"Ich wollte was von der Welt sehen"
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Rund 20.000 Mosambikaner kamen als Vertragsarbeiter in die DDR. Die Versprechungen, mit denen sie gelockt wurden, lösten sich nicht ein. Sie wurden um Teile ihres Lohns geprellt. Und von Rückkehrern wie Franziska Isidro wollte niemand etwas wissen.
"Das Konzept fand ich gut: Wir brauchten neue qualifizierte Arbeitskräfte und da wollte ich ein Teil dessen sein!"
Adelino Massuvira, Ende 50, lehnt sich zurück und lächelt. Der Mosambikaner lebt seit mehr als 38 Jahren in Deutschland – die letzten 30 Jahre in der Stadt Suhl in Thüringen.
"Ich habe mehr Freunde in Suhl als in meiner Stadt, in der ich bis zu meinem 19. Lebensjahr gelebt habe, das heißt ich habe in Suhl mehr Fuß gefasst – mittlerweile lebe ich in Deutschland mehr als in Mosambik selbst."
Adelino ist einer von rund 20.000 DDR-Vertragsarbeitern aus Mosambik – nach der Wiedervereinigung blieb er in Deutschland, wie 2000 seiner Landsleute auch. Die meisten gingen zurück.
Der Grund, dass sie kamen, war ein Vertrag zwischen dem südostafrikanischen Mosambik und der DDR: das "Abkommen über die zeitweilige Beschäftigung mosambikanischer Werktätiger in sozialistischen Betrieben der DDR". Und alle hatten sie den gleichen Traum.
"Ja, ich wollte was probieren, von der Welt sehen bzw. etwas aus meinem Leben machen. Eine Ausbildung war in Mosambik im beschränkten Ausmaß möglich, und da öffnete sich eine Gelegenheit für mich, um eine Ausbildung zu machen oder ein Studium zu absolvieren.
Mosambik wurde 1975 von der Kolonialmacht Portugal unabhängig – durch den Befreiungskampf der sozialistischen FRELIMO. Und obwohl danach ein Bürgerkrieg begann mit der vom Westen finanzierten RENAMO-Bewegung, schickte die sozialistische Regierung die Besten des Landes ins befreundete Ausland, um sie auszubilden – und wieder zurückkommen zu lassen.
Die DDR brauchte Arbeitskräfte vor allem im Bergbau, in Industrie und Landwirtschaft, und Mosambik brauchte Maschinen und Know-how zum Aufbau seiner Industrie – und auch viel Geld. Im Februar 1979 unterschrieben beide Länder den Vertrag.
"Begonnen hat es, dass ich selbst in Mosambik im ersten Jahr war, um dort die Einsätze vorzubereiten."
Sagt Ralf Straßburg aus dem Staatssekretariat für Arbeit und Löhne der DDR, der seit 1979 für die Vertragsarbeiter aus Mosambik zuständig war.
"Zurück in der DDR war ich dann für alles verantwortlich, was mit den mosambikanischen Vertragsarbeitern in Zusammenhang stand – egal was auch immer. Und wir sind in die Betriebe gereist, dort wo sie eingesetzt waren, und haben kontrolliert, dass die Dinge, die vereinbart waren, eingehalten wurden."
Um Lohnanteile betrogen
Was aber Ralf Straßburg nicht wusste, waren die ergänzenden Vereinbarungen zwischen beiden Regierungen. Offiziell sollte ein Teil des Lohns abgezogen und nach der Rückkehr den Arbeitern ausgezahlt werden. Die sogenannten Transferzahlungen. Doch die mosambikanische Regierung nutzte das Geld – zwischenzeitlich bis zu 60 Prozent des Lohns –, um ihre Schulden bei der DDR zu begleichen.
"Wir waren bis zum Ende überzeugt, dass das ausschließlich nur zu Gunsten des betroffenen Arbeitnehmers war, wenn er zurückkehrt. Ich bin immer noch ein bisschen erschüttert, dass sich das so entwickelt hat, wie es sich jetzt darstellt, bin ich immer noch erschüttert."
