiedenen Brauntönen gestrichene Gebäude ist im Stil der amerikanischen Carpenter-Gothic, zu Deutsch: Zimmermanns-Gotik, erbaut.
"Die Leute kommen herein, um in Stille zu beten", sagt Erzdiakonin Laurie Munroe. "Die Kirche wurde im Jahr 1902 vom Geld der Goldgräber gebaut. Sie ist wohl das einzige Gebäude in Dawson, das von der Zeit des Goldrausches bis heute ununterbrochen in seiner ursprünglichen Bestimmung genutzt wird."
Laurie Munroe ist die Pfarrerin der St. Pauls Church. Etwa 650.000 Mitglieder umfasst die anglikanische Kirche in Kanada, aufgeteilt ist sie in 30 Bistümer. Sonntags kommen die Einwohner von Dawson zum Gottesdienst, sagt Laurie Munroe. Goldgräber leider nicht, bedauert sie.
"Die Goldgräber haben sehr viel zu tun, denn die Saison zum Goldwaschen ist sehr kurz. Sie kommen nach Dawson, wenn das Wetter gut genug ist, und dann arbeiten sie auf ihren Claims. Und die verlassen sie bestimmt nicht, um in die Kirche zu kommen."
Für manche ist das Gold der Gott
Auch Ron, einer der Goldgräber am Klondike, bleibt lieber, wo er ist. "Früher brauchte man zum Goldsuchen einen Pickel, einen Eimer und eine Goldpfanne. In unseren Tagen macht man ein Feuer auf dem gefrorenen Boden, und dann arbeitet man sich langsam zu der Schicht vor, wo das Gold ist", sagt er.
"Manche haben dennoch einen starken Glauben, andere dagegen gar nicht", meint Laurie Munroe.
Eine Goldwaschsaison reicht von April bis in den September hinein, danach friert der Fluss zu. Wer bis dahin nichts gefunden hat, für den ist das Jahr gelaufen.
"Manche wollen nur genug Geld machen, um zu ihren Familien zurückzukehren", sagt Goldgräber Ron. "Aber ja, für manche ist Gold ihr Gott."
Glaube braucht Gemeinschaft
Vor über 100 Jahren, zur Zeit des Goldrausches, sei das noch anders gewesen, meint Pfarrerin Laurie Munroe: "Jeden Sonntag sprachen sie mit ihren Kindern über Gott. Soweit ich weiß, ist das heute nicht mehr so. Glaube braucht auch die Gemeinschaft, die Zusammenkunft Woche für Woche. Und diese Art Glaube ist bei vielen Leuten nicht mehr vorhanden."
Und doch ist Dawson City keine Stadt der Verdammten, und schon gar nicht ein gottloses Nest.
"Die Leute hier haben unterschiedliche Hintergründe und sehr verschiedene Charaktere", erklärt Munroe. "Manche sind allein, andere nicht. Natürlich gibt es auch Streit. Dennoch hilft man sich hier, egal, was jemand am Tag vorher gesagt hat. Wenn man Hilfe braucht, bekommt man sie."
Spirituell – aber nicht am Sonntag
Laurie Munroe besucht auch die First Nations, die indianischen Ureinwohner hier am Yukon:
"Nur sehr wenige von ihnen kommen am Sonntag. Die Ureinwohner sind sehr spirituell. Am Sonntag zusammenzukommen, ist aber nicht Teil ihrer Kultur. Doch sie arbeiten, beten, wo immer sie sind, Gott ist immer bei ihnen. Am Sonntag in die Kirche zu kommen, ist da nicht so wichtig für sie."
Egal, ob man zu den First Nations gehört oder einen Claim bearbeitet, um reich zu werden, immer sind die Weiten der Yukon-Wälder um einen herum oder das Ufer eines spiegelglatten, einsamen Sees. Beides gibt Frieden: die Natur und das Gebet.