"Jeder wusste, wir denken jetzt alle das Gleiche"
Freya Klier erhielt 1985 in der DDR als Autorin und Regisseurin Berufsverbot - und wurde später ausgebürgert. Zurzeit arbeitet sie an einem Dokumentarfilm über die Rolle der Frau im Sozialismus. Ein Thema "Im Gespräch" mit ihr: die Kunst als Form des Protests.
Freya Klier geriet schon mit drei Jahren in die Fänge des DDR-Staates: Als Tochter so genannter "Staatsfeinde" der DDR, litt sie ein Jahr lang in einem Kinderheim unter der drakonischen Strenge stalinistisch geprägter Erzieher.
"Es waren alles Kinder, wo die Eltern Feinde des Friedens waren, wie es hieß, und die dort umerzogen werden sollten. Wir konnten zwar noch nicht lesen und schreiben, aber wir mussten zum Beispiel mit dem Gesicht zur Wand stehen nach dem Waschen oder zweimal, dreimal die Woche im Treppenhaus stehen, um nachzudenken, was wir tun wollen, um wieder gut zu machen, dass unsere Eltern Feinde des Friedens sind."
Doch als sie größer wurde, begann Freya Klier die Verlogenheit des Systems zu durchschauen. Später als Schauspielerin und Regisseurin lotete sie ihre Freiheitsräume aus.
"Es war eine sehr große Ernsthaftigkeit, und die Leute gingen ja ins Theater, und wenn man so einen Satz hat wie in Schillers Don Carlos, wo der Marquis de Posa dem König zuruft: 'Geben Sie Gedankenfreiheit!', dann klatschen die Leute alle frenetisch und die Schauspieler hielten die Pausen, sie hielten die Spannung auf der Bühne und jeder wusste, wir denken jetzt alle das Gleiche, wir fühlen alle das Gleiche. Das kann das in einer Demokratie schwer vermitteln, aber das hat solche Kraft gegeben."
Friedenskreis und Freundeskreis
Schließlich wurde sie mit einem Berufsverbot belegt. Auf sie und ihren Lebensgefährten, den Liedermacher Stefan Krawszyk, wurde sogar ein Mordanschlag verübt. 1980 gründete die Bürgerrechtlerin in Berlin Pankow einen der ersten Friedenskreise der DDR. Bis heute ist ihr Leben geprägt von der Erinnerung an die SED-Diktatur. Sie schreibt historische Sachbücher wie "Erziehung in der DDR" und dreht Dokumentarfilme wie "Meine Oderberger Straße" .
"Du sollst Dich erinnern" lautet ihr persönliches elftes Gebot. Das bedeute jedoch nicht, dass Sie in der Vergangenheit stecken geblieben ist:
"Meine Lebensfreude leidet nicht. Also erstmal habe ich einen guten Freundeskreis, ich arbeite das, was ich gern machen möchte. Ich arbeite mit Schülern, da hast Du die blanke Gegenwart, was auch gut ist und ich fahre viel herum und lerne die Welt kennen und bin wirklich ein in mir eher glücklicher Mensch."
Und wenn Freya Klier heute an Schulen unterwegs ist, um vom Alltag der DDR zu erzählen, dann will sie die Jugendlichen auch für das politische Geschehen in der Gegenwart sensibilisieren.
"Ich mache Rollenspiele unter anderem mit ihnen, Klassenzimmer-, Ranzenkontrollen, Taschenkontrollen, bespitzeln, petzen, mit 4 Schülern, die dann auch eingeweiht und vorbereitet sind und das kommt total gut. Dann sind die drinnen. Die haben das Gefühl, irgendwie was findet überhaupt statt mit mir in einer Diktatur."