DDAC - Pestizide durch die Hintertür
Das Bundesamt für Verbraucherschutz hat unlängst ein Pflanzenstärkungsmittel verboten. Es enthielt überhöhte Rückstände eines Desinfektionsmittels. In der Folge mussten eine Million Töpfe mit Bio-Kräutern vernichtet werden. Doch nicht nur Bioprodukte waren belastet. Udo Pollmer klärt's auf.
Jahrelang haben die Verbraucher regelmäßig Biolebensmittel verzehrt, namentlich Obst, Gemüse und Kräuter, die mit einer unzulässigen Chemikalie belastet waren. Pressemeldungen zufolge handelte es sich dabei um ein Desinfektionsmittel, das versehentlich in zwei Pflanzenstärkungsmittel geraten sei.
Sogenannte Pflanzenstärkungsmittel verwenden vor allem Biolandwirte, um damit auf Pflanzenschutzmittel verzichten zu können. Die beiden Stärkungsmittel auf der Basis von Zitrusextrakten waren von Bioverbänden zugelassen und erfreuten sich dank ihrer ausgezeichneten Wirkung regen Zuspruchs.
Doch das fragliche Desinfektionsmittel Didecyldimethylammoniumchlorid, abgekürzt DDAC, ist in Wirklichkeit ein typisches Pestizid und Antibiotikum in Personalunion, also ein Breitband-Biozid. Es war offenbar absichtlich zugesetzt worden. DDAC vernichtet Bakterien, Pilze, Algen, Unkräuter und Insekten - in Holzschutzmitteln beispielsweise macht es Termiten den Garaus.
Hat die Bio-Szene wirklich ernsthaft geglaubt, mit der "Kraft der Zitrone" den Pilzkrankheiten und Schädlingen im Gemüsebeet Paroli bieten zu können? Warum müssen dann in Zitrusplantagen regelmäßig Pestizide versprüht werden? Warum werden sogar noch die geernteten Zitronen vor dem Versand extra mit Pilzvernichtungsmitteln ausgerüstet so wie Wollsocken gegen Fußpilz? Besonders hohe Rückstandsgehalte fanden sich ja nicht nur auf Bio-Kräutern sondern bezeichnenderweise auf Orangen, sowie auf Mangos und Bananen.
Für ein gesundes Misstrauen gab es allen Grund. Es ist beileibe nicht der erste vermeintlich natürliche Zitrusextrakt, der zur Behandlung von Pilzkrankheiten verkauft wurde. Berüchtigt waren die Grapefruitkernöle, die illegal mit Fungiziden versetzt worden waren, die eng mit DDAC verwandt sind.
Die Politik hat versucht, das Schadstoffproblem der Bioszene auf ihre Weise zu lösen: Auf Bitten der Deutschen hat die EU quasi über Nacht den bisherigen Grenzwert um das 50fache angehoben. Ausschlaggebend war hier allerdings nicht nur die belastete Bioware sondern die Erkenntnis, dass die fraglichen Mittel auch außerhalb des Garten- und Obstbaus zu Rückständen geführt hatten.
Vor allem in Milch und Speiseeis wurden schon erhebliche Verunreinigungen gemessen. Vermutlich eine Folge der Reinigung der Anlagen. Gerade in der Milchwirtschaft ist die Verlockung groß, denn der Landwirt wird nach der Zahl der Keime in seiner Anlieferungsmilch bezahlt. Wenn die Melkanlage nach der Reinigung nicht nachgespült wird und noch etwas Desinfektions-Lauge in den Leitungen verbleibt, senkt das zwar die Keimzahl in der Milch, bewirkt aber auch, dass die restliche Reinigungslösung mit dem nächsten Melkvorgang in den Tank gespült wird. Einmal wurde sogar ein Fleischverarbeiter ertappt, der seine Würste zur Haltbarmachung direkt in eine DDAC-Lösung getaucht hatte.
Diese Praktiken sollten dringend unterbunden werden - egal ob Wurstfabrik, Eisdiele oder Biokräuter-Anbau. Die Erhöhung des Grenzwertes kommt einer Legalisierung verbotener Praktiken gleich. Problematisch sind vor allem die antibiotischen Eigenschaften: DDAC führt zur Bildung von resistenten Keimen - namentlich gegenüber Tetracyclinen, Chloramphenicol und ß-Lactam-Antibiotika.
Resistente Keime werden nicht nur durch Antibiotika verursacht, sondern auch durch Bioobst und Softeis. Da beides gewöhnlich roh verspeist wird, sind die überlebenden Keime brisanter als bei einem Geflügeldöner. Der Dönergrill tötet die Keime allesamt ab und so können sie niemandem mehr schaden - egal ob resistent oder nicht. Mahlzeit!
Literatur:
- BfR: Gesundheitlich Bewertung der Rückstände von Didecyldimethylammoniumchlorid (DDAC) in Lebensmitteln. Stellungnahme Nr. 27/2012 vom 9. 7. 2012
- Rösler U: Resistenz-Entwicklung gegen Desinfektionsmittel in der Lebensmittelkette. FU Berlin; BfR-Forum Verbraucherschutz vom 4. Juni 2012
- Knapp H: Desinfektionsmittelrückstände in Lebensmitteln. Lebensmittelchemie 2011; 65: 8
- McCay PH: Effect of subinhibitory concentrations of benzalkonium chloride on the competitiveness
of Pseudomonas aeruginosa grown in continuous culture. Microbiology 2010; 156: 30-38
- Anon: Gratefruitkernextrakt - ein biologisches Breitbandantibiotikum? Arznei-telegramm 1990; 30: 47
- Ganzera M et al: Development and validation of an HPLC/UV/MS method for simultaneous determination of 18 preservatives in grapefruit seed extract. Journal of Agricultural and Food Chemistry 2006; 54: 3768-3772
- Hwang WJ et al: Evuluation of new quarternary ommonium compound, didecyldimethylammonium tetrafluoroborate (DBF) in comparison with DDAC: Leachability and termite resistance tests. Holz als Roh- und Werkstoff 2006; 64: 111-116
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- Von Pestiziden und Parasiten
- Vitamine oder Arsen?