"Wir sind hierhergekommen mit Hoffnung, dass wir studieren können oder eine Ausbildung absolvieren können. Und im Nachhinein erfahren wir, dass man uns betrogen hat, weil wir hier gearbeitet haben und man hat Lohnanteile einbehalten unter dem Vorwand, dass dieses Geld nach der Rückkehr ausbezahlt werden würde."
30 Jahre nach dem Fall der Mauer streiten die Betroffenen noch immer über die Rückzahlung dieser Gelder – der Frust sitzt inzwischen tief, auf allen Seiten.
Almuth Berger war 1990 Staatssekretärin beim Ministerrat der DDR und zuständig für die Auflösung der Verträge mit den Vertragsarbeitern aus Mosambik.
"Wir haben alle nicht gewusst, dass die sogenannten Transferleistungen gleich verrechnet wurden und niemals ausgezahlt wurden."
Almuth Berger war in dem Team, das versuchte, eine faire Vertragsabwicklung mit den Mosambikanern im Einigungsvertrag festzuschreiben – erfolglos.
"Die Rechtsauffassung war damals: mit dem Ende der DDR waren auch völkerrechtliche Verträge, die die DDR abgeschlossen hat, erloschen. Ich denke, rechtlich kann man das vermutlich nicht beanstanden, eine andere Frage ist: Wie ist die moralische Verpflichtung? Wie kann man das Erbe der DDR auch noch zur bundesrepublikanischen Zeit anerkennen bei den Menschen?! Und sie unter Umständen für das Unrecht, dass ihnen dort wiederfahren hat, entschädigen?"
Enttäuschung nach der Rückker nach Mosambik
Die Schulden in Höhe von 350 Millionen US-Dollar, die Mosambik bei der DDR hatte, wurden von der Bundesrepublik erlassen. Doch was nützt das den Betroffenen?
"Ja, ich bin auch enttäuscht, ich bin auch wütend, nicht mit der deutschen Regierung, mit meiner mosambikanischen Regierung. Okay, wir sind hier geblieben und haben einen Beruf gelernt, aber als wir nach Mosambik fuhren, da konnten wir gar nichts einsetzen, was wir gelernt haben. Und niemand wollte von uns hören, niemand! Viele hatten Angst, einige waren neidisch auf uns, weil wir im Ausland waren und die waren noch nie im Ausland gewesen."
Sagt Franziska Isidro über die Zeit nach ihrer Rückkehr 1989. Sie war mit 13 Jahren in die "Schule der Freundschaft" in Staßfurt gekommen – diese war Teil des Vertrags zwischen Mosambik und der DDR. Nur die besten Schüler und Schülerinnen aus Mosambik wurden dorthin geschickt. Franziska machte ihren Schulabschluss und wurde zur Bekleidungsfacharbeiterin ausgebildet.
Dann kam der Bruch – mit 20 wieder zurück in Mosambik.
Für sie als Frau war die Zeit in der DDR dennoch ein Glücksfall – trotz des Unrechts, der Demütigungen und Kränkungen, die sie nach ihrer Rückkehr zuhause erfahren hat.
"Ich habe vieles hier gelernt, ich bin ein bisschen unterschiedlich zu den anderen. Weil viele von uns haben traditionelle Ideen im Kopf, aber ich nicht. Nicht mehr! Vorher war ich auch so. Manchmal frag ich mich, wenn ich nicht in der DDR gewesen wäre, was würde aus mir? Die Männer schlagen Frauen, wenn sie wollen, wann sie wollen, die respektieren nicht die Frauen, aber für mich gibt’s sowas nicht."
Das erste und bisher einzige Frauenhaus in Mosambik war ihre Idee. Ohne die Erfahrungen in der DDR hätte sie das nie gegründet, sagt Franziska Isidro.