Zweierlei Erinnerung an den Stasi-Knast
In dem Dokumentarfilm "Sag mir, wo du stehst“ sprechen ehemalige Häftlinge, aber auch ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit über ihre Zeit im Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen. Nur selten sitzen Opfer und Täter an einem Tisch.
Der berüchtigte Stasi-Knast in Berlin Hohenschönhausen war die Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit. Was hier passierte, trug den Stempel "streng geheim". Nach dem Mauerbau hat die Stasi in Hohenschönhausen vor allem Menschen festgehalten, die aus der DDR fliehen oder ausreisen wollten.
"Man wurde hier reingetrieben, die Tür wurde zugeschlagen, und von denen da draußen so lange angeschrien, bis man sich in der Stellung befand, die die für einen hier vorgesehen hatten. Gesicht an die Wand, Beine auseinander, Hände auf den Rücken."
Der Dokumentarfilm "Sag mir, wo du stehst" zeigt den ehemaligen Häftling Klaus Schulz-Ladegast in einer der Zellen in der heutigen Gedenkstätte Hohenschönhausen. Er erzählt von Einzelhaft, stundenlangen Verhören, Angst und Ungewissheit, dem Alltag im Stasi-Knast. Über 2000 Besucher täglich erleben heute die langen Gänge mit den vielen Zellentüren, den muffigen Geruch, die Vernehmerzimmer. Es sind kleine Räume mit Tisch und Stuhl, unscheinbare Räume, in denen MfS-Mitarbeiter wie Herbert Kierstein die Häftlinge oft stundenlang verhört haben.
Alles geschah nach Recht und Gesetz, erklärt er in dem Dokumentarfilm. Seit dem Fall der Mauer fühlt sich der Ex-Stasi-Mann, ehemals zuständig für Spionagedelikte gegen die DDR, diffamiert:
"Wahrscheinlich wirst du dich auch Befragungen unterziehen müssen, aber im Grunde genommen kannst du eigentlich beruhigt sein, weil du nichts gemacht hast, was du nicht verantworten kannst oder was Unrecht wäre."
"Es gab Zellen mit Fernseher und Radio"
Herbert Kierstein und der ehemalige Untersuchungshäftling Klaus Schulz-Ladegast sind sich zu DDR-Zeiten nie in Hohenschönhausen begegnet. Ihre Erinnerungen haben Opfer und Täter nach der Wende zusammengebracht. So sitzen beide nicht zum ersten Mal auf einem Podium. Herbert Kierstein nutzt die Bühne, um das MfS ins rechte Licht zu rücken. Er hat Unterlagen mitgebracht und hält ein Papier hoch. Sein Beweis, dass der Stasi-Knast sogar eine Hausordnung hatte:
"Dort sind Beschwerderechte geregelt für jeden, Staatsanwalt, Arzt, man kann das nachlesen. Und was überhaupt nicht thematisiert wird in den Führungen, dass es in Hohenschönhausen sogar Zellen mit Fernseher und Radio gab."
Klaus Schulz-Ladegast war gerade 20 Jahre alt, als er verhaftet wurde:
"Ich habe nur gehört, dass sich das bei der Haftanstalt Hohenschönhausen nicht um ein Sanatorium handelt. Also ich war in dieser Zeit von jeglicher Kommunikation ausgeschlossen."
Nach der Untersuchungshaft in Berlin-Hohenschönhausen wurde er wegen Spionage zu vier Jahren Haft verurteilt. 1967 flüchtete Klaus Schulz-Ladegast in die Bundesrepublik. Seit der Wende versucht er, die Umstände seiner Verhaftung aufzuklären. Der ehemalige Stasimitarbeiter Herbert Kierstein zeigt sich kooperativ:
"Schulz-Ladegast hat mir vor zwei, drei Monaten das erste Aktenmaterial aus seinem Vorgang übergeben, dass ich mich sachkundig machen kann, damit wir vertiefende Gespräche führen werden."
Klaus Schulz-Ladegast nickt. Den Mann, der für seine Verhaftung verantwortlich war, kennt er bereits. Er trifft ihn regelmäßig und doch bleiben viele Fragen:
"Das ist ja auch für mich spannend. Ich weiß ja längst nicht alles über die Hintergründe, also, da sind schon noch offene Fragen, wobei ich nicht erwarte, dass die alle beantwortet werden."