Sogenannte Pflanzenstärkungsmittel verwenden vor allem Biolandwirte, um damit auf Pflanzenschutzmittel verzichten zu können. Die beiden Stärkungsmittel auf der Basis von Zitrusextrakten waren von Bioverbänden zugelassen und erfreuten sich dank ihrer ausgezeichneten Wirkung regen Zuspruchs.
Doch das fragliche Desinfektionsmittel Didecyldimethylammoniumchlorid, abgekürzt DDAC, ist in Wirklichkeit ein typisches Pestizid und Antibiotikum in Personalunion, also ein Breitband-Biozid. Es war offenbar absichtlich zugesetzt worden. DDAC vernichtet Bakterien, Pilze, Algen, Unkräuter und Insekten - in Holzschutzmitteln beispielsweise macht es Termiten den Garaus.
Hat die Bio-Szene wirklich ernsthaft geglaubt, mit der "Kraft der Zitrone" den Pilzkrankheiten und Schädlingen im Gemüsebeet Paroli bieten zu können? Warum müssen dann in Zitrusplantagen regelmäßig Pestizide versprüht werden? Warum werden sogar noch die geernteten Zitronen vor dem Versand extra mit Pilzvernichtungsmitteln ausgerüstet so wie Wollsocken gegen Fußpilz? Besonders hohe Rückstandsgehalte fanden sich ja nicht nur auf Bio-Kräutern sondern bezeichnenderweise auf Orangen, sowie auf Mangos und Bananen.
Für ein gesundes Misstrauen gab es allen Grund. Es ist beileibe nicht der erste vermeintlich natürliche Zitrusextrakt, der zur Behandlung von Pilzkrankheiten verkauft wurde. Berüchtigt waren die Grapefruitkernöle, die illegal mit Fungiziden versetzt worden waren, die eng mit DDAC verwandt sind.
Die Politik hat versucht, das Schadstoffproblem der Bioszene auf ihre Weise zu lösen: Auf Bitten der Deutschen hat die EU quasi über Nacht den bisherigen Grenzwert um das 50fache angehoben. Ausschlaggebend war hier allerdings nicht nur die belastete Bioware sondern die Erkenntnis, dass die fraglichen Mittel auch außerhalb des Garten- und Obstbaus zu Rückständen geführt hatten.
Vor allem in Milch und Speiseeis wurden schon erhebliche Verunreinigungen gemessen. Vermutlich eine Folge der Reinigung der Anlagen. Gerade in der Milchwirtschaft ist die Verlockung groß, denn der Landwirt wird nach der Zahl der Keime in seiner Anlieferungsmilch bezahlt. Wenn die Melkanlage nach der Reinigung nicht nachgespült wird und noch etwas Desinfektions-Lauge in den Leitungen verbleibt, senkt das zwar die Keimzahl in der Milch, bewirkt aber auch, dass die restliche Reinigungslösung mit dem nächsten Melkvorgang in den Tank gespült wird. Einmal wurde sogar ein Fleischverarbeiter ertappt, der seine Würste zur Haltbarmachung direkt in eine DDAC-Lösung getaucht hatte.
Diese Praktiken sollten dringend unterbunden werden - egal ob Wurstfabrik, Eisdiele oder Biokräuter-Anbau. Die Erhöhung des Grenzwertes kommt einer Legalisierung verbotener Praktiken gleich. Problematisch sind vor allem die antibiotischen Eigenschaften: DDAC führt zur Bildung von resistenten Keimen - namentlich gegenüber Tetracyclinen, Chloramphenicol und ß-Lactam-Antibiotika.
Resistente Keime werden nicht nur durch Antibiotika verursacht, sondern auch durch Bioobst und Softeis. Da beides gewöhnlich roh verspeist wird, sind die überlebenden Keime brisanter als bei einem Geflügeldöner. Der Dönergrill tötet die Keime allesamt ab und so können sie niemandem mehr schaden - egal ob resistent oder nicht. Mahlzeit!
Literatur:
- BfR: Gesundheitlich Bewertung der Rückstände von Didecyldimethylammoniumchlorid (DDAC) in Lebensmitteln. Stellungnahme Nr. 27/2012 vom 9. 7. 2012
- Rösler U: Resistenz-Entwicklung gegen Desinfektionsmittel in der Lebensmittelkette. FU Berlin; BfR-Forum Verbraucherschutz vom 4. Juni 2012
- Knapp H: Desinfektionsmittelrückstände in Lebensmitteln. Lebensmittelchemie 2011; 65: 8
- McCay PH: Effect of subinhibitory concentrations of benzalkonium chloride on the competitiveness
of Pseudomonas aeruginosa grown in continuous culture. Microbiology 2010; 156: 30-38
- Anon: Gratefruitkernextrakt - ein biologisches Breitbandantibiotikum? Arznei-telegramm 1990; 30: 47
- Ganzera M et al: Development and validation of an HPLC/UV/MS method for simultaneous determination of 18 preservatives in grapefruit seed extract. Journal of Agricultural and Food Chemistry 2006; 54: 3768-3772
- Hwang WJ et al: Evuluation of new quarternary ommonium compound, didecyldimethylammonium tetrafluoroborate (DBF) in comparison with DDAC: Leachability and termite resistance tests. Holz als Roh- und Werkstoff 2006; 64: 111-116
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